09.12.2024 Ausgabe: 8/2024

Fristlose Kündigung eines gewalttätigen Mieters auch ohne Abmahnung möglich

Symbolbild Rechtsprechung Mietrecht mit Anwältin und Hammer
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Die Abmahnung ist nicht zwingend Voraussetzung einer fristlosen Kündigung gegenüber einem gewalttätigen Mieter. (LG Berlin II, Beschluss vom 30.7.2024 – Az. 67 S 190/24, BeckRS 2024, 22660)

Das Thema

Das Landgericht (LG) Berlin II hatte sich in seiner untenstehenden Entscheidung mit der Frage zu befassen, wann die fristlose und außerordentliche Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter auch ohne eine Abmahnung möglich ist. Im Sinne des § 543 Abs. 3 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt, wenn die Pflichtverletzung derart schwerwiegend ist, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Dass dies auch bei einem gewalttätigen Wohnraummieter mit untherapierter Alkoholabhängigkeit und behaupteter Geschäftsunfähigkeit gilt, hat das LG Berlin II mit folgendem Urteil ausgeführt.

Der Fall

Gegenstand des der Entscheidung zugrunde liegenden Falls ist die ohne vorhergehende Abmahnung ausgesprochene fristlose Kündigung eines Vermieters gegenüber seinem Mieter, da dieser gegenüber anderen Hausbewohnern gewalttätig gewordenen ist. Der Mieter bringt zu seiner Verteidigung vor, dass er alkoholsüchtig sei und daher zur Tatzeit nicht schuldhaft gehandelt habe. In erster Instanz wurde der Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Hiergegen möchte sich der Mieter wehren und beantragt für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe; dies jedoch ohne Erfolg.

In der Sache hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg, § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Denn der beklagte Mieter ist nach §§ 985, 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts verpflichtet; das Mietverhältnis wurde durch die fristlose Kündigung vom 15. Januar 2024 wirksam beendet. Der Wirksamkeit der Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte unter Alkoholeinfluss und damit ggf. nicht (voll) schuldhaft gehandelt hat. Denn das Verschulden des Mieters ist zwar in der Regel ein wesentlicher, jedoch nicht der einzige Abwägungsfaktor für die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung. Im konkreten Fall sind vielmehr Folgen der dem Beklagten zur Last gelegten Pflichtverletzung, insbesondere die vorgenommenen Gewalttaten des – hinsichtlich seiner angeblichen untherapierten Alkoholsucht – Beklagten derart schwerwiegend, dass dem Vermieter auch unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflichten gegenüber den weiteren Hausbewohnern eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, auch wenn das Mietverhältnis tatsächlich seit dem Jahr 2006 unbeanstandet gewesen war. Dies rechtfertigt die fristlose Kündigung, auch ohne vorherige Abmahnung.

VERWALTERSTRATEGIE

Gemäß § 543 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis außerordentlich fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, ist eine Frage des Einzelfalls und erfordert die Berücksichtigung aller Umstände der konkreten Sachlage, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien. Ergibt sich der wichtige Grund aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, § 543 Abs. 3 BGB. Die Pflicht zur Setzung einer Frist bzw. zur Abmahnung kann ausnahmsweise dann entfallen, wenn durch das Fehlverhalten des anderen Teils die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend erschüttert ist, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann. Wann dies der Fall ist, ist – wiederum – vom Einzelfall abhängig und wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. So wird beispielsweise eine Abmahnung selbst bei einer Bedrohung arbeitender Handwerker im Anwesen mit einem Messer gefordert (LG Köln, Urteil vom 30.6.2022, Az. 6 S 203/21), wohingegen sie bei einer Beleidigung des Vermieters durch den Mieter per SMS mit den Worten „dumme Kuh“ und „Arschloch“ für entbehrlich erachtet wird (LG Berlin, Beschluss vom 22.2.2005, Az. 63 S 410/04). Im Ergebnis wird – um jegliche Unsicherheit in der Praxis zu vermeiden – in der Regel eine Abmahnung zu empfehlen sein.

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
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