01.06.2017 Ausgabe: 4/2017

Fälligkeit der Miete heißt nicht Eingang auf dem Konto

(BGH, Urteil vom 5.10.2016, Az.: VIII ZR 222/15)

DAS THEMA

Der verspätete Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters kann erhebliche Folgen haben, auch wenn es sich nur um wenige Tage handelt. Bei wiederholten Verspätungen kann die außerordentliche und auch eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses hierauf gestützt werden. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Miete wirklich am 3. Werktag des Monats bereits auf dem Konto des Vermieters gutgeschrieben sein muss, oder ob es genügt, dass der Mieter seinerseits alles getan hat, um einen rechtzeitigen Eingang der Miete sicherzustellen, wenn eine Verzögerung auf Seiten der an den Überweisungen beteiligten Banken auftrat. In der im Folgenden zu besprechenden wegweisenden Entscheidung stellt der BGH klar, dass es in einem Wohnraum-Mietverhältnis genügt, wenn der Mieter rechtzeitig, also spätestens am 2. Werktag des Monats, die Überweisung bei seiner Bank veranlasst, und dabei sicherstellt, dass sein Konto ausreichend gedeckt ist.

DER FALL

Im entschiedenen Fall hatte der Mieter bereits eine Abmahnung erhalten, da die Miete in einigen Monaten nicht rechtzeitig auf dem Konto des Vermieters eingegangen war. Als dies wenige Monate darauf nochmal passierte, stützte der Vermieter eine ordentliche Kündigung auf diese erneute Verspätung. Der Mieter hatte allerdings nachweislich spätestens am 3. Werktag des Monats jeweils die Miete in bar auf sein Konto eingezahlt und gleichzeitig den Überweisungsauftrag bei seiner Bank erteilt. Der BGH hat den Räumungsanspruch zurückgewiesen und die Zahlungsverzugskündigung für unwirksam erklärt. Er stützt sich hierbei zunächst auf den Wortlaut des Gesetzes, § 556b Abs. 1 BGB, nach dem die Miete bis zum 3. Werktag des Monats zu „entrichten“ ist. Dies heißt nicht zwingend, dass die Miete auch zu diesem Zeitpunkt auf dem Konto des Vermieters eingegangen sein muss. Die Miete ist, wie andere Geldschulden auch, eine sogenannte „qualifizierte Schickschuld“, die zwar am Wohnsitz des Mieters zu erfüllen ist, bei der der Mieter jedoch gemäß § 270 Abs. 1 BGB die Verlustgefahr trägt. Er hat nämlich das Geld auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Nach der wörtlichen Auslegung des BGH erfasst § 270 BGB jedoch nicht die Gefahr einer Verzögerung. Es genügt, wenn der Schuldner rechtzeitig alles getan hat, was an seinem Wohnsitzort erforderlich ist, um den Gläubiger zu befriedigen. Der Schuldner ist jedoch nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass der Leistungserfolg, also die Gutschrift, auf dem Konto des Vermieters auch rechtzeitig eintritt. Die beteiligten Banken sind nicht die Erfüllungsgehilfen des Mieters, und deren Versäumnisse können dem Mieter nicht zugerechnet werden.

Die 2. Zahlungsverzugsrichtlinie (EU-Richtlinie 2011/7/EU vom 16.2.2011), die Rechtsprechung des EuGH sowie die Umsetzung der ersten Zahlungsverzugsrichtlinie im Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 ändern hieran für Wohnraummietverträge mit Verbrauchern nichts, weil diese nicht der neuen Zahlungsverzugsrichtlinie unterfallen und das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts aus dem Jahr 2001 nicht zu Lasten von Verbrauchern umgesetzt werden sollte.

Weiter prüft der BGH eine Klausel, die in sehr vielen Mietverträgen als Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgesehen ist, und wonach es „für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes“ ankommt. Vor dem Hintergrund der gesetzlich angeordneten „qualifizierten Schickschuld“ verwirft der BGH diese Klausel als formularvertraglich unwirksam. Diese Klausel könnte bei kundenfeindlichster Auslegung so verstanden werden, dass dem Mieter ein unpünktlicher Zahlungseingang zugerechnet wird, selbst wenn sich dieser nur aufgrund eines Verschuldens des Zahlungsdienstleisters verzögert.

Für Gewerbemietverträge mit Kaufleuten weist der BGH allerdings ausdrücklich auf eine frühere Rechtsprechung hin, nach der eine solche Formularklausel zwischen Kaufleuten sehr wohl wirksam ist. Dies entspricht auch der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie aus 2011. Eine entsprechende Verschärfung im Gewerberaummietrecht durch die – schon bisher übliche – Formularklausel ist daher möglich und wirksam.

Verwalter­strategie

In zukünftig abzuschließenden Wohnraummietverträgen könnte die Klausel, wonach die Zahlung nur pünktlich geleistet ist, wenn das Geld rechtzeitig beim Vermieter eingegangen ist, wirksam gemacht werden durch eine Einschränkung, wonach der Mieter hierbei nicht für bankseitige Verzögerungen einzustehen hat. Fraglich ist allerdings, ob eine solche erweiterte Klausel tatsächlich notwendig ist, denn dies ergibt sich auch aus der Gesetzeslage und der jetzigen Rechtsprechung des BGH: Der Vermieter ist ja bei verspätetem Eingang der Miete außerstande zu prüfen, ob dies aufgrund einer verzögerten Handlung des Mieters (verspätete Überweisung oder nicht gedecktes Konto) passiert ist, oder trotz rechtzeitiger Überweisung wegen einer Verzögerung bei der Bank. Der Mieter wird daher im Zweifelsfall immer nachweisen müssen, dass er seine Anweisung an die Bank rechtzeitig getätigt hat. Diese Beweislast besteht entsprechend auch in einem Kündigungsschutzprozess, wobei das Risiko, dass der Nachweis gelingt, den Vermieter trifft. Im Gewerberaummietrecht bleiben die Fristen weiterhin scharf, da hier beide EU-Richtlinien gelten und daher auch die üblichen Klauseln ­weiterhin ­wirksam bleiben.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.