02.08.2021 Ausgabe: 4/2021

Es ist fünf vor zwölf! Die Lösung der Personalfrage ist das zentrale Thema für die Zukunft der Immobilienverwaltungen, und wir brauchen dringend eine Ausbildungsoffensive.

Eigene Erfahrungen der letzten Jahre, Gespräche mit Kollegen und die Auswertung verschiedener Daten zur Personal- und Ausbildungssituation bringen mich aktuell dazu, das Thema genauer zu betrachten. Vielleicht liege ich mit meinen Eindrücken und Schlussfolgerungen falsch, oder meine Bewertung fällt zu drastisch aus. Für die Branche, auch für unser Unternehmen würde mich das eher freuen. Um hier aber mehr Sicherheit in der Beurteilung zu bekommen, sollten wir das Thema genauer prüfen und mögliche Maßnahmen zügig in Angriff nehmen. Zunächst zu den Thesen, die meinen Ausführungen zugrunde liegen:

These 1: Die Personalfrage ist aktuell von größerer Bedeutung für die Zukunft der Immobilienverwaltungen als die Digitalisierung.

These 2: Die Branche hat die gesamte Tragweite des Problems noch nicht erkannt.

These 3: Unsere heutigen Versäumnisse werden die aktuellen Probleme, u. a. die immer wieder diskutierte zu geringe Vergütung der Verwaltungen, in den nächsten Jahren noch verschärfen.

These 4: Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation wirken erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren.

Einige persönliche Beobachtungen
Ich kenne kaum eine Immobilienverwaltung, die nicht von Personalproblemen unterschiedlicher Art berichtet. Auch im Austausch mit Kollegen aus dem Kontext der Erfa-Gruppen des VDIV Deutschland hört man häufig die folgenden Aussagen:

Es ist kein qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt verfügbar. Selbst langjährig beschäftigte Mitarbeiter führen häufig keine Eigentümerversammlungen durch und entlasten die Geschäftsführung daher zu wenig. Gute Mitarbeiter wandern in besser dotierte und stressfreiere Immobilienjobs größerer Unternehmen ab, z. B. ins Centermanagement. Die Arbeitszeiten der Branche sind unattraktiv, insbesondere hinsichtlich der abendlichen Eigentümerversammlungen. Kolleginnen und Kollegen beklagen, dass sie den dringend benötigten Fachkräften vor dem Hintergrund zu niedriger Verwaltervergütungen nicht das geforderte Gehalt zahlen können. Das vom Unternehmer gewünschte Qualitätsniveau der Dienstleistung wird vom Personal nicht hinreichend umgesetzt, sodass Kunden unzufrieden sind, was wiederum eine ungünstige Verhandlungssituation im Hinblick auf Vergütungserhöhungen schafft.

Was aus meiner Sicht aber auch zutrifft ist, dass viele Immobilienverwaltungen überwiegend kein Personalkonzept haben, damit also keine längerfristige Planung des Personalbedarfs und der daraus resultierenden erforderlichen Maßnahmen, kein Personalentwicklungskonzept und kein Vergütungskonzept. Gehandelt wird daher oft aus der Not heraus: Es wird also versucht, das Personalproblem erst dann zu lösen, wenn es sich stellt, erwartungsgemäß mit eher unbefriedigendem Ergebnis.

Ein Beispiel aus der Region
Ich unterstelle, dass wir schon jetzt zu wenig Fachkräfte in den Hausverwaltungen haben, des Weiteren, dass auch auf dem Arbeitsmarkt die benötigten Fachkräfte nicht in ausreichender Zahl zu finden sind und dass auch die „Umschulung“ fachfremder Kräfte in der aktuellen Situation keine Lösung ist. Wenn diese Annahmen nicht ganz verkehrt sind, lohnt der Blick auf die Ausbildungssituation in der Branche. Die folgenden Zahlen erheben keinen Anspruch darauf, die Situation umfassend zu beschreiben. Sie liefern aber Anhaltspunkte.

Im gesamten Kammerbezirk der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld mit insgesamt ca. 113.000 Unternehmen gliedert sich die Immobilienwirtschaft wie folgt auf: Im Bereich „Vermittlung von Wohngrundstücken, Wohngebäuden und Wohnungen sowie Gewerbegrundstücken und Nichtwohngebäuden für Dritte“, also vereinfacht im Feld der Immobilienmakler, verzeichnet die IHK im Jahr 2019 654 Unternehmen. Im Bereich „Verwaltung von Wohngrundstücken, Wohngebäuden und Wohnungen sowie Gewerbegrundstücken und Nichtwohngebäuden für Dritte“, also im Bereich der Immobilienverwaltungen, sind insgesamt 655 Unternehmen gelistet. Demgegenüber stehen die Zahlen der neu eingetragenen Ausbildungsverhältnisse für den Beruf „Immobilienkaufmann/-frau“ für die Jahre:

  • 2018 = 55 Ausbildungsverhältnisse
  • 2019 = 57 Ausbildungsverhältnisse
  • 2020 = 62 Ausbildungsverhältnisse

Gehen wir davon aus, dass die Hälfte der Azubis bei Maklern ausgebildet wird und darüber hinaus auch die regionalen Wohnungsbauunternehmen stets mehrere Azubis im Verwaltungsbereich haben, so bleiben für die übrigen Immobilienverwaltungen höchstens 20 neue Ausbildungsverhältnisse pro Jahr übrig. Weil aber nicht alle  auch die Ausbildung tatsächlich beenden werden und die Absolventen nicht wirklich alle dazu geeignet sind, weiterhin in der Immobilienverwaltung zu arbeiten, reduziert sich die Zahl der zu erwartenden Fachkräfte weiter.

