12.01.2021 Ausgabe: 8/20

Die WEG-Reform und der zertifizierte WEG-Verwalter - Zivilrechtliche Lösung statt Sachkundenachweis in der Gewerbeordnung

Wohnungseigentümer haben künftig das Recht, von ihrem Verwalter den Nachweis einer Zertifizierung einzufordern. So sieht es das umfassend reformierte Wohnungseigentumsgesetz (WEG) vor, das am 1. Dezember 2020 in Kraft trat. Diese neue Norm ist eine Zäsur und logische Konsequenz der erweiterten Befugnisse des Verwalters. Zugleich wird damit die Tätigkeit des Wohnungseigentumsverwalters deutlich aufgewertet. Der VDIV Deutschland hatte in den vergangenen Monaten diese zivilrechtliche Lösung massiv ins Spiel gebracht, nachdem sich abzeichnete, dass die Gewerbeordnung (GewO) nicht um den Sachkundenachweis als Voraussetzung für eine gewerberechtliche Tätigkeit ergänzt werden würde.

Dies erklärt auch, warum die Zertifizierung nicht im Gesetzentwurf, sondern erst in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 16. September 2020 (Dr. 19/22634) Eingang fand. Auf Basis der Beschlussempfehlung gaben Bundestag und Bundesrat ihre Zustimmung:

„Der Rechtsausschuss erkennt, dass sich mit den beabsichtigten Änderungen des Wohnungseigentumsrechts die Anforderungen an eine qualifizierte Verwaltung von Wohnungseigentumsanlagen erhöht. Der zunehmende Bedarf an einer fachkundigen Verwaltung resultiert aber auch aus den immer komplexer werdenden gesellschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen, die die Verwaltertätigkeit prägen. Der Rechtsausschuss hält es daher für erforderlich, den Wohnungseigentümern das rechtliche Instrumentarium dafür bereitzustellen, dass sie nach ihren Bedürfnissen und ihrem Ermessen die Verwaltung einer sach- und fachkundigen Person übertragen können.“

Zertifizierung als Bestandteil ­ordnungsgemäßer Verwaltung
Laut § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG gehört künftig zur ordnungsgemäßen Verwaltung insbesondere „die Bestellung eines zertifizierten Verwalters nach § 26a, es sei denn, es bestehen weniger als neun Sondereigentumsrechte, ein Wohnungseigentümer wurde zum Verwalter bestellt und weniger als ein Drittel der Wohnungseigentümer (§ 25 Abs. 2 WEG) verlangt die Bestellung eines zertifizierten Verwalters“. Somit entspricht ein Beschluss über die Bestellung eines Verwalters künftig nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Verwalter zertifiziert ist – sowohl bei Erst- als auch Wiederholungsbestellungen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Bestellung eines nicht-zertifizierten Verwalters keiner ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, sodass ein solcher Beschluss auf Anfechtung hin für ungültig erklärt wird. Aber: Nach Ablauf der Anfechtungsfrist wird der Beschluss bestandskräftig. Sind sich alle Eigentümer einig, einen nicht zertifizierten Verwalter (wieder-) bestellen zu wollen, und rechnen daher nicht mit einer Beschlussanfechtungsklage, steht seiner Bestellung nichts im Wege. Die im Gesetz formulierte Ausnahme für kleine Gemeinschaften besteht dauerhaft. Die Neuregelung betrifft Bestellungsbeschlüsse ab dem 1. Dezember 2022. Wer am 1. Dezember 2020 bereits Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft war, gilt bis zum 1. Juni 2024 als zertifizierter
Verwalter.

Wer ist zertifiziert?
Nach § 26a Abs. 1 WEG darf sich als zertifizierter Verwalter bezeichnen, wer vor einer Industrie- und Handelskammer (IHK) durch eine Prüfung nachgewiesen hat, dass er über die für die Tätigkeit als Wohnungseigentumsverwalter notwendigen rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse verfügt. Damit erhalten IHK eine große Verantwortung, prüfen sie doch künftig allein Inhalte, die auf Grundlage der bereits bestehenden Fortbildungspflicht zugänglich sind. Der Gesetzgeber hat sich zudem bewusst nur für die IHK entschieden, da somit bundesweit einheitliche Prüfungsregeln aufgestellt werden und es keinen Wildwuchs an Zertifizierungsstellen, Akademien etc. gibt.

