07.09.2022 Ausgabe: 6/22

Eine ganzheitliche Aufgabe

Wie energetische Sanierung zu mehr als der Summe ihrer Teile wird

Schon bei Bestandsgebäuden aus den frühen neun­ziger Jahren stellt sich heute die Frage, ob nicht eine energetische Sanierung sinnvoll wäre. Liegt der Heizenergieverbrauch pro Quadratmeter bei mehr als 12 bis 13 Litern Heizöl im Jahr (ohne Warmwasser) oder alternativ bei 130 bis 140 Kilowattstunden Gas, dann ist das ein deutliches Zeichen für einen zu hohen Bedarf.

Eins bedingt das andere

Wird demnach eine Sanierung für notwendig befunden, muss das Gebäude in der Gesamtheit seiner Einzelkom­ponenten betrachtet werden: die beheizte Gebäudehülle mit ihrer thermischen Qualität sowie technische Gebäu­dekomponenten wie Heizung, Verteilung oder Lüftung. Eine isolierte Betrachtung scheidet aus, da beispielsweise nach erfolgter Dämmung der Gebäudehülle die beste­hende Heizungsanlage bereits überdimensioniert wäre. Sie zu ersetzen, ist somit ebenfalls sinnvoll – möglichst mit Umstellung auf regenerative Energien.

So hilft der Sanierungsfahrplan

Ein Sanierungsfahrplan verschafft Klarheit und den not­wendigen Überblick über sinnvolle Einzelmaßnahmen, deren voraussichtliche Kosten und mögliche Förderungen, Zuschüsse und Darlehenskonditionen. So entsteht eine schnell zu erfassende Entscheidungsgrundlage, auf deren Basis notwendige Mittel beantragt und die Arbeiten nach Einholung entsprechender Angebote und ihrer Darstellung in einem Preisspiegel beauftragt werden können.

Probleme bereiten oftmals auch marode Trinkwassersysteme, deren Erneuerungen bei Arbeiten an der Heizungsberteilung gleich mit angegangen werden kann. Sind Steigschächte ohnehin schon geöffnet, werden Leitungen, Dämmungen, Brandabschottungen und Schalldämmungen ohne nennenswerten Mehraufwand neu verlegt. Bei dezentraler Warmwasserbereitung kön­nen so künftig sogar die Legionellenprüfungen gemäß Trinkwasserverordnung in den Gebäuden entfallen.

Bei allen energetischen und wirtschaftlichen Betrachtun­gen darf keinesfalls der Brandschutz außer Acht gelassen werden. Erfordert die Umsetzung von Maßnahmen die Hinzuziehung von Behörden, werden mittlerweile oft ent­sprechende Konzepte abgefragt. Hier müssen Planer und Bauleitung über entsprechende Kenntnisse verfügen, um den geschuldeten Stand der Technik bei der Abnahme nachweisen zu können.

Die Sanierungsquote muss steigen

Trotz eines leichten Anstiegs in der Vergangenheit ist es notwendig, die jährliche Gebäudesanierungsquote auf drei bis fünf Prozent zu steigern. Weil Handwerksbetriebe dabei aktuell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen dürften, sind neue Denkansätze gefragt. Einen stellt beispiel­haft das Pilotprojekt „Serielle Sanierung“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Kooperation mit der nieder­ländischen Initiative „Energiesprong“ dar: Hier werden weitgehend industriell vorgefertigte gedämmte Fassa­den- und Dachelemente fertig zur Baustelle geliefert, um innerhalb von nur drei bis sechs Tagen montiert zu werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: kurze Bauzei­ten, hohe Kostensicherheit und nur geringe Belastung der Bewohner. Die damit einhergehende Erneuerung der Anlagentechnik lässt Gebäude nach dem NetZero-Stan-dard in großer Stückzahl und architektonisch überzeu­gender Optik entstehen – erste Erfahrungen aus Holland stimmen optimistisch.

Es geht um die Zukunftsfähigkeit von Immobilien

Unabhängig davon, für welche Option Eigentümer sich letztlich entscheiden, es muss das Bewusstsein wach­sen, dass eine solche Investition in den Gebäudebestand nicht nur als Erfüllung von Auflagen im Sinne des Klima­schutzes zu betrachten ist, sondern als Maßnahme zur Wertsteigerung der Immobilie. Umso wichtiger ist es, Partner einzubinden, die ganzheitlich und systematisch vorgehen und ein breit gefächertes Spektrum an Unter­stützung anbieten.

Duecker, Alexander M.

Der Diplom-Ingenieur FH ist Geschäftsführer der Sautter GmbH, Ellhofen