07.09.2022 Ausgabe: vdivDIGITAL 2022/2

Ertragsoptimierung durch Digitalisierung

Immer wieder werde ich gefragt, wozu Digitalisierung tatsächlich notwendig ist. Zum einen ist es sicherlich wichtig, Arbeitsprozesse zu digitalisieren, um die Zeitaufwendungen zu reduzieren. Aber heißt das gleich, dass man daraus Erträge erzielen kann? Ich denke ja, allerdings geht es in der heutigen Zeit, in der die Verwaltungen jedes Jahr mit verschiedensten gesetzlichen Neuerungen zu kämpfen haben, wohl eher darum, die Mehranforderungen in der ursprünglichen Arbeits­zeit zu meistern. Grund­sätzlich ist dies natürlich eine traurige Botschaft, da es bedeutet, dass in der vorhandenen Arbeitszeit mit Digita­lisierung nicht unbe­dingt mehr Einheiten zu betreuen sind. Aber die Realität sieht leider in den meisten Unter­nehmen genauso aus. In Beratungen mehrerer Verwaltungsunternehmen musste ich sogar feststellen, dass die Anzahl der betreuten Einhei­ten pro Mitarbeiter in den letzten Jahren eher abgenommen hat. Die Frage ist also, ob es überhaupt möglich ist, mit der Digitalisierung Ertragsoptimierungen oder neue Ertragsfel­der zu entwickeln. Ich bin ein Mensch, der aus der Not lie­ber eine Tugend macht, und so habe ich mich gefragt, wo es womöglich eine Nische gibt, mit der sich Geld verdienen lässt, obwohl die meisten Unternehmen eher anderer Meinung sind.

Meine Vision: Warum soll es nicht möglich sein, kleine WEG lukrativ zu verwalten?
Gerade in kleinen WEG sollten viele Prozesse gleich sein, da die Verwaltung eben gerade nicht so komplex ist, dass viel menschliches Eingreifen notwendig ist. Immer wieder wird gesagt, kleine Verwaltungsobjekte würden sich nicht rechnen. Die meisten Verwaltungsunternehmen kalkulieren inzwischen mit einer monatlichen Mindestverwaltungsgebühr von 400 bis 500 Euro netto. Ich möchte mit diesem Artikel eine ganz andere Seite beleuchten. Schließlich besteht durch das neue Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEmoG) die Möglichkeit, gemäß § 27 die Rechte und Pflichten des Verwalters einzuschränken oder zu erweitern. In aller Munde ist immer das Wort „erweitern“. Mein Gedanke ist aber, die Verwaltungstätigkeit so weit wie möglich einzuschränken und nur eine Art „Verwaltung light“ anzubieten. Denn wenn man sich das WEmoG ansieht, gibt es relativ wenige Punkte, an denen der Verwalter tatsächlich durch das Gesetz zu Handlungen verpflichtet wird. Im Folgenden sind es diese Paragraphen, die ich hier kurz für Sie zusammengefasst habe:


§ 9b Vertretung
Hier geht es darum, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird, beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrages aber nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Dem Verwalter gegenüber vertritt der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats oder ein durch Beschluss dazu ermächtigter Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Somit ist der Verwalter grundsätzlich der gesetzliche Vertreter nach außen, dies kann man aber sicherlich insoweit einschränken, dass die gesetzliche Vertretung nach außen nicht in der Grundvergütung enthalten ist, sondern nach Aufwand abgerechnet wird.
 

§ 19 Regelung der Verwaltung und Benutzung durch Beschluss
Die Rede ist von der Bestellung eines zertifizierten Verwalters nach § 26a, es sei denn, es bestehen weniger als neun Sondereigentumsrechte, ein Wohnungseigentümer wurde zum Verwalter bestellt und weniger als ein Drittel der Wohnungseigentümer (§ 25 Absatz 2) verlangt die Bestellung eines zertifizierten Verwalters. Diese Regelung ist wohl zu vernachlässigen, da künftig alle professionell arbeitenden Verwalter zertifiziert sein werden.
 

