22.04.2022 Ausgabe: vdivDIGITAL 2022

Digitale Vermietung - Was die Attraktivität des Geschäftsfeldes steigert.

Bis zur Mitte der 2010er-Jahre erfolgte die Neuvermietung von Woh­nungen meist durch unabhängige Immobilienmakler, da der Verwalter für selbstverwaltete Wohneinheiten nicht als Makler auftreten durfte. Die für den Makler anfallende Vermittlungsgebühr von in der Regel drei Nettokaltmieten wurde von dem Mieter bezahlt, obwohl der Makler von dem Verwalter bzw. Eigentümer beauftragt wurde. Verwalter bzw. Eigentümer behielten sich teilweise die endgültige Entscheidung bezüglich des neuen Mieters vor.

Seit der gesetzlichen Verankerung des Bestellerprinzips bezüglich der Zah­lung von Courtage im Sommer 2015 ist eine Abwälzung der Courtagezahlung auf den Mieter nicht mehr möglich. Gleichzeitig besteht seitens der Eigen­tümer vor dem Hintergrund der star­ken Nachfrage nicht die Bereitschaft, eine Maklercourtage in entsprechen­der Höhe bei Neuvermietungen selbst zu tragen. Von den Verwaltungen wird deshalb zunehmend erwartet, dass sie die Neuvermietung zu vertretba­ren Kosten selbst übernehmen. Parallel etablierten sich als Alternative zu den klassischen Immobilienmaklern Mak­lerketten wie Moovin am Markt, die aufgrund standardisierter, stark digi­talisierter Prozesse überregional eine Neuvermietung zu interessanten Kon­ditionen anbieten können.

Chancen und Herausforderungen für den Immobilienverwalter
Die Immobilienverwalter können sich aufgrund dieser Ausgangslage ein neues Geschäftsfeld für die Generierung von zusätzlichen Umsätzen erschließen. Solange sich die anfallenden Gebühren in einem angemessenen Rahmen hal­ten, wird die direkte Vermietung durch den Verwalter in der Regel von dem Eigentümer begrüßt. Letztlich wird der Verwalter im eigenen Interesse und im Interesse des Eigentümers immer bemüht sein, einen Mieter zu finden, der in die Hausgemeinschaft passt und von dem eine nachhaltige Erfüllung sei­ner Pflichten aus dem Mietvertrag zu erwarten ist.

Allerdings begrenzt die Konkurrenzsi­tuation mit unabhängigen Maklern die vom Eigentümer akzeptierte Höhe der anfallenden Vermietungsgebühren. Die Erschließung dieses Geschäftsfelds ist deshalb nur sinnvoll, wenn ein positiver Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden kann.
 

Eckpfeiler eines profitablen Geschäftsmodells für die Neuvermietung
Ein erfolgreiches unternehmerisches Konzept für die Neuvermietung stellt aufgrund des vorhandenen Preisdrucks hohe Anforderungen an die Digitalisie­rung und Integration von Informationen und Prozessen.

  • Nahtlose Integration der Neuvermietung in andere Verwaltungsprozesse
    Die Neuvermietung muss naht­los in andere Verwaltungsprozesse integriert werden, um Synergien zu erschließen. So können Anfahr­ten zum Objekt für Besichtigungen gleichzeitig zur allgemeinen Objekt­begehung oder Kontrolle der Leis­tungen von Dienstleistern genutzt werden. Um eine möglichst naht­lose Neuvermietung nach Auszug oder Renovierung und möglichst kurze Leerstandszeit sicherzustellen, sollte bei Kündigungen die Woh-nungsvorabnahme genutzt werden, um notwendige Renovierungsmaß­nahmen zu beauftragen und einen Zeitplan für die Neuvermietung abzustecken. Gleichzeitig kann mit dem Vormieter seine Bereitschaft zur Durchführung von Besichtigun­gen abgeklärt werden.

 

  • Digitale Verfügbarkeit der für die Neuvermietung notwendigen Informationen
    Alle für die Neuvermietung notwendigen Informationen wie Wohnungsgröße, Ausstat­tung, Grundrisse und Fotos soll­ten digital in den Systemen der Hausverwaltung vorliegen, damit eine nahtlose Weiterverwen­dung im Vermietungsprozess sichergestellt ist.
  • Professionelles Interessenten-Management
    Insbesondere in den Ballungs­gebieten gibt es erfahrungs­gemäß eine hohe Zahl von Interessenten, die sich auf inserierte Wohnungen mel­den. Nur durch den Einsatz eines digitalen CRM-Systems ist es möglich, strukturiert aus den vielen Anfragen die bes­ten Matches mit den eigenen Anforderungen herauszu­filtern, professionell auf alle Anfragen zu reagieren, Ter­mine zu verwalten und den Status des Vermietungsprozes­ses zu verfolgen.
  • Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter
    Die zusätzliche Übernahme von Neuvermietungen erfordert u. U. eine Weiterqualifizierung der Mitar­beiter. Ein professionelles Auftreten gegenüber Interessenten, Grund­kenntnisse des Mietvertragsrechts sowie Kenntnisse in der Nutzung digitaler Portale seien nur beispiel­haft genannt. Andererseits wird von vielen Mitarbeitern ein abwechs­lungsreicherer Arbeitsplatz mit Außenkontakten begrüßt.
  • Economies of Scale
    Die effiziente Neuvermietung von Wohnungen erfordert neben dem Einsatz eines CRM-Systems auch eine Mitgliedschaft in den führen­den Immobilienportalen. Beides ist mit nicht unerheblichen Fixkos­ten verbunden und lohnt sich erst, wenn eine nennenswerte Anzahl von Neuvermietungen regelmäßig erfolgen kann.

