22.04.2022 Ausgabe: 3/22

Eine Frage der Compliance - Was hat Ausschreibungsmanagement mit Compliance, also der freiwilligen Regelkonformität von Unternehmen, zu tun?

Warum soll ich mich als Verwalter denn nun auch noch mit Compliance im Bereich des Aus­schreibungsmanagements befassen, wird sich so manche Leserin, mancher Leser an dieser Stelle fra­gen – verständlich. Deshalb soll es hier erklärt werden.

Der Trend, Ausschreibungen von Leistungen, etwa Energielieferungen oder Messdienstleistungen, durch die Beauftragung von Ausschreibungsdienstleistern zu optimieren, ist vom Ansatz her durchaus zu begrüßen. Die Idee dahinter – und das ist das Begrüßenswerte: Ausschreibungsdienstleister sichern Effizienzvorteile und tragen letztlich dazu bei, die Kosten für die Eigen­tümer der betreffenden Immobilie zu senken.

Das Ganze funktioniert kurzgefasst so: Eigentümer und Ausschreibungsdienstleister vereinbaren, dass der Dienstleister im Auftrag des Eigentümers Angebote von Unternehmen einholt, von denen der Eigentümer dann eines annimmt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschreibung ist, dass Bieter sich gegenüber dem Ausschreibungsdienstleister verpflichten, im Falle ihres Obsiegens die ansonsten vom Eigentümer geschuldete Vergütung zu übernehmen. Gesetzt den Fall, die externen Ausschreibungskosten liegen unter den internen und das Verfahren gewährleistet den wirtschaftlichsten Zuschlag, wäre das eine gute Sache. So ist das aber nicht immer.

Nicht immer eine Win-win-Situation
Was die Sache für Verwaltungen scheinbar doppelt attraktiv macht: Der Ausschreibungsdienstleister über­nimmt zum einen die mühselige Arbeit der Einholung von Angeboten und deren Vergleich. Zum anderen gelingt es Verwaltungen damit, für Immobilieneigentü­mer wirtschaftliche Vorteile herauszuholen. Und hier wird es kritisch, denn nicht alle Unternehmen spielen wirklich fair im Prozess der Ausschreibung von Leis­tungen.

Eine Ausschreibung, zu der nicht die wirklich relevan­ten Marktteilnehmer zugelassen werden, führt nicht unbedingt zu optimalen marktwirtschaftlichen Ergeb­nissen und ist unter dem Gesichtspunkt Compliance juristisch höchst kritisch zu bewerten.

In der Praxis ist zu beobachten, dass beispiels­weise drei Unternehmen mit dem gesuchten Ange­bot gefunden werden, die aber für den Markt nicht repräsentativ sind, weil einige andere vom Ausschrei-bungsdienstleister ausgelistet wurden. Der Zuschlag mag dann unter den historischen Kosten liegen, ist aber trotzdem unwirtschaftlich, wenn ein nicht gelis­teter Mitbewerber günstiger angeboten hätte. Das mag nun je nach ausgeschriebener Leistung pro Ein­heit kaum ins Gewicht fallen. Aber die Masse macht den Unterschied: Bei großen Portfolios können somit hohe sechsstellige Vergütungen zusammenkom­men, für die jemand aufkommen muss. Der Eigentü­mer trägt die Vergütung nicht, denn das ist ja gerade der ihm versprochene Hauptvorteil. Trägt also der Dienstleister die Kosten? Sicher nicht, denn es ist ja sein Geschäftsmodell. Was bleibt also? Genau, die Kosten des Ausschreibungsmanagements landen bei den Mietern.

Ein rechtmäßiges Vorgehen?
Von interessierter Seite wird behauptet, dass Dienstleister die Ausschreibungskosten einfach einpreisen sollen und dies auch dürften. Das würde bewirken, dass sie als Betriebs- bzw. Nebenkosten verdeckt auf die Mieter umgelegt würden. Diese bekommen davon gar nichts mit und können insofern auch das Wirt­schaftlichkeitsgebot und dessen Beachtung weder überprüfen noch einfordern.

