03.06.2014 Ausgabe: 4/2014

Flach, aber oho!

Flachdächer gelten gemeinhin als problematisch – zu Unrecht, wenn man bei Planung, Wartung und Sanierung die Grundregeln beherzigt.

Regen, Eis, Sturm und Schnee, Temperaturschwankungen und UV-Einstrahlung setzen vor allem Flachdächer enormen Belastungen aus. Im Gegensatz zu Dächern mit regensicher ausgebildeten Eindeckungen, müssen Dächer mit Abdichtungen bis zur Oberkante der An- und Abschlüsse wasserdicht ausgeführt sein, was erheblich höhere Anforderungen an die Werkstoffe und die Ausführung durch den Dachbauhandwerker bedeutet. Um ihnen gerecht zu werden, sollten schon in der Planungsphase wesentliche Aspekte berücksichtigt werden. Dabei wird nicht zwischen Neubau und Bauen im Bestand unterschieden, denn hier macht die Flachdachrichtlinie als Fachregel für Abdichtungen keine Unterschiede.

Das gilt für nicht genutzte Dachflächen:

Seit der Novellierung der Flachdachrichtlinie im Jahr 2008 wird der Begriff „Sonderkonstruktion“ im Zusammenhang mit gefällelosen Konstruktionen nicht mehr erwähnt. Man unterscheidet nunmehr zwischen der Anwendungskategorie K1 (Standard-Dachkonstruktion) und der Anwendungskategorie K2 (höherwertige Dachkonstruktion). Gefällelose Ausführungen oder Ausführungen mit einem Gefälle von weniger als 2 Prozent sind regelkonform, bedürfen aber zur Kompensation des fehlenden oder geringen Gefälles hochwertigerer Werkstoffe. So müssen bei Abdichtungen mit Kunststoffbahnen dickere Materialqualitäten gewählt werden. Bei bituminösen Abdichtungen sind – unabhängig von der Beanspruchungsklasse – mindestens zweilagige Abdichtungen mit Bahnen der Eigenschaftklasse E1 zu verwenden. Eine solche Dachabdichtung wird in die Anwendungskategorie K1 gestuft.

Um die Anwendungskategorie K2 zu erfüllen, muss bei Dächern mit Abdichtungen in der Fläche ein Gefälle von mindestens 2 Prozent in fertiger Leistung vorhanden sein, in Kehlbereichen ein Mindestgefälle von 1 Prozent.

Bei gering geneigten Dachflächen empfiehlt sich zusätzlich eine Kiesschüttung oder alternativ eine extensive Dachbegrünung. Sie vermindert auf den Oberlagen der Abdichtungsbahnen das Risiko von Craquelé-Rissen, ähnlich einer Krokodilhaut, in den Randbereichen von Pfützen, die immer wieder abtrocknen und anfeuchten. Nachteil einer Kiesschüttung ist jedoch häufig auftretender unerwünschter Pflanzenwuchs, der höheren Wartungsbedarf mit sich bringt. Als Vorteil ist wiederum die Halbierung des Abflussbeiwertes zu nennen, so dass beim Bauen im Bestand die Zahl der vorhandenen Dachabläufe unverändert bleiben kann. Unabhängig davon sind bei innenliegenden Entwässerungen grundsätzlich Notüber- und -abläufe vorzusehen, auch wenn sie im Bereich der Attika auf die Gebäudeaußenseite geführt werden. Die Anzahl und Dimensionierung sowie die Höhe der Notüber- bzw. -abläufe über der eigentlichen Entwässerungsebene und die Lage werden vom Statiker ermittelt.

Wärmedämmungen auf nicht genutzten, einschaligen Dachflächen müssen mindestens druckbelastbar sein. Dämmstoffe aus extrudiertem Polystyrol (XPS) werden üblicherweise nicht unterhalb der Abdichtung angeordnet, da ihre thermischen Längenänderungen die Abdichtung beschädigen können. Durch die Anordnung von Trennlagen lässt sich dies verhindern. XPS-Dämmstoffe kommen insofern meist als Umkehrdämmungen unterhalb einer Auflast zum Einsatz.