 

Funktionsumfang und Nutzen einer modernen Speziallösung
Bei Mortensen Immobilien ist seit 2018 EverReal als sinnvolle ERP-Ergänzung im Einsatz, um einen unserer Geschäfts­prozesse zu professionalisieren. Es ermöglicht uns, den Vermietungspro­zess zu strukturieren, zu digitalisieren und weitgehend zu automatisieren. Zur Erarbeitung unserer Wohnungsinse­rate greifen wir auf vorhandene digi­tale Informationen wie Grundrisse, Fotos und 360-Grad-Rundgänge aus der Gebäudeakte zurück. Vorhandene Schnittstellen von EverReal zu unserem ERP-System iX-Haus, die wir als Pilotkunde testen, ermöglichen die automa­tische Übernahme von Wohnungs- und Gebäudestammdaten in die Inserate.

Die fertigen Inserate werden aus Ever-Real per Mausklick auf allen angebunde­nen Immobilienportalen (ImmoScout, Immowelt etc.) live geschaltet. Für die inserierte Wohnung wird in EverReal das Profil eines idealtypischen Mieters (Ein­kommen, Berufsstand, Haushaltsgröße etc.) angelegt. Eingehende Anfragen werden mit diesem Profil abgeglichen und der Grad des Matchings bewertet.

Für Besichtigungstermine werden in Ever-Real Zeitslots hinterlegt, zu denen Inter­essenten nach Wunsch in der Reihenfolge ihrer Bewertung aus dem Matching auto­matisiert eingeladen werden können. Wenn die Slots voll sind, werden die wei­teren Interessenten informiert und rücken bei Absagen automatisch nach. Die für eine Besichtigung auszufüllende Selbst­auskunft wird per Auto-E-Mail versandt. Im Fall, dass der aktuelle Mieter den Inte­ressenten die Wohnung präsentiert, wer­den im Nachgang die Top Zwei bis Drei der Interessenten auf Basis der detaillier­ten Selbstauskunft sowie des Feedbacksdes aktuellen Mieters zu einem Call via MS Teams eingeladen, um sich einen „persönlichen“ Eindruck zu ver­schaffen. Sofern es zum Abschluss eines Mietvertrags kommt, werden die Daten aus der Selbstauskunft und die Vertragsdaten nach iX-Haus über­führt. In iX-Haus werden die übermit­telten Daten in die objektspezifischen Mietvertragsvorlagen überführt und in einem Mietvertragsfreigabe-Workflow im Dokumenten-Management-System (DMS) geprüft und dem Mietinteres­senten anschließend zugestellt.


Vorteile unseres digitalen Vermietungsprozesses
Die Digitalisierung unseres Vermie­tungsprozesses verschafft uns ein hohes Maß an Transparenz. Der Status der Neuvermietung ist jederzeit und an jedem Ort einsehbar, Mitarbeiter kön­nen sich gegenseitig vertreten, indem sie unverzüglich auf alle benötigten Informationen zugreifen können, und auch aus dem Homeoffice mitwirken. Die weitgehende Automatisierung der Interessentenverwaltung befreit uns von aufwendigen Terminabsprachen und stellt sicher, dass mit allen Interessenten professionell kommuniziert wird.

Die Treffsicherheit bezüglich der Aus­wahl eines passenden Mieters hat sich durch den Matching-Prozess deut­lich verbessert. Insbesondere ist es hier auch möglich, die besonderen Wün­sche des Eigentümers an seine Mieter zu hinterlegen und zu berücksichtigen. Hierdurch wird die Zahl notwendiger, aber zeitaufwendiger Besichtigungster­mine deutlich reduziert.

Die nahtlose Integration von EverReal mit iX-Haus, die in Kürze für alle Kun­den zur Verfügung steht, verhindert die Entstehung von Übertragungsfehlern, etwa bei der Ausfertigung von Miet­verträgen, und reduziert erforderli­che Kontrollaufgaben. Da es zukünftig möglich sein wird, Inserate direkt über EverReal und nicht über die Portale zu schalten, erwarten wir eine deutliche Reduzierung der Portalkosten.
 

ZUSAMMENFASSUNG
Die Neuvermietung kann durch den Immobilienverwalter grundsätzlich zu einem interessanten Geschäftsfeld weiterentwickelt werden. Aufgrund der Konkurrenzsituation mit auf die Wohnungsvermietung fokussierten, volldigitalisierten Maklern werden die möglichen Erträge weitgehend vom Markt diktiert. Der Fokus des Verwalters muss deshalb auf der Ausgestaltung effizienter, weitgehend digitalisierter und automatisierter interner Prozesse liegen. Dies erfordert den Einsatz eines CRM-Systems und dessen Integration in die vorhandene System- und Prozesslandschaft. In jedem Fall sollte geprüft werden, ob sich die notwendigen Investitionen durch ein ausreichendes Aufkommen von Neuvermietungen amortisieren können.

Mortensen, Henrik

Der Inhaber der Hamburger Mortensen Immobilien e. K. wurde vom VDIV Deutschland als Immobilienverwalter des Jahres 2020 ausgezeichnet.