10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Erleichterung per Gesetz? - Die neu geregelte Textform: Wie Wohneigentumsverwalter bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Eigentümerversammlungen mit ihr umgehen sollten.

Mit der Reform des Wohnungseigentumsrechts hat der Gesetzgeber Erleichterungen für die Organisation von Eigentü­merversammlungen geschaffen und zusätzliche Textformrege­lungen eingeführt. Bedeutung haben die erleichterten Form­ vorschriften für die Einladung zur Eigentümerversammlung, das Einberufungsverlangen für eine Eigentümerversammlung, den Umlaufbeschluss und die Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts in der Eigentümer­versammlung.


Wie ist die Textform definiert?
Die Textform ist in § 126b Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Sie wird gewahrt durch eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist. Die Erklärung muss auf einem dauerhaft beständigen Datenträger abgegeben sein. Letzteres ermöglicht dem Empfänger die Aufbewahrung oder Speicherung, sodass auch eine spä­tere unveränderte Wiedergabe gewährleistet ist. Hauptfälle der Textform sind Papier, E­-Mails, Fax oder Datenträger. Denkbar sind aber auch Nachrichten per SMS, sofern diese gewisse Mindestvor­aussetzungen erfüllen, oder über Messenger­-Dienste. In der Verwal­tungspraxis werden elektronisch übermittelte Dokumente in Text­form meist als PDF­-Dateien im Anhang von elektronischen Nach­richten vorkommen oder um in Online­-Portalen für Eigentümer hinterlegte Unterlagen.


Die Textform der Einladung zur Eigentümerversammlung
Während die Textform in ande­ren Bereichen des Wohnungsei­gentumsrechtes erst durch das Wohnungseigentumsmoderni­sierungsgesetz (WEMoG) zum 1. Dezember 2020 Einzug gehal­ten hat, besteht das Textform­ erfordernis für Einladungen schon seit der gesetzlichen Einführung der Textform in § 126b BGB zum 1. August 2001. Welcher Kommu­nikationsweg für die Einladung gewählt wird, liegt im Ermessen des Einladenden. Er hat zu beach­ten, ob die Wohnungseigentümer mit der von ihm gewählten Art der Übertragung rechnen muss­ten und sich hiermit einverstan­den erklärt haben. Dies könnte etwa durch zusätzlich zur ohne­ hin vorhandenen Adresse ange­gebene Kontaktdaten erfolgt sein, beispielsweise die Faxnummer, E­-Mail­-Adresse oder Mobiltele­fonnummer.

Die Einladung muss folgende Mindestangaben enthalten: die Benennung des Einladenden mit Adresse, Versammlungsort und ­zeit sowie die Beschlussgegen­stände. Auch wenn die Textform Kurz­ und Textnachrichten als mögliche Übermittlungswege einschließt, dürften sie in der Regel eher ungenügend und ungeeig­net sein bzw. allenfalls für Tages­ordnungen von überschaubarem Umfang in Betracht kommen.

Grundsätzlich muss die Ein­ladung sämtlichen Eigentü­mern innerhalb der gesetzlichen Ladungsfrist von drei Wochen zugegangen sein. Da E-Mails als vermeintlicher „Spam“ unbe­achtet bleiben könnten, ist dem Einzelversand der Einladungen gegenüber dem Versand per Mas­sen­-E­Mail der Vorzug zu geben. Dem Risiko, dass E­-Mails nicht gelesen werden, kann man auch durch die Nutzung von Online­-Portalen begegnen, indem man Einladungen im persönlichen Postfach und Dokumentenord­ner aller Miteigentümer hinterlegt und sie darüber informiert.

Grundsätzlich wird man kei­nen Wohnungseigentümer dazu zwingen können, einen bestimm­ten Kommunikationsweg zu nut­zen. Geben Eigentümer über ihre Anschrift hinaus keinerlei Kon­taktdaten an, bleibt für die Über­sendung der Einladung nur der Postweg.


Die Textform bei Einberufungsverlangen
Mit dem WEMoG wurde seit 1. Dezember 2020 das Verfah­ren des Einberufungsverlangens für eine Eigentümerversamm­lung durch bloße Verwendung der Textform vereinfacht. Die Eigentümer, die die Einberufung verlangen, sind in dem Doku­ment zu benennen. Ein Doku­ment in Textform nach § 126b BGB wird stets durch nachgebil­dete Namensunterschrift oder durch Namensangabe am Ende des Dokuments abgeschlos­sen. Ein Einberufungsverlangen per E­-Mail, in dem neben dem Absender auch die Namen weite­rer Eigentümer angegeben sind, könnte Zweifel an der Authenti­zität begründen. Sachgerechter dürfte es sein, elektronisch, etwa per E­-Mail, (Text­)Nachricht oder über Messenger­Dienste, über­ mittelten Dokumenten die (ein­ gescannten) Unterschriften der die Einberufung verlangenden Wohnungseigentümer als Datei­anhang beizufügen. Im Zweifel sollten Verwalter dem Einberu­fungswunsch entsprechen und ihn nicht etwa zurückweisen. Würde tatsächlich ein Einberu­fungsverlangen an einen Verwal­ter gerichtet, das dem Willen der darin genannten Wohnungseigen­tümer gar nicht entspricht, wäre der Absender verpflichtet, die so durch die Versammlung entste­henden Kosten zu ersetzen.


