27.05.2022 Ausgabe: 4/22

Ein Markt mit großer Zukunft - Die Verwaltung von Pflegeimmobilien erfordert umfassendes Fachwissen, erweist sich aber als interessante Assetklasse.

Steigender Bedarf hat die Entwicklung, den Bau und Betrieb sowie letztlich auch die Nutzung von Pflegeeinrichtungen in den vergangenen Jah­ren in den Fokus unterschiedlichster Personenkreise gerückt. Die Gründe liegen auf der Hand. Die Bevöl­kerung altert. Es entsteht ein Wachstumsmarkt, der für Betreiber von Pflegeimmobilien und die Anbieter entsprechender Leistungen von Interesse ist.

Wer in der Verwaltung von Pflegeimmobilien tätig ist – sei es aufseiten des Betreibers oder im Asset Management – muss die relevanten Rechtsbeziehungen der Akteure eines solchen Projektes ken­nen und ihre Rollen verstehen, insbesondere die der Betreiber und Bewohner sowie der Investoren, Financiers bzw. Banken.

Pflegeimmobilien sind vom Grundsatz her Betreiberimmobilien. Die einst gängige „Wohnform 65+“ – gemieteter Wohnraum mit individuell gewählten Dienstleistungen und ggf. ambulanter Pflege – ist dem heutigen Inklusivangebot gewichen: Wohn­raum nebst Pflege- und Betreuungsleistungen durch den Betreiber, der entweder im Rahmen eines Gesellschaftsverbundes selbst Eigentümer der Immobilie ist oder sie anmietet. Protagonisten im Zusammenhang mit Pflegeimmobilienprojekten sind daher Projektentwickler, Betreiber und Inves­toren.


Die Nutzer
Nutzer von Pflegeimmobilien sind Menschen über­wiegend fortgeschrittenen Alters mit künftig abseh­bar steigendem Pflege- und Betreuungsbedarf. Der Projektierung solcher Einrichtungen werden Ent­wickler, Investoren und Betreiber stets eine dezi­dierte Markt- und Standortanalyse zugrundelegen. So mancher Standort, an dem sich zwar keinerlei Bedarf an stationären Pflegeeinrichtungen zeigt, eignet sich sehr wohl für Einrichtungen der Tages­pflege oder des betreuten Wohnens.


Die Betreiber
Es liegt auf der Hand, dass es die primäre Aufgabe des Betreibers einer Pflegeeinrichtung ist, die erforderli­chen Pflege- und Betreuungsleistungen zu erbringen. Damit aber nicht genug, denn er ist natürlich auch für den laufenden Betrieb zuständig, nämlich dafür, dass die Immobilie die gewünschte Rendite abwirft. Über­dies hat er eine wesentliche Funktion bei der Finanzie­rung der Immobilie gegenüber Eigentümer, Investor oder Projektentwickler. Er muss „bankable“ sein, also kreditwürdig oder selbst liquide, aber auch Reputation in der Branche genießen.


Die Investoren
Der „Endinvestor“ möchte eine solche Immobilie entweder mit Renditeerwartung erwerben oder mit Gewinnerwartung selbst betreiben. In jedem Fall ist es seine Aufgabe, Ankauf und Errichtung der Immo­bilie zu finanzieren und sie instand zu halten.


Der Projektentwickler
Tritt der Investor nicht zugleich auch als Bauherr auf, sondern erwirbt das Objekt schlüsselfertig, so ist er auf einen Projektentwickler (inkl. Bauausführung) angewiesen. Dieser wird entweder das Grundstück zunächst erwerben und es an den Investor mit einem Betreibervertrag veräußern, oder aber der Investor erwirbt das Grundstück selbst und vergütet dem Entwickler lediglich seine Leistung.
 

Die Immobilienverwaltung
Was die ordnungsgemäße Verwaltung einer Immobilie bedeutet, ist hinlänglich bekannt. Nicht anders sieht dies bei einer Pflegeimmobilie aus. Natürlich kann man der Ansicht sein, dass die Verwaltung einer Pflegeimmobilie, die an einen einzelnen Betreiber vermietet oder aber verpachtet wurde, lediglich die allgemein üblichen Tätigkeiten umfasst, beispielsweise die Überwachung des monatlichen Eingangs der geschuldeten Miet- oder Pachtzinsen, die jährliche Nebenkostenabrechnung, die Überwachung und Veranlassung von Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen etc. Zumindest aus Sicht der Verfasser würde dies dem wesentlichen Charakter einer solchen Immobilieninvestition nicht gerecht werden.