Gerade im Bestand gibt es noch viele Dächer, die zweischalig, belüftet konstruiert sind. Im Zuge von energetischen Sanierungen ist häufig die Umwandlung in einschalige, nicht belüftete Abdeckungen vorgesehen. Hiervor muss jedoch zunächst ausdrücklich gewarnt werden. Maßgebliche Veränderungen der Konstruktion, insbesondere in bauphysikalischer Hinsicht, führen sehr schnell zu erheblichen Schäden, die in vielen Fällen nur durch einen vollkommenden Rückbau saniert werden können. Es empfiehlt sich, unbedingt ­Fachplaner und Bauphysiker zur Unterstützung bereits in der Planungsphase hinzu zu ziehen.

Das gilt für genutzte Dachflächen und Dachterrassen:

Genutzte Dachflächen und Dachterrassen werden nach der Novellierung inzwischen ebenfalls in der Fachregel für Abdichtungen ausgeführt. Sie unterliegen aber nach wie vor der DIN 18195-5 (Bauwerksabdichtung gegen nicht drückendes Wasser). Ein wesentliches Merkmal ist hierbei, dass die Norm zunächst kein Gefälle kennt. Es ist „lediglich“ die Rede von der Wasserabführung auf kurzen Wegen. Sie kann in diesem Fall nur durch die Erhöhung der Anzahl der Dachabläufe, nicht durch ein Gefälle realisiert werden. Hier ist besonders darauf zu achten, dass der aufliegende Belag durch auf der Abdichtung verbleibendes Restwasser keinen Schaden wie z. B. dauerhafte Verfärbungen oder Salzausblühungen etc. nimmt. Bei den für Bauwerksabdichtungen zugelassenen Werkstoffen ist die Zusatzbezeichnung „BA“ wesentlich. Wärmedämmstoffe müssen mindestens die Druckbelastbarkeit „dh“ (hohe Belastbarkeit) oder „ds“ (sehr hohe Belastbarkeit) aufweisen. Bei einlagigen Abdichtungen aus Kunststoff- oder Elastomerbahnen ist grundsätzlich oberhalb der Abdichtung eine Schutzschicht anzuordnen.

Die Erfahrung zeigt, dass Dächer mit Abdichtungen nur sehr selten in den Flächenbereichen undicht werden. Ursächlich für eindringendes Niederschlags- bzw. Schmelzwasser sind überwiegend Schäden oder mangelhafte Ausführungen in den Anschlussbereichen und den Andichtungen an Durchdringungen. Erforderliche Reparaturen können bei bituminösen Dachabdichtungen problemlos mit Werkstoffen für die Oberlage ausgeführt werden, wobei dringend im Vorfeld zu unterscheiden ist, ob es sich um eine Elastomerbitumenbahn oder um eine Plastomerbitumenbahn handelt. Reparaturen an Abdichtungen mit Kunststoffbahnen sollten ausschließlich mit gleichartigen Materialien erfolgen, da es andernfalls zu unzureichend verschweißten Nahtverbindungen kommen kann.

Regelmäßige ­Wartung zahlt sich aus.

Um notwendige Reparaturen von Dachflächen mit Abdichtungen rechtzeitig zu erkennen oder um größere Schäden durch präventive Maßnahmen zu verhindern, sollten Flachdächer sinnvoller Weise regelmäßig fachmännisch inspiziert und gewartet werden. Dazu gehört z. B. eine regelmäßige Reinigung der Dachabläufe. Je nach Dachform und Lage des Objekts sollte sie ein- bis zweimal jährlich durchgeführt werden. Fachbetriebe bieten hierzu Wartungsverträge an, in denen der Umfang der erforderlichen Arbeiten festgeschrieben ist, um den einwandfreien Bestand auf lange Sicht zu gewährleisten.

Buchtipp

„Ein Flachdach ist nicht dicht zu bekommen“ ist eine häufig getätigte Aussage, die sich bei Bauherren, Architekten und so manchem Dachdecker hartnäckig hält. „Flachdächer sind dicht zu bekommen“ – sagt Stefan Ibold, Autor von „Schäden am Dach“. „Es ist nur eine Frage der Qualität von Planung und Ausführung und nicht zuletzt eine der Anforderungen, die an die Abdichtung gestellt werden“.

Stefan Ibold: Schäden am Flachdach – erkennen, bewerten, instand setzen, 180 Seiten, 2012, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, ISBN 978-3-481-02980-7, 59,00 Euro

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Ibold, Stefan

Der Dachdeckermeister und zertifizierte Energieberater ist Autor zahlreicher
Fachartikel und -bücher.
www.planungsgruppe-dach.de