Nähere Bestimmungen zu Inhalt und Verfahren der Prüfung sowie über das zu erteilende Zertifikat erarbeitet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemäß § 26a Abs. 2 WEG aktuell in einer Rechtsverordnung. In dieser soll auch geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen juristische Personen und Personengesellschaften zum Führen der Bezeichnung berechtigt sind (§ 26a Abs. 2 Nr. 3 WEG) und welche Ausnahmen bestehen. So sollen gemäß § 26a Abs. 2 Nr. 4 WEG Bestimmungen festgelegt werden, „wonach Personen aufgrund anderweitiger Qualifikationen von der Prüfung befreit sind, insbesondere weil sie die Befähigung zum Richteramt, einen Hochschulabschluss mit immobilienwirtschaftlichem Schwerpunkt, eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Immobilienkaufmann oder zur Immobilienkauffrau oder einen vergleichbaren Berufsabschluss besitzen.“ Im Fall einer solchen Ausnahme darf sich die Person wohl nicht als „zertifizierter Verwalter“ bezeichnen – sie ist einem zertifizierten Verwalter aber gleichgestellt.

Ausnahmen von der Regel?
Die Formulierung in § 26a Abs. 2 Nr. 4 WEG ist keine abschließende Aufzählung, sondern eine Auflistung von Regelbeispielen. Diesem Umstand kommt erhebliche Bedeutung zu. Denn es ist nur schwer zu verstehen, warum Juristen die Prüfung zur Zertifizierung nicht durchlaufen müssen, während Personen mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium wie Architektur, Betriebswirtschaftslehre, Bauingenieurwesen und artverwandter Fächer hiervon nicht befreit werden sollen. Schließlich sind hinsichtlich der aktuellen Anforderungen an die Tätigkeit der Wohnungseigentumsverwaltung neben juristischen Fachkenntnissen insbesondere (bau-) technische und kaufmännische Kenntnisse gleichermaßen erforderlich. Hinzu kommt, dass ein Volljurist nach Studienabschluss in der Regel über keine technischen und unternehmerischen Kenntnisse verfügt, um ein sachkundiger Wohnungseigentumsverwalter zu sein. Im Umkehrschluss dürften Absolventen o. g. Studiengänge bei Aufnahme einer Tätigkeit als Verwalter unmittelbar nach dem Studium zunächst keine umfassenden rechtlichen Kenntnisse haben. Zudem ist auch zu prüfen, welche anderen akademischen oder vergleichbaren Abschlüsse von Immobilienkaufleuten von der Zertifizierungspflicht befreit werden können, sofern sie mit einer Abschlussprüfung erbracht wurden.

Zertifizierung von ­Verwaltungsunternehmen
Eine entscheidende Frage für die Praxis: Wer muss bei einem Verwaltungsunternehmen zertifiziert sein, damit „der Verwalter“, also das Verwaltungsunternehmen, als zertifiziert gilt?

In der Begründung des Rechtsausschusses heißt es: „Der Ausschuss geht davon aus, dass insoweit inhaltlich an die entsprechende Regelung zur Fortbildungspflicht in § 34c Abs. 2a S. 1 GewO angeknüpft werden kann. Diese Regelung stellt auf die Personen ab, die unmittelbar an der Verwaltungstätigkeit mitwirken. Dementsprechend müssten Personen, die allein untergeordnete Tätigkeiten ausführen (etwa im Sekretariat oder als Hausmeister), keine Prüfung ablegen, damit sich die juristische Person oder Personengesellschaft, bei der sie beschäftigt sind, als zertifizierter Verwalter ­bezeichnen darf.“

Das dürfte für Einzelunternehmen bedeuten, dass der Gewerbetreibende zertifiziert sein muss, die Mitarbeiter in der Wohnungseigentumsverwaltung hingegen nicht. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften müssten die Personen zertifiziert sein, die unmittelbar an der Wohnungseigentumsverwaltung mitwirken.