Was ordnungsgemäße Immobilienverwaltung – und damit vor allem auch der erforderliche Leistungs­katalog – in einem solchen Fall alles umfasst, sollte nicht nur die verschiedenen Blickwinkel und Hierar­chieebenen der beteiligten Akteure berücksichtigen, sondern auch den Investitionszyklus einer solchen Betreiberimmobilie. Nur wenn man die verschiede­nen Interessenlagen und den wirtschaftlichen Hin­tergrund des jeweiligen Eigentümers kennt, lässt sich der erforderliche Verwaltungsumfang analysieren und der Kreis potenziell benötigter Vertragspartner bestimmen.
 

Zuständigkeiten in der Verwaltung
Auf der Führungsebene eines Verwaltungsunter­nehmens werden die Rahmenvorgaben für das Management von Immobilienbeständen oder die strategische Ausrichtung von Akquisitionsobjekten unter anderem auf Basis ermittelter relevanter Marktinformationen beschlossen. Umgesetzt werden diese strategischen Vorgaben in den Portfolios, also gebündelten Immobilienbeständen unterschiedlicher Assetklassen, die systematisch gemanagt werden. Erhebliches Wertschöpfungspotenzial bieten gerade Pflegeimmobilien, wenn man hier betreute Wohnein­heiten mit Pflegeheimen und/oder reinen Wohnein­heiten für Pflegekräfte zusammenfasst. Die nächste Stufe bildet das Assetmanagement, also das stra­tegische Objektmanagement während der Bewirtschaftungsphase. Das Property Management betreut wäh­renddessen das einzelne Objekt anlageorientiert operativ, und das Facility Management widmet sich lebenszyklusbezogenen und nutzungsorientierten Aspek­ten am Objekt.

Es zeigt sich, dass es bei Pflegeimmobilien nicht nur eine vertikale Hierarchie der Zuständigkeiten gibt, sondern auch eine horizon­tale zeitliche Komponente, die sich von der Suche nach einer geeigneten Immo­bilie über den Erwerb und die Bewirtschaftung bis hin zu ihrem Wiederverkauf erstreckt. All das erfordert ein weit gefächertes Spektrum an Verwalterwissen und Marktkenntnis. Letztlich ist die Verwaltung und der Umfang aller Aufgaben an den unterschiedlichen Blickwinkeln der beteiligten Akteure auszurichten. So kommen neben nutzungs­orientierten auch finanzwirtschaftliche und immobi­lientechnologische Perspektiven zum Tragen, welche ihrerseits aufgrund ihres unterschiedlichen Fokus unterschiedliche qualitative und quantitative Erfor­dernisse bzw. Kenntnisse der mit der Verwaltung betreuten Person erfordern.

Festzuhalten ist, dass die Verwaltung einer Pfle­geimmobilie zunächst einmal der einer gängigen Wohn- oder Gewerbeimmobilie gleicht – aber viel­fältige weitere Bereiche und damit verbundene Fachkenntnisse umfasst. Dies beispielsweise wenn das (wirtschaftliche) Zusammenspiel verschiede­ner Pflegeimmobilien bei einer möglicherweise gemischten Grundstücksnutzung mit Immobilien für Betreutes Wohnen und reinen Pflegeeinrich­tungen zur Optimierung der Erlössituation führen soll. Auch die Ermittlung des geeigneten Standortes gestaltet sich bei Spezialimmobilien noch kritischer als ohnehin im Immobiliengeschäft. Das ist nicht nur den erheblichen Unterschieden in den regio­nalen Märkten und landesrechtlichen Vorgaben geschuldet, sondern auch den spezifischen Anfor­derungen solcher Objekte an den Standort selbst. Wer bei Suche, Grundstückskauf, Errichtung oder Erwerb überstürzt und ohne die angemessene Fach­kenntnis handelt, kann erhebliche wirtschaftliche Verluste verursachen.


