22.04.2022 Ausgabe: vdivDIGITAL 2022

(Fast) vom Schreibtisch aus - Erfüllung der Betreiberpflichten beim digitalen Aufzugsmanagement

Durch die Digitalisierung las­sen sich heute nahezu alle Aspekte des Gebäudemanagements neu strukturie­ren. Im Bereich Aufzugsmanagement revolutionieren moderne Internet-of-Things-Technologien Verwaltung, Betrieb und Wartung. Mit dem Einzug neuer Technologien wird jedoch die Technik neuer Aufzüge zunehmend komplexer. Auch die gesetzlichen Anfor­derungen zur Überwachung von Auf­zugsanlagen steigen seit Jahren stetig an und können für viele Betreiber zur Herausforderung werden.

Für all diese Themenfelder benötigen Betreiber von Aufzugsanlagen gute Strategien, wie sie ihren Betreiberpflichten verantwortungsvoll und effizient nachkommen können. Ein Leitfaden kann dabei helfen. Eine gute Nachricht dabei vorab: Betreiber müssen nicht alles selbst machen. Viele der Aufgaben können an externe Ingenieurbüros und andere Dienstleister vergeben werden. Betreiber sollten jedoch sicher­stellen, dass sie Aufgaben an Firmen und Dienstleister delegieren, die sach- und fachkundig sind, sowie über die notwendigen Kapazitäten verfügen, die Aufgaben zu erfüllen.
 

Betreiber entscheidend sind:

  1. Betreiber müssen regelmäßig kontrollieren, ob die Aufzugs­anlage offensichtliche Mängel . aufweist und prüfen, ob deren sichere Verwendung beeinträchtigt wer­den könnte. Diese Kontrollen müssen dokumentiert und an der Anlage zur Einsicht hinterlegt werden. Betreiber müssen dabei bestimmen, wer wie oft und in welchem Umfang die Technik an der Aufzugsanlage zu kontrollieren hat. Dies muss auch aus der getroffenen Gefährdungsbeurteilung hervorgehen.

    Die regelmäßige Kontrolle selbst lässt sich noch nicht vollständig digitalisieren, aber es gibt zwei Teil-Möglichkeiten:

    \ Einsatz eines digitalen elektroni­schen Aufzugswärters für Betriebs­kontrollen: Dieser kontrolliert kontinuierlich den Aufzug und meldet Anomalien, sobald sie auftreten. Aber Achtung: Diese Methode ersetzt nicht die persön­lichen Kontrollen, sondern ver­längert nur das Intervall zwischen zwei Kontrollen. Im Idealfall fällt das Kontrollintervall mit dem War­tungsintervall zusammen (maximal drei Monate).


    \ Die Person, welche die Kontrol­len durchführt, protokolliert elek­tronisch den Besuch und stellt die Daten in ein Portal ein. Betreiber werden dann kontaktiert, sobald Abweichungen vorliegen oder wenn die Kontrollen überfällig sind.

     
  2. Betreiber müssen sicherstel­len, dass bei offensichtlichen Mängeln und nach deren . Beseitigung nur qualifizierte Personen, die mit der Aufzugsanlage vertraut sind, diese außer bzw. wieder in Betrieb nehmen dürfen. Die Quali­fikationsnachweise der ausführenden Personen könnten hierzu beispiels­weise elektronisch in einer Aufzugsakte abgelegt werden.

     
  3. Ein Instandhaltungsvertrag muss vom Betreiber abge­schlossen werden. Dabei ist es wichtig, den Umfang und die Häufigkeit von Wartung und Inspektion vertraglich festzuhalten. Beides orien­tiert sich an der Art und Intensität der Nutzung unter Berücksichtigung der Aufzugsart, der technischen Ausfüh­rung, der Ausrüstung und den Betriebs­bedingungen (Art, Umfang, Intensität). Digital ist, wenn das Aufzugsunter­nehmen die Tätigkeitsnachweise elek­tronisch zur Verfügung stellt und im Idealfall sogar in einem Betreiber-Portal ablegt. Damit kommen Betreiber ihrer Sekundärüberwachung, ob Wartungen, Instandsetzungen oder Notbefreiungen stattgefunden haben, vom Schreibtisch aus nach. Das System könnte ebenso informieren, wenn die Intervalle über­schritten oder notwendige Maßnahmen erforderlich werden. Notwendige Maß­nahmen müsste ein solches KI-unter­stütztes System erkennen können.