§ 24 Einberufung, Vorsitz, Niederschrift
Der Paragraph besagt, dass die Versammlung der Wohnungseigentümer vom Verwalter mindestens einmal im Jahr einberufen werden muss, in den durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer bestimmten Fällen im Übrigen dann, wenn dies in Textform unter Angabe des Zwecks und der Gründe von mehr als einem Viertel der Wohnungseigentümer verlangt wird. Den Vorsitz in der Woh-nungseigentümerversammlung führt, sofern nicht anders beschlossen wurde, der Verwalter. Die Mindestanforderung besteht also darin, dass der Verwalter die Versammlung einberufen muss, Vorsitz in der Eigentümerversammlung ist nicht zwingend der Verwalter. Die Eigentümer könnten auch aus ihren Reihen einen Vorsitzenden benennen, sodass der Verwalter nicht zur Versammlung erscheinen muss. Der Vorsitz durch den Verwalter wäre zwar möglich, kann aber wieder nach Aufwand abgerechnet werden.

Über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse ist unverzüglich eine Niederschrift aufzunehmen. Diese ist vom Vorsitzenden sowie einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter zu unterschreiben. Die Protokollierung ist somit nicht die Verpflichtung des Verwalters, sondern kann auch durch einen Miteigentümer oder Dritten erfüllt werden. Sollte eine kleine Gemeinschaft einen Protokollanten wünschen, kann dieser selbstverständlich wieder nach Aufwand abgerechnet werden. 


§ 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht
Laut diesem Paragraph beschließen die Wohnungseigentümer über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält. Somit liegt die Verantwortung zur Aufstellung des Wirtschaftsplans beim Verwalter. Diese sollte aber inzwischen einen fast automatisierten Prozess darstellen.

Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüs-sen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Dafür hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, welche die Einnahmen und Ausgaben enthält. Zudem hat der Verwalter nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält.


§ 29 Verwaltungsbeirat
Gemäß diesem Paragraphen unterstützt und überwacht der Verwaltungsbeirat den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben. Der Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung sollen, bevor die Beschlüsse nach § 28 gefasst werden, vom Verwaltungsbeirat geprüft und mit dessen Stellungnahme versehen werden.

Damit ist das WEmoG – auf den Verwalter bezogen – schon zu Ende. Um diese Aufgaben geht es konkret:

·    Aufgaben als gesetzlicher Vertreter, können gemäß Vertrag nach Aufwand vergütet werden
·    Einrichtung und Führen des WEG-Bankkontos (Einnahmen und Ausgaben)
·    Mahnwesen (jede Mahnung kostet Geld und wird somit sondervergütet)
·    Einfordern von beschlossenen Sonderumlagen (kann ebenfalls separat vergütet werden)
·    Erstellung des Wirtschaftsplans
·    Abrechnungslegung über das Wirtschaftsjahr mit Prüfung des Beirates
·    Erstellung des Vermögensberichtes
·    Einladung zur Versammlung (nicht Leitung)
·    Führen der Beschlusssammlung (nicht des Protokolls)


In Mitarbeiterstunden zusammengefasst, ließe sich dafür folgende Rechnung anstellen:

·    Ein Buchhalter schafft abhängig von den Aufgaben und der Software im Schnitt die Verbuchung von 1.400 Einheiten. Bei 7 Einheiten je Objekt sind das ca. 200 Objekte.
·    Für das Verschicken der Einladung und die Führung der Beschlusssammlung benötigt der Ver-walter max. einen halben Arbeitstag im Jahr. Für weitere Aufgaben kalkulieren wir einen weiteren halben Arbeitstag.
·    Bei 200 Objekten entspricht dies 200 Arbeitstagen im Jahr und damit einem Arbeitsplatz.

Finanziell gesehen benötigt der Verwalter für die kalkulierten 200 Objekte mit rund 1.400 Einheiten zwei Arbeitskräfte. Einen Buchhalter und einen Sachbearbei-ter. Die Personalkosten für diese beiden Mitarbeiter sind Ihnen bekannt. Rechnet man nun eine Verwaltergebühr als monatliche Grundvergütung von ca. 20 Euro netto je Einheit, überlasse ich es Ihnen, den daraus resultierenden Überschuss zu berechnen.
Dies ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, aber aufgrund des oben genannten Zahlenwerks definitiv mehr als einen Gedanken wert.
 

Michels, Ralf

Der Geschäftsführer der A.S. Hausverwaltungs- & Projektentwicklungs-GmbH ist Präsidiumsmitglied des VDIV Deutschland.