12.04.2021 Ausgabe: 2/21

Endlich online?! Warum wir mehr als froh sein können, dass die Online-Teilnahme an ­Eigentümerversammlungen gesetzlich nun so und nicht anders geregelt ist

Nun ist also gegeben, worauf Eigentümer und Verwaltungen lange gewartet haben: Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) die Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels Beschluss genehmigen. Viele hatten zwar auf einen Gesetzestext gehofft, der dafür nicht erst einen Beschluss erfordert, sondern stattdessen grundsätzlich Erlaubnis erteilt. Meines Erachtens können wir froh sein, dass es ist, wie es ist.

In Zeiten von Corona wissen wir die Möglichkeit, z. B. Beiratssitzungen als Online-Konferenzen durchführen zu können, sicherlich zu schätzen – nicht nur wegen des Infektionsrisikos, sondern auch, weil es Vielerlei erspart: Zeit, Anfahrtswege, Smalltalk, das gesamte Drumherum. Da sind Zoom & Co. ein Segen. Eine Eigentümerversammlung mit Online-Teilnahme zu realisieren, erfordert allerdings weit mehr als eine Videokonferenz mit wenigen Beiräten. Aber beginnen wir von vorn, zunächst mit der Frage:

Was bedeutet eigentlich Online-Teilnahme?
Die Beantwortung erfordert eine differenziertere Betrachtung – und zwar auch in Bezug auf jede einzelne Eigentümergemeinschaft. Grundsätzlich lässt sich die Online-Teilnahme in vier Stufen gliedern. Die erste ist das alleinige Zuhören. Hierfür ist theoretisch nur ein Mikrofon im Versammlungsraum erforderlich, damit Eigentümer, die nicht vor Ort, sondern telefonisch zugeschaltet sind, hörend an der Versammlung teilnehmen können – relativ einfach umsetzbar, lediglich durch Schaltung einer Telefonkonferenz. Der Nachteil: Eigentümer können eben nur hören, haben aber nicht die Möglichkeit, sich an Diskussionen zu beteiligen.

Auf der zweiten Stufe kommt zum Hören auch das Sprechen. Über eine Telefonkonferenz ist dies kaum mehr zu realisieren, da sowohl die Eigentümer im Versammlungsraum als auch an den Telefonen wild durcheinander reden würden. Dafür bedarf es also schon einer Software, die Wortmeldungen in geordnete Bahnen lenkt. Gängige Software-Lösungen wie Teams, Zoom usw. bieten sich dafür bereits an, denn sie ermöglichen es, Teilnehmer zentral durch den Moderator stummzuschalten oder ihnen das Wort zu erteilen. Alternativ könnten Online-Teilnehmer hier auch die Chatfunktion nutzen, um Wortbeiträge niederzuschreiben, die die Versammlungsleitung den übrigen Teilnehmern vorträgt. Will man das nicht, ist ein gewisses Maß an Organisation und die entsprechende Technik gefordert, damit die vor Ort anwesenden Teilnehmer sowie der Versammlungsleiter und die online zugeschalteten sich gegenseitig sehen und auch hören können. Hierfür sind also im Präsenzraum erforderlich: zum einen ein großer Bildschirm für die Video­darstellung, zum anderen mindestens ein Saalmikrofon, zwei Kameras (für Versammlungsleiter und Raum) sowie Lautsprecher für die anwesenden Teilnehmer – viel Technik, die man beherrschen muss, und wir befinden uns erst auf der zweiten Stufe! Dabei bleibt auch noch zu klären, ob man das Equipment nun vor Ort anmietet oder als Verwaltung besser gleich kauft.

Wie steht es um die ­Stimmabgabe?
Weder auf Stufe eins noch auf Stufe zwei ist für online zugeschaltete Teilnehmer die Möglichkeit der Stimmabgabe gegeben. Somit müsste der Verwalter oder ein anderer anwesender Vertreter für die Online-Teilnehmer abstimmen – trotz allem über eine im Vorwege von den Stimmberechtigten erteilte Vollmacht.

Auf der dritten Stufe geht es also darum, dass Online-Teilnehmer auch mit abstimmen können. Eine Möglichkeit dazu bietet der die Versammlung begleitende Chatverlauf: Wird die Abstimmung eröffnet, geben die Online-Teilnehmer darüber ihre Stimme ab. In kleineren Gemeinschaften wird sich das sicherlich als praktikabel erweisen, bei größeren, mit 30, 40 Eigentümern, aber wird die Auszählung zeitraubend.