Auch wenn bei dieser Betrachtung sicherlich statistische Unsicherheiten bestehen, ergibt sich zunächst das folgende Szenario: 655 Immobilienverwaltungen im Kammerbereich der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld bilden pro Jahr weniger als 20 potenzielle Fachkräfte aus! Und das, obwohl unabhängig von der Unternehmensgröße für alle gilt, dass eine qualitativ gute Dienstleistung in der Immobilienverwaltung auch nur mit qualifizierten Mitarbeitern zu erbringen ist. Selbst der Anteil der sogenannten Einzelkämpfer, die kein Personal beschäftigen, schmälert vor dem Hintergrund dieses zahlenmäßigen Missverhältnisses das Problem nicht.

Der Vergleich mit dem ­Marktpotenzial
Im Zuge einer Marktanalyse für unser eigenes Unternehmen habe ich vor einigen Jahren versucht, mithilfe der Zahlen des Zensus 2011 die Zahl der Verwaltungseinheiten in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) innerhalb eines Radius’ von rund 20 km um Bielefeld zu ermitteln. Der von mir gewählte Bereich entspricht nicht dem Kammerbezirk der IHK. Er ist auf jeden Fall kleiner, sodass die Zahl der Verwaltungseinheiten im Kammerbezirk signifikant größer sein dürfte. Nichtsdestotrotz ergab sich, dass es in den neun Städten und großen Gemeinden dieses Einzugsgebiets 28.357 WEG mit 115.138 Wohneinheiten gibt. Das bedeutet, dass diesen vermutlich deutlich mehr als 115.000 Wohneinheiten wiederum nur ca. 20 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge pro Jahr gegenüberstehen. Hinzu kommt das erhebliche Verwaltungsvolumen im Bereich der Miet-, der Sondereigentums- und der Gewerbeverwaltung.

Hier wird es ganz dünn.
Das 8. VDIV-Branchenbarometer kommt im Rahmen der Jahresumfrage 2020 zu dem Ergebnis, dass insgesamt nur 29,9 Prozent der teilnehmenden Unternehmen ausbilden. Dabei sind die Großunternehmen besonders ausbildungsstark, die kleinen und mittleren Unternehmen sind hier deutlich schlechter aufgestellt. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass 52,2 Prozent der Unternehmen offensichtlich auch keinen Bedarf für die Ausbildung von Nachwuchskräften sehen! Augenscheinlich besteht in diesen Unternehmen zumindest aktuell kein Personalbedarf, und eine längerfristige Personalplanung scheint hier kein Thema zu sein.

Digitalisierung und Personal
Für die Digitalisierung von Prozessen in der Immobilienverwaltung bietet der Markt Technologien, Know-how und Beratungsleistungen. Geschwindigkeit und Grad der Digitalisierung im jeweiligen Unternehmen werden daher maßgeblich von der Investitionsbereitschaft und der internen Gewichtung des Themas bestimmt. In jedem Fall können messbare Digitalisierungsschritte in überschaubaren Zeiträumen vollzogen werden. Für die aktuelle und vor allem künftige hinreichende Personaldeckung von Immobilienverwaltungen hingegen bietet der Markt zurzeit nicht genügend Ressourcen!

Zunächst einmal dauert die Ausbildung von Immobilienkaufleuten in einem Immobilienverwaltungsunternehmen in der Regel drei Jahre. Um zu einer wirklich qualifizierten Fachkraft der Verwaltung zu werden, die u. a. auch Eigentümerversammlungen leiten kann, sind noch einmal mindestens zwei Jahre berufliche Praxis erforderlich, insgesamt ergibt sich so also eine Vorlaufzeit von fünf Jahren!

Hinzu kommt, dass die Digitalisierung von Prozessen Anforderungen mit sich bringt, die die Mitarbeiter umsetzen müssen. Ohne eine fundierte Ausbildung können sie auch das „digitalisierte Tagesgeschäft“ nicht erfolgreich und zum Nutzen der Kunden sowie des Unternehmens gestalten. Meines Erachtens können wir den Fachkräftemangel in der Immobilienverwaltung mit der Problematik der angespannten Wohnungsmärkte vergleichen. Wohnraummangel kann nur durch den Bau neuer Wohnungen behoben werden, und unser Fachkräftemangel kann nur durch die verstärkte Ausbildung entschärft werden. Es ist bereits fünf vor zwölf! Wir müssen handeln.

Was ist zu tun?

1. Wir müssen versuchen, das Thema und das Problem zahlenmäßig so gut wie möglich zu erfassen.

2. Wir müssen daraus ableiten, wie viele Auszubildende wir in jedem der nächsten Jahre brauchen.

3. Wir müssen auf dieser Basis konzeptionelle und inhaltliche Maßnahmen entwickeln, um diese Zahl an Auszubildenden auch wirklich zu erreichen. Wir brauchen eine Ausbildungsoffensive.


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Klingenberg, Thomas

Der Diplom-Pädagoge ist Mitinhaber von Immoagent aus Bielefeld und Ausbilder für Immobilienkaufleute
www.immoagent.info