20.10.2015 Ausgabe: 7/2015

Die Wohnungseigen­tümergemeinschaft ist Verbraucher

In Heft 6/15 haben wir uns schon einmal mit diesem BGH-Entscheid befasst, allerdings mit Fokus auf die Vertragsgestaltung. Diesmal wollen wir einen anderen Aspekt beleuchten: Wer ist dem Urteil zufolge eigentlich Verbraucher, und was hat das zur Folge?

Was war passiert? Eine WEG hatte, vertreten durch eine gewerblich handelnde Hausverwaltungsfirma, mit einem Energieversorgungsunternehmen Verträge zur Belieferung mit Erdgas geschlossen. In diesen Verträgen waren, wie bei Energielieferanten üblich, Preiserhöhungsklauseln enthalten. Der BGH hatte in den letzten Jahren solche Preiserhöhungsklauseln sehr häufig als in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam verworfen, zumindest soweit sie Verbraucherverträge betrafen, die dem höheren Schutz nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen. Vertreten durch die Verwalterin hat die WEG nunmehr gegenüber dem Energieversorger auf Rückzahlung der ihrer Meinung nach ungerechtfertigten Preiserhöhungen geklagt und hatte damit in der Revision schließlich Erfolg. Für die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen kam es maßgeblich auf die Rechtsfrage an, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist und damit den höheren Schutz der Verbrauchervorschriften genießt. Diese bislang umstrittene Rechtsfrage hat der BGH nun in einer Grundsatzentscheidung bejaht.

Die Meinung des Gerichts: Bisher wurden in Literatur und Rechtsprechung drei Meinungen vertreten: Die strenge Auffassung ging davon aus, dass die WEG wegen ihrer gesetzlich (§ 10 Abs. 6 WEG) angeordneten Rechtsfähigkeit jedenfalls keine natürliche Person sei, möglicherweise sogar eine rechtsfähige Personengesellschaft, und damit von vorne herein nicht dem Anwendungsbereich der Verbraucherschutzvorschriften nach § 13 BGB unterfällt.

Ein weiterer Teil der Literatur meint, dass es auf die Zusammensetzung der WEG ankomme; wenn diese mehrheitlich aus Verbrauchern bestünde oder wenn wenigstens ein einziger Verbraucher Mitglied sei, müssten die Verbraucherschutzvorschriften angewendet werden. Eine WEG fällt nach der letzten strengen Auffassung nur dann nicht unter den Verbraucherbegriff, wenn an ihr ausschließlich Unternehmer beteiligt sind.

Dieser Auffassung schließt sich der BGH an. Es genügt, wenn der WEG wenigstens ein Verbraucher angehört und sie gleichzeitig ein Rechtsgeschäft abschließt, das weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit der WEG dient.

Insbesondere betont der BGH, dass der Schutzzweck der Verbraucherschutznormen die einzelnen WEG-Mitglieder erfasst. Auf die Mehrheitsverhältnisse in der WEG, die außerdem für einen dritten Geschäftspartner nur schwer feststellbar wären, kann es daher nicht ankommen. Auch wenn nur ein einziges WEG-Mitglied Verbraucher ist, muss dieses und damit die WEG insgesamt den Verbraucherschutz behalten, weil jeder Miteigentümer durch den Erwerb zwangsweise Mitglied der WEG wird. Dieser Verbraucher darf bei den Rechtsgeschäften der WEG nicht anders behandelt werden als bei den Rechtsgeschäften, die er selbst bei Verwaltung des eigenen Vermögens und damit im nichtgewerblichen Bereich abschließen würde.

Der BGH zieht hierfür auch noch haftungsrechtliche Argumente heran: Da jeder WEG-Eigentümer gegenüber dritten Geschäftspartnern der Gemeinschaft jeweils quotal entsprechend seinem Anteil haftet, muss ihm auch in diesem Haftungsverhältnis der Verbraucherschutz zugutekommen. Dies kann nur dadurch für alle Beteiligten überschaubar geregelt werden, dass der gesamten WEG die Verbrauchereigenschaft zugestanden wird.

Daran ändert auch nichts, dass die WEG nach § 10 Abs. 6 WEG rechtsfähig ist. Sie ist ein Rechtssubjekt eigener Art und unterfällt daher nicht unmittelbar den Definitionen von Verbraucher bzw. Unternehmer in den §§ 13 bzw. 14 BGB. Diese Rechtsfähigkeit dient vor allem dazu, das Wohnungseigentumsrecht praktikabler zu gestalten, führt jedoch nicht zu einer Anerkennung als juristische Person. Auch die europarechtliche Verbraucherdefinition schließt dies nicht aus, vielmehr ist es jedem Mitgliedsstaat erlaubt, ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu schaffen.

Weitere Voraussetzung für die Verbrauchereigenschaft ist der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck, der weder der gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit der WEG zugerechnet werden darf. Die Verwaltung eigenen Vermögens, ob zur Eigennutzung oder zur Vermietung, ist bei der Wohnungseigentümergemeinschaft die Regel, so dass alle Verträge, die zur eigenen Bedarfsdeckung abgeschlossen werden, als Verbraucher-Verträge anzusehen sind. Eine andere Beurteilung wäre nur gerechtfertigt, wenn die WEG selbst und alle ihre Mitglieder gewerblich handeln, etwa wenn eine Ferienanlage in Form einer WEG betrieben wird.

Auch die Vertretung durch die unstreitig gewerblich handelnde Verwalterin ändert nichts an der Verbrauchereigenschaft der WEG, denn es kommt im Fall der Stellvertretung grundsätzlich auf die Person des Vertretenen und nicht des Vertreters und Verwalters an. Für eine Umkehrung dieses Grundsatzes müssten besondere und wichtige Umstände im Einzelfall vorliegen, oder die schützende Norm müsste gerade an die Umstände des Vertragsschlusses durch den Vertreter anknüpfen, was beim allgemeinen Verbraucherschutz jedoch nicht der Fall ist. Damit gewährt der BGH der WEG in vollem den Umfang Verbraucherschutz.

Dokumentation: BGH, Urteil vom 25.3.2015, Az.: VIII ZR 243/13.

Ratschlag für den Verwalter:
Insbesondere Energielieferungsverträge sind vor dem Hintergrund der laufenden aktualisierten Rechtsprechung des BGH zu Preisänderungsklauseln daraufhin zu prüfen, ob eventuell Rückzahlungsansprüche für die vertretene WEG geltend gemacht werden können und diese sind möglichst verjährungsunterbrechend geltend zu machen. Weiter kann der Verbraucherschutz auch in fast jeder anderen Situation in Anspruch genommen werden, wenn nicht ganz besondere Umstände entgegenstehen. Insbesondere sind die Widerrufsmöglichkeiten bei fehlender Belehrung nach der Verbraucherrechterichtlinie von Mitte 2014 zu beachten.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.