29.04.2019 Ausgabe: 2/19

Endlich Rechtssicherheit - Ein vom DDIV angestrengter Musterprozess klärt offene Fragen zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 13 UStG.

Die Frage, ob eine WEG ein umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen ist, sorgt in der Praxis immer wieder für Unsicherheiten und Nachfragen. Nicht zuletzt deshalb wurde dies auch bereits mehrfach in DDIVaktuell erläutert, zuletzt von Wolfgang Wilhelmy in den Ausgaben 5/18, 7/18 und 1/19.

Die Thematik erhält durch das kürzlich ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs weitere Relevanz (IV R 6/16): Der BFH entschied, dass eine WEG mit dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks (BHKW), in dessen Rahmen auch Strom an Dritte verkauft wird, eine Mitunternehmerschaft begründet – und dies direkt als WEG, nicht durch eine konkludent gegründete GbR. Damit wurde die von der Steuerberatungskanzlei Reutlinger stringent vertretene und vorgetragene Rechtsauffassung bestätigt, was WEG von unnötigen Gebühren befreit.
Im Folgenden soll es allerdings nicht um die Auslegung und Anwendung einzelner Vorschriften gehen. Entscheidender ist die Frage, inwieweit eine europarechtliche Ermächtigungsgrundlage für die steuerliche Befreiung von Lieferungen einer Eigentümergemeinschaft an die jeweiligen Eigentümer nach § 4 Nr. 13 UStG überhaupt besteht. Ausgangspunkt für den Musterprozess ist auch hier die Lieferung von BHKW-Wärme durch die WEG an die einzelnen Miteigentümer.

Die Anwendungsfälle

In § 4 Nr. 13 UStG werden Lieferungen und Leistungen der WEG definiert, die für Wohnungs- und Teileigentümer umsatzsteuerfrei sind. In diesem Wirkungsbereich beziehen sich die Steuerbefreiungen auf die Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums an die Wohnungseigentümer, auf Leistungen zur Instandhaltung und -setzung sowie auf die Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen. Die „Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums“ ist im Umsatzsteuergesetz jedoch missverständlich formuliert, denn jeder Wohnungseigentümer hat nach § 13 Abs. 2 S. 1 Wohnungseigentumsgesetz originär das Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums. Dementsprechend muss hierfür auch kein Entgelt gezahlt werden. Die Tatsache allein, dass für die Überlassung des Gemeinschaftseigentums kein Entgelt bezahlt werden muss und eine gesetzliche Duldung im WEG festgelegt worden ist, bedeutet aber noch nicht, dass kein steuerbarer Umsatz vorliegt. Deshalb ist die explizite Aufführung wichtig, da ein Tun, Dulden und Unterlassen ohne Entgelt im Rahmen einer Mindestbemessungsgrundlage Umsatzsteuer auslösen kann.
Unter „ähnlichen Gegenständen“ werden nach Punkt 4.13.1 Abs. 2 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) regelmäßig beispielsweise die Schornsteinreinigung, Müllabfuhr, Wohngebäudeversicherung, Waschmaschinennutzung, aber auch die Flurbeleuchtung subsumiert.

Die Europarechtskonformität

Experten sind nach wie vor uneinig, auf welcher EU-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage § 4 Nr. 13 UStG basiert. Die europarechtliche Grundlage ist deshalb von Relevanz, da die Umsatzsteuer seit 2007 durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) europaweit einheitlich geregelt ist und demnach für die nationalen Regelungen ein entsprechendes Pendant auf europäischer Ebene bestehen muss. Zur Auswahl stehen dabei Artikel 135 Abs. 1 l) MwStSystRL, die Protokollerklärung Nr. 7 zu Artikel 13 der 6. EG-Richtlinie sowie Artikel 136 a) MwStSystRL. Nach eingehender Prüfung lässt sich feststellen, dass weder die Vorschriften der MwStSystRL noch die Inhalte der Protokollerklärung als Ermächtigungsgrundlage dienen. Im Ergebnis könnte eine WEG mit Verweis auf das Unionsrecht zur Regelbesteuerung in der Umsatzsteuer optieren, ohne dafür die übrigen Voraussetzungen von § 9 UStG erfüllen zu müssen.

Dieser Auffassung ist auch das zuständige Finanzgericht Baden-Württemberg gefolgt und legt die Frage, ob § 4 Nr. 13 UStG mit europäischem Recht vereinbar ist, dem Gerichtshof der Europäischen Union vor. Der DDIV erreicht dadurch nun endgültig Rechtssicherheit für die Immobilienverwaltungsbranche in dieser weitreichenden Frage.

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Reutlinger, Alois

Alois Reutlinger ist seit 1990 selbstständiger Steuerberater und Geschäftsführer der A. Reutlinger Steuerberatungsgesellschaft im baden-württembergischen Rosenfeld. Davor war er im Bereich Außenprüfung beim Finanzamt Balingen tätig. www.steuerberater-reutlinger.de