Die Zertifizierung wird somit anders gehandhabt als die Weiterbildungsverpflichtung, die sowohl für den Gewerbetreibenden als auch für das unmittelbar an der Verwaltung mitwirkende Personal gilt. Dem Gesetzgeber ist bekannt, dass dadurch Zertifizierung und Weiterbildung auseinanderfallen, aber es war politischer Wille, die Zertifizierung an die unmittelbare Tätigkeit als Wohnungseigentumsverwalter zu knüpfen.

Es bleibt abzuwarten, wie genau die Rechtsverordnung ausgestaltet wird und welche Konsequenzen dies auf Personengesellschaften und juristische Personen haben wird. So ist derzeit offen, ob sich ein Verwaltungsunternehmen als „zertifizierter Verwalter“ bezeichnen darf, wenn einzelne Mitarbeiter nicht zertifiziert, sondern nur gleichgestellt sind, und wie ein Verwaltungsunternehmern die Zertifizierung gegenüber den Eigentümern nachweisen kann, da es kein Firmen-Zertifikat gibt. Ebenso ist fraglich, ob sich ein Unternehmen nicht mehr als „zertifizierter Verwalter“ bezeichnen darf, wenn ein (nicht zertifizierter) Mitarbeiter aus der Mietverwaltung vertretungsweise in der Wohnungseigentumsverwaltung eingesetzt wird, und ob ein neuer Mitarbeiter erst dann dort eingesetzt werden darf, wenn er zertifiziert ist. Das würde letztlich bedeuten, dass angehende Immobilienkaufleute vor dem Ende ihrer Ausbildung eine bestandene Prüfung zum zertifizierten Verwalter benötigen, um aktiv in der Wohnungseigentumsverwaltung mitzuarbeiten – eine problematische Konsequenz.

Warum keine Alte-Hasen-Regelung?
Um mehr Rechtssicherheit für Verwalter, Eigentümer und Mieter zu schaffen, Beschlussfassungen zu erleichtern und mehr Verbraucherschutz zu ermöglichen, regelt die Novelle viele Teile des WEG komplett neu. Vor diesem Hintergrund entfällt aus Sicht des Gesetzgebers die Option der „Alte-Hasen-Regelung“. Bei der Zertifizierung soll es eben nicht nur darum gehen, praxisübliches Wissen nachzuweisen, sondern auch dafür gewappnet zu sein, neuen Herausforderungen durch soziokulturelle und umweltpolitische Entwicklungen erfolgreich zu begegnen und den zertifizierten Prüfnachweis für den Eigentümer vorweisen zu können. Dementsprechend gilt eine bereits langjährig ausgeübte Tätigkeit als Wohnungseigentumsverwalter nicht als eine der in § 26a Abs. 2 Nr. 4 WEG genannten „anderweitigen Qualifikationen“, die dem zertifizierten Verwalter gleichzustellen sind.

Zu rechnen ist mit einer zweigeteilten Prüfung: Neben einer schriftlichen Befragung, wohl im Multiple-Choice-Verfahren, wird eine mündliche Prüfung erfolgen. Es wird nur mit „bestanden“ oder „nicht bestanden“ bewertet.

FAZIT
Mit der WEG-Novelle schreibt der Gesetzgeber eine Zertifizierung als zivilrechtliche Regelung fest, ohne dass diese eine Voraussetzung zur Ausübung der gewerblichen Tätigkeit ist. Die Voraussetzungen des § 34c GewO in Verbindung mit § 15b Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) gelten unbenommen fort und damit auch die gesetzliche Weiterbildungspflicht (mehr dazu ab Seite 22).

Insgesamt ist die Zertifizierung ein entscheidender Schritt für die Branche, da damit auch die gestiegene Verantwortung des Immobilienverwalters abgebildet wird. Aber die Zertifizierung ist dabei nicht zwingend erforderlich – Verwaltungen beispielsweise, die bereits seit Jahren mit Gemeinschaften zusammenarbeiten und ein stabiles Vertrauensverhältnis aufgebaut haben, können auch ohne Zertifizierung tätig bleiben, wenn die Gemeinschaft dies wünscht. Für die gesamte Branche aber ist die Zertifizierung nicht nur ein Impuls, sondern ein wichtiges Werkzeug, das in der Öffentlichkeit vielfach kritisch geprägte Bild des Verwalters zu wandeln und so zur Stärkung des Berufsbildes ­beizutragen.

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Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland