09.12.2024 Ausgabe: 8/2024

Verzicht auf Vergleichsangebote, aufgrund der besonderen Situation am Handwerkermarkt ist problematisch

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Ein Beschluss, mit dem die Eigentümer „wegen der besonderen Situation am Handwerkermarkt“ auf das Erfordernis von  Vergleichsangeboten verzichten, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 1.8.2024 – Az. 2/13 S 23/24).

Das Thema

Der Sachverhalt, der der nachfolgenden Entscheidung zugrunde liegt, ist ein nachvollziehbarer: Aus dem Mangel an Vergleichsangeboten heraus haben die Eigentümer durch Beschluss „wegen der besonderen Situation am Handwerkermarkt“ entschieden, auf das Erfordernis von Vergleichsangeboten zu verzichten. Hierbei werden die Bedürfnisse der Praxis, der die Einholung von drei Vergleichsangeboten im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung in der Regel nicht (mehr) möglich ist, und die hierzu im Konflikt stehenden Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung mehr als deutlich. Ob ein solcher Beschluss die Lösung bieten kann, hatte das Landgericht (LG) Frankfurt a. M. nachfolgend zu entscheiden.

Der Fall

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und begehrt die die Ungültigerklärung von den zu TOP 10 und TOP 12 auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüssen. Die Eigentümer haben zu TOP 10 auf der Grundlage nur eines vorliegenden Angebotes – zwei weitere Unternehmen wurden angefragt, haben jedoch kein Angebot abgegeben – die Auftragsvergabe zur Vornahme von Pflasterabsenkungsarbeiten gefasst. Wörtlich heißt es zudem: „Die Gemeinschaft verzichtet aufgrund der besonderen Umstände im Handwerksbereich auf weitere Angebote, zumal die Firma [...] bereits die anderen Senkungen beseitigt hat.“ Unter TOP 12 wurde die Grundreinigung von Fallleitungen beschlossen, erneut mit dem Verzicht auf weitere Angebote. Das Amtsgericht hat der Klage erstinstanzlich stattgegeben. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil. Dies mit Erfolg.

Zwar entspricht es grundsätzlich der herrschenden Auffassung und Rechtsprechung, dass ein Beschluss nur dann den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung gerecht wird, wenn bei der Beauftragung von nicht geringfügigen Erhaltungsmaßnahmen Alternativangebote vorgelegen haben, um die Ermessensentscheidung der Eigentümer auf eine gesicherte Entscheidungsgrundlage zu stellen. Das Erfordernis der Alternativangebote darf jedoch kein Selbstzweck sein, sodass immer auch ein Bedürfnis nach einer ausreichend gesicherten Tatsachengrundlage bestehen muss.

Allein der Beschluss der Eigentümer, aufgrund „der besonderen Situation im Handwerkerbereich“ auf Angebote zu verzichten, führt nicht schon zur Entbehrlichkeit der Alternativangebote. Zwar können Eigentümer im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz vor der Auftragsvergabe festlegen, wie viele Angebote von der Verwaltung einzuholen sind. Die Zahl der Angebote kann jedoch nicht so gering gewählt werden, dass der eigentliche Zweck des Erfordernisses von Alternativangeboten – die Stärken und Schwächen der einzelnen Angebote aufzuzeigen – verfehlt wird. Folglich können die Eigentümer auch zum Schutz der Minderheit auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung und damit die Einholung erforderlicher Alternativangebote durch Beschluss nicht wirksam verzichten.

Jedoch sind Alternativangebote im konkreten Fall entbehrlich gewesen. Soweit es sich um kleine Beträge handelt, ist die Minderheit nicht in gleichem Maße vor unwirtschaftlichen und überteuerten Aufträgen schutzwürdig wie bei Maßnahmen mit einem hohen Kostenvolumen, und es kann auf die Einholung von Alternativangeboten verzichtet werden. Wann ein Betrag „klein“ ist, wird jedoch in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Teilweise werden Beträge von 2.000 Euro, vereinzelt sogar bis zu 5.000 Euro oder das Auftragsvolumen fünf Prozent der Wirtschaftsplansumme als Grenze herangezogen, teilweise wird eine bezifferte Bezugsgröße vollständig abgelehnt und vielmehr auf die Größe der Gemeinschaft und die daraus folgende Belastung im Einzelfall abgestellt.

Vorzugswürdig kann stets nur eine Einzelfallbetrachtung sein. Maßgeblich ist hierbei die finanzielle Belastung im Verhältnis zu den finanziellen Gegebenheiten bei der jeweiligen GdWE, um entscheiden zu können, ob für einen vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Wohnungseigentümer für die den Eigentümern zustehende Ermessensauswahl Alternativangebote erforderlich sind oder ob auf diese verzichtet werden kann. Im hier vorliegenden Fall ist die Bagatellgrenze nicht überschritten worden; angesichts der geringen Kostenbelastung der Eigentümer war die Einholung weiterer Informationen nicht erforderlich gewesen. Das Volumen der mit den Beschlüssen beauftragten Erhaltungsmaßnahmen war geringfügig, sodass Alternativangebote nicht vorliegen mussten, um die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung einzuhalten.

VERWALTERSTRATEGIE

Die vorstehende Entscheidung reiht sich in die jüngere Rechtsprechung des LG Frankfurt a. M. ein und stärkt dessen Tendenz, im Sinne der praktischen Bedürfnisse von der starren und nach wie vor geltenden „Drei-An­gebots-Doktrin“ abzuweichen. Nicht übersehen werden darf jedoch, dass das Gericht ausdrücklich hervorhebt, dass die Eigentümer zum Schutz der Minderheit nicht durch Beschluss grundsätzlich auf das Erfordernis der Einholung von Vergleichsangeboten verzichten können, es demnach einer Entscheidungsgrundlage zur Beschlussfassung bedarf, was in der Regel die Vergleichsangebote sein werden. Jedoch darf die Voraussetzung der Einholung von Vergleichsangeboten kein Selbstzweck sein. Folglich ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein entsprechendes Schutzbedürfnis der Minderheit besteht. Insbesondere wenn den Eigentümern weitere Informationen für eine sachgerechte Entscheidung vorliegen oder es der Verwaltung trotz erheblicher Bemühungen nicht möglich ist, geeignete Angebote einzuholen, kann das Bedürfnis entfallen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die „Drei-Angebots-Doktrin“ nach wie vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht, in der Regel daher die Einholung der Vergleichsangebote Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Verwaltung ist. Ist die Einhaltung dieser Voraussetzungen nicht möglich und liegt kein wirtschaftlich unbedeutendes Geschäft vor, ist zumindest zu raten, den Eigentümern weitere Informationen (z. B. zur Eilbedürftigkeit der Maßnahme, eine grobe Kostenschätzung) zur Verfügung zu stellen.

“Verzicht auf Vergleichsangebote, aufgrund der besonderen Situation am Handwerkermarkt ist problematisch” erschien in der Ausgabe 8/2024

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
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