01.03.2017 Ausgabe: 2/2017

Elementar für Immobilien

Schäden durch Naturereignisse nehmen zu. Dabei ist nahezu jedes Gebäude dagegen versicherbar – lediglich die Risiken werden bislang häufig unterschätzt. 

Stürme, Hagel und Starkregen haben im vergangenen Jahr versicherte Sachschäden an Häusern, Hausrat, Gewerbe- und Industriebetrieben in Höhe von 2 Mrd. Euro verursacht. In den letzten Jahren haben die Sachversicherer im Durchschnitt 2,4 Mrd. Euro für Schäden durch Naturgefahren geleistet. 2016 fällt damit leicht unterdurchschnittlich aus. Dennoch haben die beiden Tiefs Elvira und Friederike Ende Mai und Anfang Juni 2016 gezeigt, welche enormen Schäden durch Starkregen und damit einhergehende ­Überschwemmungen angerichtet werden können. Erinnern wir uns auch an die Jahre 2002 oder 2013, in denen Überschwemmungen versicherte Sachschäden in Höhe von 1,8 bzw. 1,65 Mrd. Euro verursachten.
 
Durch von Starkregen hervorgerufene Überschwemmungen entstehen an Einfamilienhäusern schnell Einzelschäden von 100.000 Euro und mehr. Somit kann ein solches Naturereignis existenzbedrohend für Hausbesitzer werden. Die Gründe, warum sich viele Hausbesitzer bislang nicht ausreichend versichert haben, sind vielfältig.

Unterschätztes Hochwasserrisiko

Viele Hauseigentümer in Deutschland unterschätzen die Gefahr, Opfer von Überschwemmungen oder Hochwasser zu werden. Rund zwei Drittel der Eigenheimbesitzer sind überzeugt, davon nie betroffen zu sein. Gleichzeitig gehen über 90 Prozent von ihnen davon aus, umfassend gegen Naturgefahren abgesichert zu sein. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Rund 11 der 17,5 Mio. Hausbesitzer in Deutschland sind nicht gegen Überschwemmungen durch Starkregen oder Hochwasser versichert. Laut der repräsentativen GfK-Befragung gibt es dafür drei zentrale Gründe:

  • Das persönliche Risiko wird unterschätzt
    Eigenheimbesitzer fühlen sich von Feuer, Sturm und Hagel bedroht, dabei kann Starkregen mit Überschwemmungen überall in Deutschland auftreten. Die schweren Unwetter im vergangenen Frühjahr machten das erneut deutlich. Die GfK-Befragung fand teils vor, teils nach diesen Unwettern statt. Im Ergebnis zeigte sich, dass der Anteil derjenigen, die sich nach den Extremwetterereignissen eine Überschwemmung in der eigenen Wohngegend vorstellen können, um rund 33 Prozent größer war.
  • Hausbesitzer sehen sich ­ausreichend versichert
    Der Großteil der Befragten fühlt sich bereits ausreichend abgesichert. In den meisten Fällen hat sich dies aber als falsch herausgestellt. Vielen ist nicht bewusst, dass ihre Gebäudeversicherung zwar Schäden durch Feuer, Sturm oder Hagel abdeckt, nicht aber Schäden durch Starkregen oder Hochwasser. Hierfür ist zusätzlich eine Elementarschadenversicherung nötig.
  • Schutz wird für zu teuer gehalten
    51 Prozent der Umfrageteilnehmer antworteten auf die Frage, warum sie keine Elementarschadenversicherung haben, sie sei zu teuer. Dabei kostet der notwendige Elementarschadenschutz für die meisten Hausbesitzer unter 100 Euro im Jahr. Mit Abschluss der Versicherung erhalten Kunden die Garantie, dass ihr Haus im Fall der Fälle vom Versicherer zu den aktuellen Standards wieder aufgebaut wird.

Das Ergebnis der Studie verdeutlicht, dass das Bewusstsein für Risiken durch Naturgewalten dringend erhöht werden muss. Die deutschen Versicherer setzen sich daher für die Einrichtung eines bundesweiten Naturgefahrenportals ein, wo sich jeder über das individuelle Gefahrenpotenzial informieren könnte.