Die Textform beim Umlaufbeschluss
Für den Umlaufbeschluss nach § 23 Abs. 3 Wohnungseigentums­gesetz (WEG) ist seit Inkraft­treten des WEMoG nunmehr die Textform ausreichend. Dies eröffnet Wohnungseigentümern über die nach altem Recht bis­ lang einzig zulässige schriftliche Zustimmung zu einem Beschluss hinaus weitere Möglichkeiten der Zustimmungserklärung. Zuläs­sig und bei der Auswertung der eingegangenen Erklärungen der Eigentümer auch mit zu berück­sichtigen sind die Erklärungen der Eigentümer auf allen denk­baren Kommunikationswegen, sofern diese das Textformerfor­dernis erfüllen und einem Eigen­tümer eindeutig zuzuordnen sind. Das heißt, auch wenn ein Ver­walter – oder ein Miteigentümer, der einen Umlaufbeschluss initi­iert, – zur Beschlusszustimmung in einer bestimmten Art der Text­form, beispielsweise per E­-Mail, auffordert, wird trotzdem jede auf anderem Wege eingegangene Erklärung zu berücksichtigen sein, sofern sie die Textform­ erfordernisse erfüllt. Eigentümer können ihre Erklärung zu einem Umlaufbeschluss also auch per Brief, Fax oder mit einer Text­ nachricht abgeben, wenn sie ihnen nur eindeutig zugeordnet werden kann, z. B. über die Mobil­funknummer.

Entscheiden sich Eigentümer – nach Vorbefassung in der Eigen­tümerversammlung – für das vereinfachte Beschlussverfahren nach § 23 Abs. 3 S. 2 WEG, sodass für einen einzelnen Gegenstand
die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt, so können sie die Frist, innerhalb derer Erklä­rungen abgegeben werden kön­nen, ebenso festlegen wie den (bevorzugten) Kommunikations­weg. Im Zweifel wird aber auch hier jede in anderer Weise abgege­bene Stimme, die die Textformer­fordernisse erfüllt, zu werten sein.


Die Textform bei Vollmachten
Bislang mussten Vollmachtsur­kunden schriftlich und damit im Zweifel stets im Original vorge­legt werden. Die Textform bie­tet nun bei der Vertretung eines Wohnungseigentümers durch einen Dritten in der Eigentümer­versammlung erhebliche Erleich­terungen: Die Vollmachtsurkunde muss nicht mehr zwingend im Original vorgelegt werden und kann daher auch nicht mehr nach § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden. Eine in Textform erstellte Vollmacht kann nunmehr als (Papier­)Urkunde (ohne Unter­schrift) oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger erteilt werden. Dies macht die genann­ten weiteren Übermittlungswege möglich. Inhaltlich muss die in Textform abgegebene Vollmacht lediglich die Person des Erklären­ den sowie des Bevollmächtigten und den Abschluss der Erklärung erkennen lassen, sei es durch die (eingescannte) Unterschrift oder die abschließende Angabe des Namens. Neben schriftlichen oder notariellen Urkunden können beispielsweise auch ein Fax, eine E­-Mail und selbst eine SMS diese Voraussetzungen erfüllen. Bei rein elektronischer Übermittlung soll­ten Verwalter allerdings auf die Authentizität achten, beispiels­weise durch Abgleich mit der bekannten E­-Mail-­Adresse oder Mobilfunknummer. Elektronisch zugegangene Vollmachtserklärungen sind in geeigneter Weise zu archivieren. Da jeder Miteigentü­mer ein Einsichtsrecht in die Ver­waltungsunterlagen hat, müssen erteilte Bevollmächtigungen nicht nur während der Eigentümer­ versammlung, sondern auch im Nachhinein nachvollzogen wer­den können.
 


Praxistipp
Entscheiden sich Eigentümer mehrheitlich für die Einführung und Nutzung eines Online­-Portals zur Bereitstellung von Doku­menten, muss ein dahingehender Beschluss auch auf diejenigen Miteigentümer Rücksicht nehmen, die dies nicht befürworten oder ablehnen, z. B. weil ihnen die technischen Gegebenhei­ten dafür fehlen. Ihnen könnte der Beschluss die Möglichkeit einräumen, dem Verwalter mitzuteilen, dass sie einen anderen Kommunikationsweg wünschen. Es kann auch vorgesehen wer­den, dass dadurch entstehende Mehrkosten von den jeweiligen Eigentümern zu tragen sind.
 

Grundmann, Volker

Der Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht der Berliner Kanzlei Grundmann Immobilienanwälte ist juristischer Berater und Vorstandsmitglied des VDIV Berlin-Brandenburg.
www.immorecht.net