     
  4. Die Betreiber sind für die Durchführung der wieder­kehrenden Prüfungen verantwortlich. Dabei ist die Art der Aufzugsanlage zu beachten. Handelt es sich z. B. um eine direkt-hydraulische Anlage, bei der der Heber im Erdreich in einem Schutzrohr steht, ist noch eine zusätzliche Prüfung nach Wasser­haushaltsgesetz notwendig. Wenn es sich um eine Aufzugsanlage ohne Per­sonentransport handelt, muss zudem eine Prüfung der elektrischen Sicher­heit erfolgen. Dies alles kann in einem digitalen Portal dargestellt und über­wacht werden. Dies gilt sowohl für das Wartungsunternehmen als auch für die beauftragte Prüforganisation. Prüf­bescheinigungen sollten automatisch elektronisch zugesandt und sofort aus­gewertet werden, um daraus umgehend automatisierte Maßnahmen einzulei­ten. Die Prüforganisation ist hierbei gefordert alle Tätigkeiten wie Terminankündigungen, Terminabstimmungen und Prüfergebnisse elektronisch zu verwalten und zu übertragen. Bei Mängeln ist nicht nur der Betreiber zu informieren, sondern auch der Instandhalter, damit dieser sofort mit der Mängelbehebung starten kann. Nach dem Abschluss der Arbeiten zur Mängelbeseitigung sollte wiederum die Wartungsfirma nicht nur automatisch den Betreiber, sondern auch die Prüforganisation informieren, damit gegebenenfalls eine Nachprüfung fristgerecht stattfinden kann.

     
  5. Betreiber haben sicherzustel­len, dass eine Gefährdungs­beurteilung (GBU) aktuell .gehalten wird. Dabei ist zu beachten, dass die GBU alle vier bis fünf Jahre aktualisiert werden muss. Liegt diese als elektronische Akte vor, können die Verantwortlichen jeden Punkt mit Maßnahmen und Zeiten versehen, die dann in einen Maßnah­men- und Budgetplan münden. Ziel ist es, diese jeweils nach den erforder­lichen Umsetzungen automatisiert als erledigt zu markieren, um eine aktua­lisierte GBU wiederum automatisiert aktuell zu halten. Nach vier Jahren sollte automatisch eine Erinnerung zur Aktualisierung der GBU generiert werden.

     
  6. Die sich aus der Gefähr­dungsbeurteilung ergeben­den Maßnahmen müssen von den Betreibern zur Umset­zung beauftragt werden. Nach Umset­zung der Maßnahmen ist meist eine Abnahme der Arbeiten durch eine Zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS) vorgeschrieben und anschließend die Aktualisierung der Gefährdungsbeurtei­lung. Die Verfolgung der Umsetzung der Maßnahmen und Dokumentation sollte digitalisiert und transparent in einer Portfolioansicht dargestellt werden.

     
  7. Die Betreiber müssen dafür Sorge tragen, dass im Fahr­korb der Aufzugsanlage ein Zwei-Wege-Kommunikations­system, beispielsweise ein Fernnotrufsystem, installiert ist, über das der Notdienst, die Notrufzentrale und der Befreiungsdienst ständig erreicht werden können. Außerdem muss der ständige Zugang zur Aufzugsanlage sichergestellt sein, wie zum Beispiel durch ein Schlüsseldepot oder durch die Digitalisierung des Gebäudezu­gangs. Dafür können gegebenenfalls unterschiedliche Verträge mit unter­schiedlichen Dienstleistern notwen­dig werden. Mehr dazu kann über das Instandhaltungsunternehmen oder das betreuende Ingenieurbüro in Erfahrung gebracht werden.

     
  8. Betreiber müssen die Vollstän­digkeit der Dokumentation im Blick behalten und dafür sorgen, dass sie am Betriebsort des Aufzugs verfügbar ist. Zur Doku­mentation gehören: technische Unter­lagen (Neuanlagen-Dokumentation), Betriebsanleitung, Hinweise zur Perso­nenbefreiung, Prüfberichte, Wartungs­nachweise, Nachweise zur beauftragten Person (Aufzugswärter), Protokoll der Kontrollen durch die beauftragte Person und Angaben zum bestimmungsgemä­ßen Betrieb.

    Jedes Dokument kann dabei digitali­siert und via Link den Beteiligten an der Anlage zur Verfügung gestellt wer­den. Dies kann beispielsweise über einen QR-Code umgesetzt werden.

     
  9. Auch wenn Betreiber vorgenannte Pflichten an einen externen Dienstleister delegieren, müssen sie ihn zusätzlich immer noch kontrollieren (Sekundär­überwachung). Das geht zunehmend digital vom Schreibtisch aus. Anhand Ampeldarstellung könnte hierbei sofort erkannt werden, ob alles im grünen Bereich ist, an welcher Stelle noch etwas zu erledigen ist und wo dringenderer Handlungsbedarf besteht.
Lindert, Lars

Head of Elevator FM & Lifecycle Management Simplifa GmbH