21.01.2022 Ausgabe: 1/22

Die WEG-Reform als Chance - Eine gute Gelegenheit, die eigene Abrechnungspraxis auf Kurs zu bringen.

Mit der Neufassung der Vorschriften für die Jahresabrechnung in § 28 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) verfolgt der Gesetzgeber vorrangig zwei Ziele:

1. Dem Wortlaut des Gesetzes sollen die wesentlichen Inhalte der Jahresabrech- nung entnommen werden können.

2. Die Zahl der Streitigkeiten über die Jahresabrechnung soll verringert werden.

Regelungstechnisch betrifft § 28 Abs. 2 S. 1 WEG den Beschluss- gegenstand und begrenzt diesen auf die Zahlungspflicht. Satz 2 desselben Paragrafen hingegen bereitung zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Systematik unterscheidet klar zwischen Beschlussgegenstand (Satz 1) und Beschlussvorbereitung (Satz 2).

Was ist Beschlussgegenstand?
Für den Erfolg einer Anfechtungsklage genügt es daher nicht mehr, dass lediglich einzelne Teile der Jahresabrechnung fehlerhaft sind, solange sich diese Fehler nicht auf die Höhe der Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer auswirken. Das Streiten um des Kaisers Bart, also um reine Darstellungsfragen, die keine Auswirkung auf die Höhe der daraus resultierenden Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer haben, soll damit beendet werden. Das zugrunde liegende Zahlenwerk, bestehend aus der Jahresgesamtabrechnung sowie den daraus resultierenden Einzelabrechnungen, aus dem die Höhe der Zahlungspflichten abgeleitet wird, ist selbst nicht mehr Gegenstand des Beschlusses. Gegenstand des Beschlusses ist die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung zuvor beschlossener Vorschüsse, also die abschließende Festlegung von Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich sind.


Über- und  Unterdeckung
Für den Fall der Unterdeckung stellt § 28 Abs. 2 S. 1 im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) klar, dass der Beschluss über die Jahresab- rechnung anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrags ist, welcher die im Rahmen des Wirtschaftsplans beschlossenen Vorschüsse übersteigt (BGH, Urteil vom 1.6.2012, Az. V ZR 171/11 Rn. 20). Dieser Betrag ist der Nachschuss. Für den Fall der Überdeckung ist über die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse und nicht etwa über davon losgelöste Rückzahlungen zu beschließen. Eine Rückzahlung scheidet also aus, soweit Vorschüsse nicht erbracht wurden. Insbesondere bei Veräußerung können Käufer damit auch keinen Rückzahlungsanspruch erwerben, wenn und soweit der Verkäufer die von ihm geschuldeten Vorschüsse nicht erbracht hat.


Was erfordert die Beschlussvorbereitung?
So weit, so gut. Problematisch ist hier die Beschlussvorbereitung. Dazu gab es bis 30. November 2020 divergierende Rechtsauf- fassungen darüber, ob im Rahmen der Einzelabrechnung die tatsächlich erbrachten Zahlungen einzustellen sind oder die gemäß Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan geschuldeten Beitragsvorschüsse. Einigkeit bestand zwar darin, dass anspruchsbegründend nur über die Abrechnungsspitze beschlossen wurde. Es war aber unklar, ob diese in der Abrechnung auszuweisen war, oder ob die Mitteilung des Abrechnungssaldos ausreichend, aber auch notwendig war. Insoweit wurde einerseits die Meinung vertreten, die Eigentümer müssten vor Beschlussfassung auch wissen, wie hoch der gegen sie begründete Zahlungsanspruch sein werde (Abrechnungsspitze), andererseits aber, dass Eigentümer sich vorrangig dafür interessierten, welche Beträge aus dem abgelaufenen Wirtschaftszeitraum sie der Gemeinschaft insgesamt noch schulden (Abrechnungssaldo). Letztere Auffassung stützte sich insbesondere auch auf das BGH-Urteil vom 25. September 2020, Az. VZR80/19, wonach die Jahresabrechnung eine reine Ausgaben-Einnahmen-Rechnung ist, damit also nicht auf geschuldeten, sondern auf tatsächlich erbrachten Zahlungen der Wohnungseigentümer beruht.

Der Gesetzesbegründung zum neuen § 28 Abs. 2 WEG ist zu entnehmen, dass die Pflicht zur Vorbereitung eines Beschlusses die Aufstellung einer Jahresabrechnung umfasst, die die Zahlungspflichten der Eigentümer enthält, also die einzufordernden Nachschüsse beziehungsweise die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Das würde die Einstellung der geschuldeten Beitragsvorschüsse notwendig machen. Zugleich fordert die Gesetzesbegründung aber auch, dass die Jahresabrechnung die Einnahmen und Ausgaben enthalten muss, also doch wohl in tatsächlich geleisteter Höhe. Selbst den ergänzenden Informationen des Bundesjustizministeriums ist hier keine genauere Handlungsanweisung zu entnehmen. Bezug genommen wird hier auf die Darstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben in bisheriger Form, ohne die Einnahmenseite näher zu betrachten. Verwaltungen werden sich zur Vorlage der nächsten Jahresabrechnung also für eine Darstellung entscheiden müssen – und das ist zum jetzigen Zeitpunkt auch gefahrlos möglich.


Das Zahlenwerk verschlanken
Damit ist jetzt die Zeit gekommen, alte Zöpfe abzuschneiden und die Gelegenheit zu nutzen, um gemeinsam mit dem jeweiligen SoftwareAnbieter das Zahlenwerk der Jahresgesamtund der Einzelabrechnungen zu reformieren und zu verschlanken, auch auf die Gefahr, sich für die falsche Darstellungsart zu entscheiden. Zur transparenten Information über die wirtschaftliche Situation der abzurechnenden Eigentümergemeinschaft hat der Gesetzgeber ergänzend ja den Vermögensbericht vorgesehen und diesen neben die Jahresabrechnung gestellt, nicht konkurrierend mit ihr.

Auch hier wird es auf die Verwaltungen zukommen, die gesetzliche Aufgabe wahrzunehmen, bei den Wohnungseigentümern um mehr Verständnis zu werben für den Balanceakt, den es bedeutet, ausreichend zu informieren, ohne dabei einzelne Eigentümer zu überfordern oder andere mit einer Papierflut zu überrollen.

Schwarz, Marco J.

Der Rechtsanwalt Marco J. Schwarz ist Justitiar des VDIV Bayern und in der Kanzlei Schwarz, Thönebe & Kollegen in München tätig.