Die Elementarschadenversicherung in Deutschland

Um ein Haus rundum gegen Naturgefahren abzusichern, ist eine zusätzliche Elementarschadendeckung nötig. Erst dann ist die „Vollkasko“ fürs Haus komplett. Das existenzbedrohende Risiko kann also durchaus versichert werden. Wichtig ist es, den eigenen Versicherungsschutz daraufhin zu überprüfen, ob Schäden durch Hochwasser und Überschwemmung tatsächlich mitversichert sind. Bundesweit sind 37 Prozent der Wohngebäude gegen Elementarschäden versichert – doppelt so viele wie noch 2002 mit 19 Prozent. Entsprechende Angebote gibt es hinreichend: Mehr als 120 Versicherer bieten auf dem deutschen Versicherungsmarkt Naturgefahrendeckungen an, sei es für Privatpersonen, Gewerbe, Industrie oder Landwirtschaft. Nahezu jedes Gebäude in Deutschland lässt sich problemlos versichern. Selbst für stark überschwemmungsgefährdete Gebäude ist dies dank individueller Lösungen möglich.

Wie Versicherer das Risiko kalkulieren

Nicht alle Häuser in Deutschland sind dem Überschwemmungsrisiko in gleichem Maße ausgesetzt. Um die regionale Gefährdung einschätzen zu können, haben die deutschen Versicherer unter dem Namen „ZÜRS Geo“ ein Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen entwickelt. In das System wurden bis heute mehr als 21 Mio. Adresskoordinaten eingespeist und rund 200 000 Kilometer Fließgewässer integriert, zudem insgesamt Überschwemmungsdaten von mehr als 200 Wasserwirtschaftsämtern gesammelt, ausgewertet und aufgenommen. Somit verfügt ZÜRS als einziges System über bundesweit flächendeckend einheitliche Hochwasserrisikodaten und teilt Deutschland dabei in vier Gefährdungsklassen (Zonen) auf:

  • Gefährdungsklasse 4: Hochwasser statistisch 1 x in 10 Jahren
  • Gefährdungsklasse 3: Hochwasser statistisch 1 x in 10 – 100 Jahren
  • Gefährdungsklasse 2: Hochwasser statistisch 1 x in 100 – 200 Jahren
  • Gefährdungsklasse 1: Hochwasser statistisch seltener als 1 x alle 200 Jahre

Die Online-Plattform ZÜRS Geo ermöglicht die Visualisierung der Georisiken auf amtlichen topografischen Karten sowie Luftbildern und erlaubt Einzelanfragen mit wählbarem Detaillierungsgrad zu einem gegebenen Standort. Somit liefert ZÜRS Geo die objektive Grundlage zur unternehmensinternen Risikobewertung und Prämienkalkulation.

Was die Klimastudie besagt

Die Klimastudie der deutschen Versicherer aus dem Jahr 2011 belegt, dass Stürme in den nächsten Jahrzehnten intensiver und häufiger auftreten werden. Ein besonders schadenträchtiges Sturmereignis mit der Intensität, wie wir es heute alle 50 Jahre erleben, kann zukünftig alle 10 Jahre eintreten. Die Kosten solcher Extremstürme liegen bei jeweils ca. 7 bis 8 Mrd. Euro. Auch Überschwemmungen werden zunehmen. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts kann mit einer Verdoppelung oder sogar einer Verdreifachung der Schäden gerechnet werden. Hochwasser mit einer Intensität, wie wir es heute im Durchschnitt alle 50 Jahre erleben, können zukünftig alle 25 Jahre eintreten.

Die Klimastudie ist jüngst auf Basis neuester Klimamodelle aktualisiert worden. Es zeigt sich, dass Schäden durch Überschwemmungen von Flüssen noch deutlicher zunehmen könnten als bisher erwartet. Ohne entsprechende Anpassungsmaßnahmen könnten sich die jährlichen Schadenskosten in Deutschland von derzeit etwa 500 Mio. Euro künftig vervielfachen.


Gause, Dr. Bernhard

Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin.
www.gdv.de