02.09.2014 Ausgabe: 6/2014

Entschieden: der Mindestlohn

Wer ihn bekommt, wie er sich berechnet und welche Gestaltungsmöglichkeiten er bietet, wirft in der Praxis aber jede Menge Fragen auf.

Nach wochenlangem Tauziehen der Koalitionspartner haben Bundestag und Bundesrat der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro ab dem 01.01.2015 zugestimmt. Bei der Umsetzung in die Praxis gibt es jedoch noch Unklarheiten. Sie betreffen insbesondere den einbezogenen Personenkreis, die Berechnung des Mindestlohnes und die arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten. Auch die im Gesetz aufgenommene Auftraggeberhaftung ist nicht ohne Tücken. Welche Auswirkungen also hat das neue Mindest-Lohn-Gesetz auf Immobilienverwaltungen?

Die Anwendung des MiLoG in den Unternehmen der Immobilienverwaltung

§ 1 Abs. 1 MiLoG begründet einen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes für jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin. Ausgenommen sind nur Arbeitnehmer während der ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung, wenn sie unmittelbar zuvor langzeitarbeitslos waren (§ 22 Abs. 4 Satz 1 MiLoG).

Neben Arbeitnehmern haben auch Praktikantinnen und Praktikanten einen Anspruch auf die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes. Ausgenommen sind nur Praktika aufgrund schulrechtlicher Bestimmungen, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung und im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie. Auch Praktika von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung, die Aufnahme eines Studiums oder begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung (wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat), sind nicht erfasst.

Weiter wurden Personen, die an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54 a SGB III teilnehmen, und Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung aus dem Anwendungsbereich herausgenommen.

Der Mindestlohnanspruch ist unabdingbar (§ 3 MiLoG). Dies hat zur Folge, dass die in Arbeitsverträgen zu findenden Ausschlussklauseln zur befristeten Geltendmachung von Ansprüchen in Bezug auf den Mindestlohnanspruch unwirksam sind. Arbeitnehmer können ihren Mindestlohnanspruch zukünftig auch nach Ablauf der Ausschlussfristen gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend machen.

Die Berechnung des Mindestlohnes ist jedoch problematisch, da nach der Rechtsprechung nicht sämtliche Leistungen des Arbeitgebers zusammengerechnet und durch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden geteilt werden können, um zu ermitteln, ob der Mindestlohn gezahlt wurde. Überstundenvergütung, vermögenswirksame Leistungen und Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersversorgung dürfen bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich anderer ­Vergütungsbestandteile (Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Leistungsprämien) kommt es darauf an, ob diese die Normaltätigkeit vergüten oder ggf. eine andere Funktion haben und wann diese gezahlt werden. Dies muss für jeden Einzelfall gesondert beurteilt werden.

Die Auftraggeberhaftung gemäß § 13 MiLoG

Nach § 13 MiLoG soll § 14 Arbeitnehmer­entsendegesetz (AEntG) entsprechend Anwendung finden. Darin heißt es:

„Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers […] zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen […] wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat […].“

Unternehmer in Sinne von § 14 BGB ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Der Verwalter fremden Eigentums ist zwar selbst in der Regel Unternehmer in Sinne von § 14 BGB, aber nicht Auftraggeber, da er nicht in eigenem Namen sondern im Namen des Verbandes (WEG) oder des Eigentümers handelt. Der Verwalter haftet daher nur als Auftraggeber, wenn er in eigenem Namen handelt.

Der Verwalter könnte jedoch gegenüber dem Verband bzw. dem Eigentümer aus dem Verwaltervertrag haften. Denn er ist im Rahmen seiner Aufgaben unter anderem dazu verpflichtet, die zu beauftragenden Unternehmen sorgfältig auszuwählen und bei der Vertragsgestaltung Haftungsrisiken auszuschließen.

Ein solcher Haftungsausschluss ist wiederum nur notwendig, wenn es sich bei dem Auftraggeber (Verband oder Eigentümer) um ein Unternehmen im Sinne von § 14 BGB handelt und damit § 13 MiLoG anwendbar wäre. Bei gewerblichen Vermietern handelt es sich regelmäßig um Unternehmer im Sinne von § 14 BGB. Problematisch ist die Einordnung von Wohnungseigentümergemeinschaften. Zur Beurteilung, ob es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft um einen Unternehmer in Sinne von § 14 BGB handelt, muss darauf abgestellt werden, ob die Mitglieder der  Wohnungseigentümergemeinschaft in eben dieser Funktion eine selbständige oder gewerbliche Tätigkeit ausüben. Eine gewerbliche Tätigkeit wird dann angenommen, wenn die Verwaltung des eigenen Vermögens dazu führt, dass planmäßige entgeltliche Leistungen, z. B. die mehr als nur gelegentliche Vermietung von Wohnungen, angeboten wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft selbst Wohneigentum hält und vermietet. Dasselbe würde für das Vermieten von Stellplätzen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft gelten. Um kein Unternehmen im Sinne von § 14 BGB handelt es sich, wenn das Wohneigentum nur zu privaten Zwecken gehalten wird. Auch könnte ein Unternehmen vorliegen, wenn der Verband nur aus Teileigentümern besteht.

Durch die Rechtsprechung zum Arbeitnehmerentsendegesetz wurde der Unternehmerbegriff in § 14 AEntG jedoch einschränkend ausgelegt. Die Auftraggeberhaftung soll danach nur den Generalunternehmer – also nicht jeden Unternehmer im Sinne von § 14 BGB – treffen, denn nur dieser könne erkennen, dass die von dem Nachunternehmer angebotenen Preise mit vernünftigen Arbeitsbedingungen nicht zu erbringen sind. Gleichzeitig sei es der Generalunternehmer, dem die Vorteile der Arbeitsteilung zur Erfüllung eigener Pflichten zugute kommen. Anhand dieser Argumentation lässt sich erkennen, dass die Rechtsprechung branchenspezifisch anhand der Erbringung von Bauleistungen entwickelt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass diese einschränkende Auslegung des Unternehmerbegriffs von der Rechtsprechung auch auf § 13 MiLoG übertragen wird. Hierfür würde auch die Intention des Gesetzgebers sprechen, der mit dem Verweis auf § 14 AEntG einen Gleichlauf der Haftungsmaßstäbe erreichen wollte. Diesem würde es zuwiderlaufen, wenn der Begriff des Unternehmers nicht auch im Rahmen von § 13 MiLoG einschränkend ausgelegt wird.
Bis zur Klärung des Unternehmerbegriffs im Rahmen von § 13 MiLoG durch die Rechtsprechung sollte rein vorsorglich vom Auftragnehmer zukünftig eine Klausel verlangt werden, in der er erklärt, dass die Vorschriften des MiLoG eingehalten und der Auftraggeber von der Haftung für Mindestlohnansprüche freigestellt wird. Die Absicherung kann dann durch Beibringung einer Bankbürgschaft oder durch Nachweis einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, welche auch den Mindestlohn erfasst, erfolgen. Mit diesen Vorsichtsmaßnahmen werden die derzeit diskutierten Haftungsrisiken bis zur Klärung des Unternehmerbegriffs in § 13 MiLoG durch die Rechtsprechung vermieden.

Fotos: © Stillfx / Shutterstock.com; Shutterstock.com


Felgenhauer, Isabel

Die Rechtsanwältin ist in der Chemnitzer Kanzlei Strunz Alter Rechtsanwälte tätig, insbesondere im Arbeits- und Mietrecht.
www.strunz-alter.de