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Wissenswertes zu Abgrenzung, AGB-Sicherheit und Schriftform von Gewerbemietverträgen
Im Gewerberaummietrecht herrscht weitreichende Gestaltungsfreiheit, viele Regulatorien des Wohnraummietrechts finden hier nach § 578 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) keine Anwendung. Diese Freiheit birgt jedoch auch einige Fallstricke bei der rechtswirksamen und risikofreien Gestaltung von AGB-Klauseln, also vorformulierter Vertragsklauseln, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gelten. Rechtsverlust, besonders für den Vermieter, bringen in unserer Praxis zudem unklare, uneinheitliche Regelungen, die zu Abgrenzungsproblemen von Gewerberaum- zu Wohnmietverträgen führen. Ein Überblick.
Vorteile im Gewerberaummietrecht sind z. B. die Be-stimmbarkeit der Laufzeit, da die Beschränkung der Wohnraum-Zeitmietverträge aus § 575 BGB nach § 578 Abs. 1, 2 BGB nicht anwendbar ist. Ohne eine Laufzeitbestimmung ist wiederum die ordentliche Kündigung ohne die Beschränkungen der §§ 573 ff. BGB, wie etwa Angabe der Kündigungsgründe, möglich. Zudem greift im Wohnraummietrecht u. a. die gesetzliche Beschränkung der Mieterhöhung – nicht so im Gewerberaummietrecht; im Wohnraummietrecht ist nach § 553 BGB die Untervermietung nur eines Teils des Mietobjekts möglich, und es besteht ein Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung – anders als im Gewerberaummietrecht i. S. d. § 540 BGB.
Einige Abgrenzungskriterien bei unklaren Vereinbarungen bzw. Nutzungen: Die Bezeichnung als Wohnraum- oder Gewerbemietvertrag ist nicht unbedingt maßgebend (OLG Frankfurt ZMR 2011, 119). Eine Mitarbeiterwohnung dient nicht den Wohnzwecken des Geschäftsführers einer GmbH. Ein Mietverhältnis über gemischt genutzte Räume (z. B. Wohnraum und Geschäftslokal; Wohnraum und Garage) ist als Wohnraummietverhältnis zu qualifizieren, wenn nach dem Willen der Parteien der Schwerpunkt der Nutzung auf der Wohnraumnutzung liegen soll oder der Wohnzweck gegenüber dem gewerblichen Zweck zumindest gleichwertig ist.
Immer wieder stoßen wir jedoch in unserer Praxis, z. B. bei Untervermietung zu Wohnzwecken, auf uneinheitliche Vertragsregelungen; die Mietverträge müssen dann gerichtlich ausgelegt werden.
Der Vermieter sprach seinem Mieter, der Wohnungen zu Zwecken des Wohnens untervermietet, die ordentliche Kündigungen aus. Dabei wurden Vertragsformulare mit der Überschrift „Mietvertrag über Wohnraum“ verwendet, die unsorgfältig angepasst wurden und sowohl Regelungen aus dem Wohn- als auch aus dem Gewerberaummietrecht enthielten. Insbesondere wurden in Bezug auf die Kündigung nur die Frist nach § 573c BGB sowie die Schriftform nach § 568 Abs. 1 BGB vereinbart, nicht jedoch die Angabe sämtlicher Kündigungsgründe und der Hinweis auf das Widerspruchsrecht gemäß § 574 BGB. Der Fall musste gerichtlich ausgetragen werden. Das Kammergericht (KG) bestätigte das Urteil des Landgerichts Berlin: Die ordentlichen Kündigungen sind wirksam (KG, Beschluss vom 5.6.2023, Az. 8 U 170/22). Die Mieter zogen vor den Bundesgerichtshof (BGH), eine endgültige Entscheidung steht noch aus! Der Fall zeigt anschaulich, dass eine klare, eindeutige Vertragsregelung unentbehrlich ist.
Damit die Vereinbarungen auch im Streitfall einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, müssen die Regelungen gerade in Formular-Verträgen AGB-rechtskonform sein. Denn sie werden regelmäßig durch Gerichte für unwirksam erklärt. Dies betrifft u. a. Regelungen zu Mieterhöhung, Umlage von Nebenkosten (Stichwort: Centermanagement- gegen Verwaltungskosten), Betriebspflichten, Konkurrenzschutzklauseln und viele mehr. Bestehen Zweifel, müssen die Klauseln überprüft und angepasst werden. Im Zuge einer sich ständig fortentwickelnden Rechtsprechung könnten dabei Regelungen, die bislang immer verwendet wurden, inzwischen für unwirksam erklärt worden sein. Eine Überprüfung ist daher nicht nur bei neuen, sondern auch bei bestehenden Verträgen regelmäßig ratsam.
Bei Unsicherheit können die Parteien zudem auf Individualvereinbarungen ausweichen: Nach § 305 Abs. 3 BGB liegen AGB nicht vor, wenn die Bedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind. Aber Achtung: Hierfür müssen die Klauseln nicht bloß erörtert oder verhandelt, sondern obendrein ernsthaft zur freien Entscheidung der anderen Partei gestellt werden. Um einer gerichtlichen Prüfung standzuhalten, muss das Aushandeln zum Beweis der Individualvereinbarung am besten schriftlich dokumentiert sein.
Die Folge von unwirksamen Vereinbarungen wesentlicher Vertragselemente kann der Wegfall der Schriftform sein. Mindestens folgende Vertragselemente sind wesentlich: Objekt, Vertragsparteien, Vertragsdauer, Miete und Nebenkosten sowie Untervermietung. Bei Wegfall der Schriftform gilt auch ein Gewerbemietvertrag nach den §§ 578, 550 BGB als unbefristet, da ggf. vereinbarte Laufzeiten entfallen. Damit kann der Vertrag ohne Gründe mit der Kündigungsfrist des § 580a Abs. 2 BGB gekündigt werden. Bei großen Gewerbeobjekten mit Mietlaufzeiten von über zehn Jahren kann das einschneidende betriebliche Folgen haben, auch für den Vermieter.
Achtung auch bei unwirksamen Regelungen in Nachträgen: Ein formunwirksamer Nachtrag entfaltet die sogenannte „infektiöse Wirkung,“ d. h. er lässt die Schriftform des ursprünglichen Mietvertrags und ggf. früherer Nachträge ebenfalls entfallen.
Zur Wahrung der Schriftform müssen ein Nachtrag und eine Nebenabrede zudem deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll (BGH, Urteil vom 26.2.2020, Az. XII ZR 51/19).
Das Gewerberaummietrecht bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, birgt aber auch rechtliche Risiken. Eine klare und eindeutige Vertragsregelung ist unerlässlich, um Streitigkeiten zu vermeiden. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Vertragsbedingungen ist erforderlich, um den sich ändernden rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Nur so können Vermieter und Mieter ihre Rechte wirksam durchsetzen und rechtliche Unsicherheiten vermeiden.
Rechtsanwältin, Salary Partnerin Kanzlei Leinemann Partner Rechtsanwälte, Berlin