20.04.2020 Ausgabe: 2/20

Eher kontraproduktiv - Wo mit verbessertem Verbraucherschutz für eine Verlängerung der Ladungsfrist argumentiert wird, wird in der Praxis die Planung schwierig.

Die Eigentümerversammlung ist ein Organ zur Willensbildung in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Einladung dazu erfolgt im Regelfall durch den Verwalter. Mit welcher Frist er dies zu tun hat, ist gesetzlich geregelt: Seit der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2007 nicht mehr mindestens eine, sondern zwei Wochen vor der Versammlung. Der Einladung sind Unterlagen beizufügen, mit denen sich die Eigentümer auf anstehende Beschlüsse vorbereiten, also etwa die Jahresabrechnung oder Informationen über geplante Instandhaltungsmaßnahmen. Insofern ist die Zusammenstellung geeigneter Dokumente durchaus anspruchsvoll, wenngleich sich aus der gesetzlichen Einladungspflicht nicht ergibt, dass Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung mit der Einladung verschickt werden müssen.

Verbesserter Verbraucherschutz?
Der nun vorgelegte Referentenentwurf sieht eine Verlängerung der Einberufungsfrist von zwei auf vier Wochen vor – und der Gesetzgeber argumentiert mit verbessertem Verbraucherschutz: „Dadurch wird die Möglichkeit der Wohnungseigentümer verbessert, sich auf die Versammlung vorzubereiten (zum Beispiel durch Einholung von Rechtsrat).“ Es kann also davon ausgegangen werden, dass nach herrschender Meinung vorausgesetzt wird, der Verwalter habe alle erforderlichen Unterlagen zur Vorbereitung auf die Versammlung ebenfalls vier Wochen vorher zu versenden.
Insofern muss allen Beteiligten klar sein, dass es in der Diskussion um die Verlängerung der Einladungsfrist nicht einfach nur um die Bekanntgabe eines verbindlichen Versammlungstermins geht, sondern um die Erstellung aller Unterlagen, die Anlage der Einladung sein sollten, z. B. die Jahresabrechnung, der Bericht des Beirates über die Belegprüfung, der Wirtschaftsplan und, wenn entsprechende Maßnahmen geplant sind, mindestens drei Kostenvoranschläge für erforderliche Arbeiten.

Mehr Stress für Verwalter!
Keine Frage, Wohnungseigentümer müssen frühzeitig über Versammlungstermine informiert werden, damit sie überhaupt daran teilnehmen können! Wie viele letztlich wirklich persönlich erscheinen, hängt sehr von der Brisanz der Tagesordnungspunkte ab, aber auch vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Versammlungstermins. Die im Vorfeld zum Zweck der Information zur Verfügung gestellten Unterlagen aber werden erfahrungsgemäß meist erst kurz vor der Versammlung oder gar währenddessen gesichtet. Es sind die Wenigsten, die sie wirklich im Voraus zur Vorbereitung nutzen.
Meines Erachtens ist also die Einberufungsfrist nicht die richtige Stellschraube, um die Information der Eigentümer zu verbessern. Sinnvoller wäre es, die Bekanntgabe des Versammlungstermins und den Versand der Einladungsunterlagen zu entkoppeln – anderenfalls bedeutet die Fristverlängerung für Verwalter eine unzumutbare Härte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Frage, wann die Abrechnung über den Wirtschaftsplan tatsächlich vorzulegen ist.

Wann muss die Abrechnung fertig sein?
Auch in den aktuellen Referentenentwurf hat der Gesetzgeber wie schon im Jahr 2007 keine Fristsetzung dafür aufgenommen. Bis wann die Abrechnung zu erfolgen hat, ist im WEG also nach wie vor nicht definiert – bedauerlicherweise, denn wenn die Meinungen hier auseinandergehen, werden die Verbraucherschutzverbände im Zweifel die kürzeste Frist als Messlatte für die geschuldete Verwalterleistung heranziehen: „die ersten Monate des neuen Wirtschaftsjahres“, heißt es beispielsweise in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 28, Rn. 158 der 10. Auflage; „Fälligkeit höchstens sechs Monate des folgenden Jahres“, so Bielefeld mit Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in Der Wohnungseigentümer, S. 760 der 9. Auflage; oder auch „zum 30.9. des Folgejahres“, zuletzt gelesen in Jennißen, ZWE 2018, 18, Aufstellen der Abrechnung durch den Verwalter.

Nicht selten wird unterschätzt, dass der Verwalter in der Praxis aufgrund der zitierten Meinungen schon in der Akquisitionsphase gezwungen wird, vertragliche Zugeständnisse in Bezug auf die Erledigung der Jahresabrechnung in Verbindung mit der jährlichen Versammlung zu machen. Noch stellt sich die Marktlage nicht so dar, dass der Verwalter die Leistungen vorgeben kann; Ausnahmen mögen die Regel bestätigen.

Frist frisst Arbeitstage
Vor diesem Hintergrund und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Ferienzeiten und sonstige Feiertage für Eigentümerversammlungen eher ungeeignet sind, bedeutet die Ausweitung der Einladungsfrist schlicht den Wegfall von zur Verfügung stehenden Arbeitstagen.
Nachvollziehbar sollte dies werden, wenn man sich damit auseinandersetzt, welcher der frühestmögliche Tag im Jahr 2020 wäre, um in Berlin die ordentliche Versammlung einer Eigentümergemeinschaft durchzuführen, und zwar unter der alten und der neuen Fristsetzung: Schließen wir die Buchungen des Kalenderjahres 2019 am 2. Januar 2020 mit den Kontoführungsgebühren ab, könnte eine vollständige Abrechnung – natürlich nur mit gesetzlichem Kostenverteilungsschlüssel ohne periodische Heizkosten – bereits am selben Tag fertiggestellt werden. Den Verwaltungsbeirat laden wir zum 3. Januar 2020, dem folgenden Freitagnachmittag, ins Verwalterbüro ein, erfüllen auch den gesetzlichen Prüfungsauftrag des Beirates und besprechen mit ihm ergänzend die Tagesordnung. Am Montag, dem 6. Januar, versenden wir die Einladungen per Post und mit dem gewünschten Vorlauf. Das geht, weil Berlin die Heiligen drei Könige nicht als Feiertag begeht. So können wir davon ausgehen, dass die Einladungen spätestens am Mittwoch, dem 8. Januar, in den Briefkästen der Eigentümer liegen. Nach derzeit geltender Ladungsfrist planen wir als frühesten Versammlungstermin damit den 22. Januar 2020 ein! Vom 23. bis 31. Januar bleiben sieben Arbeitstage für alle weiteren Gemeinschaften mit einfacher Kostenverteilung. So könnten theoretisch am 31. bereits acht Versammlungen erledigt sein.

Nun das Ganze mit der neuen vierwöchigen Ladungsfrist: Die von der Post am 8. Januar zugestellten Einladungen lassen als frühesten Versammlungstermin den 5. Februar zu. Da sind in Berlin leider schon wieder Ferien, also wird es der 10. Februar. Dem Verwalter geht damit effektiv Zeit verloren – wertvolle Zeit, die selbst durch vorbildliche Organisation oder gar Umstrukturierungen nicht einzuholen ist. Sein Pflichtprogramm wird er natürlich dennoch absolvieren, denn schließlich ist er Profi. In diesem Jahr bleibt ja alles noch beim Alten – und in diesem Sinne allen Kollegen eine tolle Versammlungszeit!

Foto: © MJgraphics / Shutterstock.com


Schneider, J. Bernd

Der Geschäftsführer der Stadt-Art Hausverwaltungsgesellschaft mbH ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VDIV Berlin-Brandenburg.