So kommen wir zur vierten Stufe, die auch die Möglichkeit zur Online-Stimmabgabe bietet. Relativ einfach gestaltet sich das noch, wenn die Gemeinschaft nicht sehr groß ist und Abstimmungen nach dem Objekt- oder Kopfprinzip erfolgen. Komplex wird die Auszählung ohnehin, da ja sowohl die Stimmen der Anwesenden als auch die der online Zugeschalteten zu berücksichtigen sind – ggf. zusätzlich erschwert durch wegen technischer Probleme auf dem Videomonitor hin und her springende Teilnehmerfenster. Geht es dann auch noch um Miteigentumsanteile, wird es knifflig. Sie auszuzählen, ist schon bei Präsenzveranstaltungen kompliziert, was mit den jeweiligen Miteigentumsanteilen bedruckte Stimmkarten aber erleichtern.

Wir brauchen mehr Personal!
All das zeigt, dass Eigentümerversammlungen künftig kaum mehr von einer Person aus der Verwaltung durchgeführt werden können. Für den Aufbau der Technik und die Bedienung, um technische Probleme zu lösen und Teilnehmern das Wort zu erteilen, wird mindestens eine weitere Person zur Unterstützung gebraucht – für die natürlich zusätzliche Kosten anfallen, die von der Eigentümergemeinschaft getragen werden müssen.

Die beschriebenen Szenarien sind nicht nur organisatorisch eine Herausforderung, sondern vor allem auch technisch: Selbst wenn bereitgestellte Konferenztechnik einwandfrei funktioniert, steht und fällt doch alles mit der Internetverbindung. Nur mal angenommen, einem Miteigentümer gelingt es nicht, online an der Versammlung teilzunehmen, weil er nicht ins Internet kommt – sein Risiko. Genauso gut hätte er den Bus verpassen und zu spät vor Ort ankommen können. Auf Stufe eins und zwei liegt dann zumindest die Vollmacht vor, sodass er trotzdem mit abstimmen kann.

Was aber, wenn das Internet am Veranstaltungsort der Präsenzversammlung nicht funktioniert? Dann gibt es keine Online-Teilnahme, und die Versammlung wäre womöglich abzubrechen, weil weder Meinungsaustausch noch Stimmabgabe stattfinden können. Inzwischen gibt es die ersten Software-Tools, die eine hybride Abstimmung unterstützen, indem die Stimmabgabe über eine Website oder per App erfolgt. Ob ein Teilnehmer anwesend ist oder vom heimischen Computer aus abstimmt, spielt dann keine Rolle mehr, und zudem wird jeder Beschluss sauber dokumentiert: Ersichtlich ist, wer hat mit welchem Votum an der Abstimmung teilgenommen, wobei die Auszählung selbst unproblematisch ist. Nach welchem Schlüssel gezählt werden soll, ist für die Software unerheblich. Von besonderer Bedeutung ist diese Funktion vor dem Hintergrund, dass nach neuem WEG bei bestimmten baulichen Veränderungen die Kostentragungspflicht allein bei den dieser Maßnahme Zustimmenden liegt. Das gilt sowohl für die Kosten der Umsetzung als auch für Folgekosten der Wartung und Instandhaltung etc., sodass die Dokumentation der Stimmabgabe künftig wichtiger wird.

Fluch oder Segen?
Verwaltungen sollten sich gut überlegen, welche Beschlussfassung zur Online-Teilnahme sie tatsächlich herbeiführen möchten und insbesondere auch, wie Wohnungseigentümergemeinschaften den erhöhten Verwaltungsaufwand vergüten – die geschätzten Kosten pro Versammlung sind mit 300 bis 1.000 Euro nicht unerheblich.

Beschlussvorschlag:
Um die Abstimmung in Eigentümergemeinschaften zur Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen zu erleichtern, hat eine eigens ins Leben gerufene Arbeitsgruppe den folgenden Beschlussvorschlag erarbeitet:

„Die Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels elektronischer Kommunikation wird nach Maßgabe folgender Bestimmungen zugelassen:

1. Jeder Eigentümer kann sein Teilnahme-/Rede-/Antrags- sowie Stimmrecht per Chat-/Audio-/Video-Funktion (Zutreffendes auswählen) im Wege von der Verwaltung auszuwählender elektronischer Kommunikationsmittel ausüben.

2. Die Online-Beteiligung hat über einen durch geeignete Verschlüsselung geschützten Zugang zu erfolgen. Der berechtigte Online-Teilnehmer hat die Übertragung an Nichtberechtigte zu unterbinden.

3. Jeglicher Übertragungsfehler – gleich auf wessen Verantwortungsbereich dieser beruht – hindert den Fortgang der Eigentümerversammlung nicht. Der Online-Teilnehmer ist für einen solchen Fall da­rauf verwiesen, sich von einer anwesenden Person ­vertreten zu lassen.“

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Michels, Ralf

Der Geschäftsführer der A.S. Hausverwaltungs- & Projektentwicklungs-GmbH ist Präsidiumsmitglied des VDIV Deutschland.