Regulatorische Aspekte
Auskennen sollten sich Verwaltungen von Pflegeim­mobilien mit dem öffentlichen Baurecht. Vorgaben für Art und Ausmaß der baulichen Nutzung eines Grundstücks in Bauleitplänen werden bekanntlich unter anderem von der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke, der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bestimmt. § 3 Abs. 4 BauNVO statu­iert in diesem Zusammenhang, dass zu den nach § 3 Abs. 2 sowie den §§ 2 und 4 bis 7 BauNVO zulässigen Wohngebäuden auch solche gehören, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen. Hierunter fallen unstreitig auch alle Formen des Betreuten Wohnens.

Mit Inkrafttreten der Föderalismusreform am 1. August 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Heimrecht auf die Bundeslän­der übertragen. Das gilt für den ordnungsrechtlichen Teil, während die Zuständigkeit für das Vertragsrecht beim Bund verblieben ist. So wurden auf Bundes­ebene die vertragsrechtlichen Vorgaben neu defi­niert: Seit 1. Oktober 2009 gilt bundesweit das Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen, das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Auf Ländere­bene wurden gleichsam Gesetze für Einrichtungen verabschiedet, die das frühere Heimgesetz ablö­sen. So gilt in Bayern das Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung, das Pflege- und Wohnqualitätsge-setz (PfleWoqG), das die Verordnung zur Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes und Weiter­bildung in der Pflege und Hebammenkunde (AVPfle-WoqG) ergänzt.

Diese Normierungen finden allerdings nicht auf alle Vertragsverhältnisse Anwendung, sodass Verwaltun­gen auch Kenntnis darüber haben sollten, ob und inwieweit das WBVG sowie die länderspezifischen Pflegegesetze und -verordnungen auf vertraglicher und ordnungsrechtlicher Basis zu beachten sind, oder ob lediglich die – zumindest partiell disposi­tiven – miet- sowie dienstrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anwendung finden.

Da Betreiber von Pflegeimmobilien den Mietgegen­stand teils an ihre Endkunden weiter- bzw. unter­vermieten, sollten Verwaltungen auch die Regelung des § 565 BGB speziell zur gewerblichen Weiter­vermietung im Blick haben: Wenn Mieter (hier: Betreiber) nach dem Mietvertrag den gemiete­ten Wohnraum gewerblich an einen Dritten (hier: Nutzer) zu Wohnzwecken weitervermieten, tritt der Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnis­ses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietver­hältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. Schließt der Vermieter erneut einen Mietvertrag zur gewerblichen Weitervermietung ab, tritt der Mieter anstelle der bisherigen Vertragspartei in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis mit dem Dritten ein. Zusätzlich gelten die §§ 566a bis 566e BGB entsprechend. Eine zum Nachteil des Dritten abweichende Vereinbarung erweist sich dabei als unwirksam.

 


Zum Nachlesen
Investitionen in Pflegeimmobilien
Der Band vermittelt kompakt das Grundwissen der vertraglichen Beziehungen zwischen Pflegeheimbetreiber und Entwickler bzw. Investor/Eigentümer. Für die Assetklasse Pflegeimmobilie gelten nicht lediglich die klassischen mietrechtlichen Anforderungen, sondern es bedarf u. a. auch wegen der langen Laufzeiten sowie sozial- und verbraucherschutzrechtlicher Vorgaben besonderer Vereinbarungen zwischen Betreiber und Eigentümer der Immobilie. Die Autoren geben einen Überblick über Strukturen, baurechtliche Vorgaben, mögliche Renditetreiber, aktuelle Markttrends, Zielgruppen, Personal, Betreiber, Investoren, Entwickler, Banken und Berater für Pflegeimmobilien.

Peter S. Przewieslik, Prof. Dr. Clemens Engelhardt: Investitionen in Pflegeimmobilien • SpringerGabler Verlag 2021 • Softcover, 41 Seiten • ISBN: 978-3-658-35226-4 • 14,99 Euro

Engelhardt, Prof. Dr. Clemens

Der Partner bei trustberg Rechtsanwälte ist Wirtschaftsanwalt in München und spezialisiert auf die Bereiche Immobilien-und Gesellschaftsrecht sowie Unterneh­menskauf. Darüber hinaus ist er Professor für Wirtschaftsrecht sowie Autor und Herausgeber diverser Fachveröffentlichungen. www.trustberg.com

Przewieslik, Peter S.

Der Rechtsanwalt ist General Counsel des Projektentwicklers FONDARA Immobilien AG sowie Partner bei trustberg.