04.05.2020 Ausgabe: 2/20

Eventueller Unterlassungsanspruch gegen Mieter wegen Nutzung einer „Laden“-Fläche als Eisdiele? (BGH, Urteil vom 25.10.2019, Az. V ZR 271/18)

DAS THEMA
Der vorliegende Fall, über den der BGH letztens zu entscheiden hatte, behandelt zwei interessante Fragestellungen: Kann eine Fläche, die in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichnet wird, auch als Eisdiele mit Bestuhlung und Bedienung (auch im Außenbereich) vermietet und verwendet werden? Und hat die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Handhabe gegen den Mieter selbst, oder muss sie gegen den Vermieter als Eigentümer des Sondereigentums vorgehen? Hatte der BGH die zweite Frage bisher immer offengelassen, so hat er sich nun wie folgt festgelegt:

DER FALL
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beklagte zu 3 (nachfolgend „Beklagter“) ist Mieter einer im Erdgeschoß gelegenen Teileigentumseinheit, die im Eigentum der am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1 und 2 steht. In einer in der notariellen Teilungserklärung enthaltenen Regelung über die Nutzung der Einheit wird diese als „Laden“ bezeichnet. Der Beklagte betreibt darin eine Eisverkaufsstelle als Café mit Bestuhlung im und vor der Sondereigentumsfläche, in der er neben Eis auch Kaffeespezialitäten und Erfrischungsgetränke anbietet.

Die Wohnungseigentümer wollten diese Nutzung der Fläche nicht mehr dulden. Daher fassten sie auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 1. November 2016 den Beschluss, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit als Eisdiele zu beauftragen.

Das Amtsgericht hat der gegen den Beklagten gerichteten Klage auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb, insbesondere als Eisdiele, stattgegeben. Seine hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Die Revision jedoch hatte keinen Erfolg. Der BGH stellt klar fest, dass eine Einheit, deren Zweckbestimmung in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichnet ist, nicht als Eisverkaufsstelle mit Bestuhlung im Innen- und Außenbereich verwendet werden kann. Diese Ansicht begründet er damit, dass unter einem Ladenraum Geschäftsräume verstanden werden, in „denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten werden, bei denen aber der Charakter einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund stehe“. In einer bestuhlten Eisdiele mit Bedienung am Tisch werde jedoch der Kunde zum Gast – er werde zum Verweilen und zum sofortigen Verzehr der angebotenen Waren vor Ort eingeladen. Während bei einem Laden der Kauf der Ware im Vordergrund stehe, dominierten bei einer Eisdiele der Verbrauch der Speisen und Getränke, sowie die Kommunikation mit anderen Gästen.

Dies führe zudem zu einer höheren Belastung der übrigen Eigentümer, da durch das Verweilen der Gäste, durch die Kommunikation, durch das Benutzen von Besteck und Geschirr, durch das Rücken von Stühlen und durch das Bedienen der Kundschaft eine höhere Geräuschkulisse entstehe als bei einer Nutzung der Einheit als Ladengeschäft.

Da die Klägerin gegen den Mieter selbst vorgegangen war, musste sich der BGH zudem mit der Frage befassen, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft einen direkten Anspruch gegen diesen hat. Zum ersten Mal legte sich der BGH nun fest und entschied, dass ein solcher Anspruch durchaus besteht. Dieser gründet sich jedoch nicht auf dem WEG, da es sich nicht um eine geforderte Unterlassung im Innenverhältnis der Eigentümer handelt, sondern auf § 1004 Abs. 1 BGB. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat daher einen entsprechenden Anspruch auf Unterlassung der zweckwidrigen Nutzung der Teileinheit.

Der BGH folgte damit der Berufungsinstanz, die einen solchen unmittelbaren Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 BGB mit der Begründung bejaht hatte, dass die Nutzung der Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb, insbesondere als Eisverkaufsstelle, unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht unter den Begriff des Ladens subsumiert werden könne, wie er als Zweckbestimmung in der Teilungserklärung für diese Räumlichkeiten vorgesehen sei, und somit zweckwidrig sei.

Und weiter: Durch die Festlegung der Zweckbestimmung der Einheit als „Laden“ haben die Wohnungseigentümer eine inhaltliche Ausgestaltung des Sondereigentums getroffen. Diese Bestimmung beschränkt die Befugnis des Sondereigentümers im Verhältnis zu den anderen Sondereigentümern, sein Eigentum nach Belieben zu nutzen. Widerspricht nun die Nutzung einer Sondereigentumseinheit der Zweckbestimmung, so stellt es sich als (mittelbare) Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer dar – dies auch dann, wenn sie nicht durch den Eigentümer selbst, sondern durch dessen Mieter erfolgt. Eine Duldungsverpflichtung der Wohnungseigentümer besteht daher selbst dann nicht, wenn der Mieter vertraglich im Verhältnis zu seinem Vermieter zu einer solchen Nutzung berechtigt sein sollte. Denn der Sondereigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableitet, kann diesem nicht mehr an Rechten übertragen, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat.

VERWALTERSTRATEGIE
Der BGH hat in diesem Urteil klar festgestellt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft in dem Fall, in dem die Teilungserklärung eine Zweckbestimmung der Teileigentumseinheit beinhaltet und ein Mieter mit seinem Gebrauch dieser Teileinheit gegen diese Zweckbestimmung verstößt (selbst dann, wenn er dazu von seinem Vermieter, also dem Sondereigentümer berechtigt wurde), die Gemeinschaft einen direkten Unterlassungsanspruch gegen den Mieter gemäß § 1004 Abs. 1 BGB hat. Diese Frage hatte der BGH bisher ausdrücklich offengelassen, sich nun jedoch festgelegt.

Verwalter sollten daher auf das hohe Risiko einer zweckwidrigen Vermietung von Teileigentumseinheiten hinweisen. In vorliegendem Fall muss der Mieter, der die Fläche von dessen Vermieter, dem Sondereigentümer, als Eisverkaufsstelle angemietet hat, sein Geschäft schließen. Dies ist mit hohen finanziellen Ausfällen verbunden und birgt daher ein hohes Haftungsrisiko für den Sondereigentümer, der als Vermieter die Verantwortung für die ordnungsgemäße Benutzung seines Teileigentums trägt.

Foto: © Rob Stark / Shutterstock.com


Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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