22.04.2022 Ausgabe: vdivDIGITAL 2022

Eigentümerversammlung analog, hybrid und online

Die Komplexität der Verwalter­tätigkeit nimmt beharrlich zu. Die WEG-Reform und kleine Gesetzesnovellen, gesellschaftliche Herausforderungen und immer heterogener werdende Gemein­schaften, Klimaschutzziele und Sanie­rungsstau tragen dazu bei. Dazu kommt der Umgang mit den steigenden Ansprü­chen der Kunden und den verschiedenen Arten der Eigentümerversammlung.

Das Selbstverständnis und die Rolle der Immobilienverwalterinnen und -verwalter werden durch diese geän­derten Bedingungen beeinflusst, die Verantwortung und der abzude­ckende Kompetenzbereich nehmen zu.

Während es früher bei Eigentümer­versammlungen deutlich weniger Tages­ordnungspunkte und eine sozusagen tradierte Form der Gesprächsleitung gab, finden sich heute deutlich mehr Inhalte auf der Agenda wieder und die Verwalterinnen und Verwalter haben eine bzw. mehrere differenziertere Rollen inne.

Die professionelle Verwaltung von Gemeinschaftseigentum umfasst u. a. die Vorbereitung und Durchführung von Eigentümerversammlungen, die Vorbereitung von Beschlüssen, die Moderation von Entscheidungspro­zessen, die Einbindung von Sach­verständigen wie z. B. Architekten, Energieberatern, Finanz- und Fördermittelberatern sowie die Verantwor­tung der Umsetzung der Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft und das zugehörige Monitoring.
 

Entscheider
Für manche mag es überraschend sein, für andere selbstverständlich: Nicht die Verwaltung und der Gesprächsleiter entscheiden, sondern die Eigentümer­gemeinschaft. Der Verwalter bzw. die Verwalterin ist dafür zuständig, ausrei­chend Informationen zu liefern, um die Entscheidungsfähigkeit der Gemein­schaft zu ermöglichen. Die Aufgabe der Verwaltung ist, die WEG im Entschei­dungsprozess bestmöglich zu unter­stützen und sicherzustellen, dass den Eigentümerinnen und Eigentümern die entscheidungsrelevanten Informationen vorliegen, um eine gemeinsam getra­gene Entscheidung zu treffen, die nicht anfechtbar ist.
 

Moderator vs. Berater
Die Moderation der Eigentümerver­sammlung trägt entscheidend zum Verlauf und Erfolg der Versammlung bei. Die Verwalterinnen und Verwal­ter benötigen nicht nur Fach-, son­dern auch Methodenkompetenz. Der Moderator lenkt das Gespräch und lei­tet die Versammlung. Moderation muss zurückspielen, der Verwalter ist nicht der Entscheider, der Verwalter ermög­licht, dass die Eigentümerversammlung entscheidet. Dabei enthält er sich in dieser Rolle jeder Wertung und Posi­tionierung – oder sollte es zumindest. Fachliche Impulse sind möglich. Diese jedoch zu äußern, ohne die Moderatorenrolle aufzugeben, ist hohe Kunst.

Oft hat der Verwalter eine Doppel­funktion, denn er hat Wissen über die Gemeinschaft, den Bestand, die kauf­männischen, technischen und rechtlichen Bedingungen. Diese Doppelfunktion sollte transparent genutzt und kenntlich gemacht werden.

Hybrid und online
Bei hybriden und digitalen Formaten kommen weitere Notwendigkeiten und Moderationsfähigkeiten hinzu. Erfahrun­gen mit Online-Konferenzen und -Tools, technisches Geschick und Verständnis, souveräner Umgang mit Fehlern und die Erstellung und Einhaltung einer Etikette sind unabdingbar.

Bei der erstmaligen Durchführung einer virtuellen Eigentümerversammlung sind Verwaltungen, die noch nicht so versiert mit Online-Versammlungen sind, mit neuen technischen, organisatorischen und juristischen Rahmenbedingungen konfrontiert. Daher ist eine längere Vor­laufphase ratsam. Die Beteiligten sollten rechtzeitig geschult bzw. die Aufgaben gemäß der Fähigkeiten verteilt sein. Die technischen Voraussetzungen sind intern und extern vorher zu kommunizieren. Welches Tool wird genutzt? Ist es browserbasiert oder soll die App heruntergeladen werden? Welche Browser werden unterstützt? So sind Zeitverlust und Feh­lerquellen bereits im Vorfeld einfach zu minimieren.

Je nach Altersstruktur und Vorerfahrung der Eigentümerinnen und Eigentümer sind der Umgang und die Verhaltenswei­sen bei einer Online-Versammlung ggf. noch nicht ausreichend erprobt. Unsi­cherheiten können hier vor der ersten Versammlung durch einen kurzen Test-Termin genommen werden. Dabei geht es nicht um Inhalte, sondern um das Einloggen, Benennen, Ein- und Ausschalten von Kamera und Mikro, die Chat-, Bei­falls- und Meldefunktionen sowie das Abstimmen.

Ein Support vorab und der Tech-Host während der Versammlung stellen zum einen den Zugang zur Versammlung und Abstimmung für die Berechtigten sicher, erhöhen aber zum anderen auch die Akzeptanz dieser Art der Eigentümerver­sammlung. Um sich selbst auf die Inhalte konzentrieren zu können, ist es hilfreich, einen sogenannten Tech-Host zu haben. Dieser ist ohne Bild und Ton zugeschal­tet, beantwortet im Hintergrund tech­nische Fragen und kümmert sich um das Stummen der Mikrofone, Zeithinweise sowie ggf. das Aufzeichnen.

Vor jeder Versammlung sollten die Regeln und technischen Möglichkeiten kurz vorgestellt werden, wenn externe Referentinnen oder Referenten einen Beitrag haben, sollte es einen Technik-Check vorab geben.

Wichtig: Alle Teilnehmenden müssen mit Klarnamen zugeschaltet sein. Die Eti­kette muss für alle Teilnehmenden trans­parent sein. Sind die Kameras ein- oder ausgeschaltet, wird sich real oder digi­tal gemeldet, sollen die Fragen und ggf. Einwürfe über den Chat oder via Wort­meldung gegeben werden – wenn ja, erst nach Handzeichen? Der Chat sollte offen sein und genutzt werden, ein Mit­arbeiter oder eine Mitarbeiterin sollte dafür zuständig sein, sodass keine Fra­gen durchrutschen. Dieselbe Person hat zumeist die Aufgabe, die digital gegebe­nen Handzeichen zu registrieren und die Teilnehmenden in der Reihenfolge kurz anzusprechen, damit sie ihre Wortbei­träge geben können.

Gerade wenn der persönliche Austausch fehlt, sollten Immobilienverwalterinnen und -verwalter darauf achten, den Eigen­tümerinnen und Eigentümern Zeit und (virtuellen) Raum zur Diskussion und Meinungsbildung zu geben. Für Abstim­mungen und das Schaffen von Mei­nungsbildern gibt es gute Tools, die für alle Teilnehmenden das Ergebnis deutlich auf den Bildschirm bringen.

Reents, Jennifer

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des VDIV Deutschland