Wäre dieses Vorgehen rechtswidrig, würden massenhaft und systematisch unrichtige Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen erstellt, von denen aber angenommen werden muss, dass Mieter dies niemals erkennen könn­ten – insbesondere bei langen Vertragslaufzeiten fällt die verdeckte Kostenumlage gar nicht auf.

Abgesehen von der moralischen Bedenklichkeit die­ses Vorgehens, wäre eine solche Geschäftspraktik aber auch rechtswidrig: Ausschreibungskosten sind soge­nannte Verwaltungskosten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 Betriebskostenverordnung. Als solche sind sie nicht auf Wohnungsmieter umlagefähig, sondern sie sind vom Eigentümer zu tragen.

Transparenz ist gefordert.
Wer aber erkennt das schon in diesem Modell? Wie immer, wenn über das Geld anderer entschieden wer­den muss, steigen die Anforderungen an die Trans­parenz, nicht zuletzt aus strafrechtlicher Perspektive. Besondere Vorsicht ist daher für Verwaltungen da geboten, wo Kosten, die originär vom Eigentümer als Vermieter zu tragen wären, durch geschicktes Vorge­hen auf Mieter abgewälzt werden sollen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Nichts spricht gegen die Ausschreibung als Dienstleistung, wenn sie wettbewerbsfördernd ist. Diskriminierende Modelle aber behindern den freien Wettbewerb und begünsti­gen in manchen Fällen das Erzielen ungerechtfertig­ter Überrenditen. Das änderte auch eine nachträgliche Öffnung nicht, etwa durch ein Eintrittsrecht eines externen Angebots, das unter dem des erfolgrei­chen Bieters liegt. Denn dazu kommt es nie. Solche externen Angebote gehen überhaupt nicht ein, weil außenstehende Unternehmen gar nicht erst von der Ausschreibung erfahren.
 

Fazit
Modelle für das Ausschreibungs­management müssen offen sein. Dienstleister müssen der Verwaltung vertraglich zusichern, den Wettbewerb nicht einzu­schränken oder gar zu behindern.

Offene Modelle bieten Spezialisierungs- und Größenvorteile und fördern den Wett­bewerb, weil sie das aktuell am Markt objektiv wirtschaftlichste Angebotes ermit­teln und die ausgelagerten Ausschrei­bungskosten die kalkulatorischen Kosten einer hypothetischen Eigenausschreibung unterschreiten. Nur ein wirklich offenes Ausschreibungsmodell kann das leisten.

Immobilienverwaltungen als Sachwalter fremder Interessen sollten diese „Fallen“ im Ausschreibungsmanagement kennen und nicht vermeintlich günstige Lösungen nut­zen, nur weil sie augenscheinlich für ihren Auftraggeber, den Eigentümer, kostenspa­rend wirken. Eigentümern ist nicht damit geholfen, wenn die Nutzung geschlossener oder nur teilweise offener Ausschreibungs­modelle letztlich zu falschen Abrechnun­gen gegenüber ihren Mietern führen.

Und auch Verwaltungen ist damit nicht geholfen, denn es kann eine Verletzung des Verwaltervertrages bedeuten und im Extremfall eine strafbare Handlung sein, zumindest als Beihilfe dazu gelten. Wett­bewerb ist gut. Die Einsparung von Kos­ten sicherlich auch. Aber Transparenz ist immer ein Muss.

Engelhardt, Prof. Dr. Clemens

Der Partner bei trustberg Rechtsanwälte ist Wirtschaftsanwalt in München und spezialisiert auf die Bereiche Immobilien-und Gesellschaftsrecht sowie Unterneh­menskauf. Darüber hinaus ist er Professor für Wirtschaftsrecht sowie Autor und Herausgeber diverser Fachveröffentlichungen. www.trustberg.com