26.04.2019 Ausgabe: 2/19

Game Changer gesucht! Die Zukunft der Eigentümerversammlung liegt weniger in Optimierung und Outsourcing einzelner Prozesse, sondern vielmehr in grundlegender Veränderung.

Die Eigentümerversammlung ist selbst für recht digital arbeitende Immobilienverwaltungen wie uns ein erstaunlich analoger Prozess, der sinnbildlich für die Herausforderungen einer analogen Branche steht. Zu trennen sind aus unserer Sicht dabei zwei unterschiedliche Diskussionsebenen:

Zum einen geht es um die Frage, wie man die klassische Eigentümerversammlung als Präsenzveranstaltung weiterentwickeln kann, wobei es vornehmlich um kleinere Teilprozesse geht, die alle keine wirklichen „Game Changer“ sind. Die Eigentümerversammlung selbst bleibt das – insbesondere personelle – Nadelöhr des Geschäfts. Auf Ebene der Prozessoptimierung gehen wir nun schon seit längerer Zeit den Weg, zur Versammlung über ein einschlägiges Eigentümerportal einzuladen, das die Kommunikationspräferenz der Kunden kennt und entsprechend rein digital oder auf Wunsch eben auch postalisch zustellt. Letzteres über einen Postdienstleister, sodass die Arbeit des Verwalters also mit dem Upload der Einladungsdokumente getan ist. Das bringt zwei maßgebliche Vorteile mit sich: Erstens entfallen der zeitaufwändige Druck sowie die Kuvertierung und Frankierung im eigenen Team, was das ansonsten ja eher anspruchsvolle Berufsbild für Mitarbeiter ohnehin nicht gerade attraktiver macht. Zweitens lassen sich beachtliche Anteile der in Verwaltungsunternehmen erschreckend hohen Portokosten reduzieren, indem viele Kunden auf eigenen Wunsch nur digitale Zustellung erhalten. Grundsätzlich haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. Lediglich das technische „Mapping“ von Adressaten bzw. die Adresserkennung läuft bei etlichen mir bekannten Lösungen nicht immer ohne erheblichen Korrekturaufwand. Ebenso betrachten wir die teils beachtlichen Margen der ERP-Systeme und Anbieter von Eigentümerportalen im Bereich Versanddienstleistungen mit gewissem Argwohn, da die Aufpreise auf das reine Porto und Handling des tatsächlichen Postdienstleisters im Massengeschäft meinem Dafürhalten nach noch sinken müssen, um dauerhaft attraktiv gegenüber dem händischen Versand zu sein.

Neben dieser Optimierung des reinen Einladungsvorgangs lässt sich aber auch der Zeitaufwand für die Vor- und Nachbereitung reduzieren. Sämtliche Angebote werden bei uns im Hause vorab nur noch digital zum Download bereitgestellt. In der Nachbereitung spart man wiederum viel Zeit, wenn man Niederschriften nicht mehr versendet. Der Niederschriftenversand ist erfahrungsgemäß in der deutlichen Minderheit der Teilungserklärungen eine Verfahrensvorschrift, und das Wohnungseigentumsgesetz kennt auch nur eine Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Niederschrift. Vom postalischen Nieder­schriftenversand nehmen wir daher schon länger Abstand, außer er wurde durch ungünstige Verwalterverträge historisch angelegt. Die kundenseitige Empörung im ersten Jahr des Nichtversands ist erfahrungsgemäß hoch, danach tritt überwiegend Gewöhnung ein. Willkommener Nebeneffekt: Die Nutzung von Eigentümerportalen wird intensiviert, die Anmelde­quote erhöht sich deutlich.

Den Postversand drastisch reduzieren

Wir würden es begrüßen, wenn sich die gängige Verwaltungspraxis in Richtung der rein digitalen Bereitstellung verändern würde, da tausende Briefsendungen im Jahr obsolet würden und sich die Profitabilität von Verwaltern auf einen Schlag um 0,5 bis ein Prozent Umsatzrendite verbessern würde. Dazu bedarf es jedoch des Mutes von mehr Berufskollegen, dem kundenseitigen Widerstand zu trotzen.
Abschließend spart man sich in der Versammlung zudem viel Aufwand, wenn man bereits die Mitschriften, nicht erst die Reinschriften unterzeichnen lässt und somit das lästige Briefkarussell umgeht. Was Abstimmungssysteme per Fernbedienung oder Ähnliches angeht, wären wir insbesondere in großen Liegenschaften offen dafür, haben bis jetzt aber noch kein attraktives Miet- oder Kaufmodell gefunden. Ohnehin wäre es viel zeitgemäßer, die Eigentümer auf dem eigenen Smartphone abstimmen zu lassen, und sei es nur als Zwischenschritt einer reinen Online-Abstimmung, zu der ich später noch komme.

Es bedarf tiefgreifender Neuerungen

Denn eigentlich wünschen wir uns als Verwaltungsunternehmen mittlerer Größe für die Zukunft der Eigentümerversammlung mehr als nur ein paar verbesserte Teilprozesse, nämlich tiefgreifende Neuerungen. Versammlungsleiter sind sehr rar auf dem Personalmarkt, erst recht wenn es um Großobjekte geht. Inhaberorientierte Strukturen geraten also spätestens ab etwa 100 Liegenschaften an die Grenzen ihrer ­Kapazität. Unabhängig von der Personalfrage sind Eigentümerversammlungen aber auch ein großer Zeitfaktor, der einen maßgeblichen Anteil an der 40-Stunden-Woche angestellter Objektleiter hat. Auch verlangsamen Präsenzversammlungen durch die erforderlichen Ladungsfristen und Terminkoordinierungen die Handlungsfähigkeit proaktiv agierender Verwaltungen. Wir sehen daher dringenden Bedarf, dass sowohl rechtliche als auch technische Grundlagen für digital durchgeführte Eigentümerversammlungen geschaffen werden, eventuell auch einhergehend mit der Lockerung der Allstimmigkeit bei Umlaufbeschlüssen. Viel wichtiger aber als die Schaffung der Voraussetzungen für virtuelle Versammlungen, an denen alle Eigentümer teilnehmen, was bei großen Liegenschaften ohnehin nicht praktikabel erscheint, wäre es, die Abstimmung online zu ermöglichen. Eigentümer würden ihre Stimme zu Beschluss­anträgen innerhalb einer gesetzten Frist legitimiert per Mausklick abgeben. Es würde die Zyklik unseres Geschäfts etwas entschärfen, weil Beschlussfassungen über das ganze Jahr verteilt werden könnten.

Die Software-Entwickler sind gefordert

Prädestiniert für die Entwicklung geeigneter Produkte zur Online-Abstimmung wären einerseits die wenigen Anbieter Cloud-basierter Verwaltungsprogramme, andererseits die von Eigentümerportalen. Beide vor dem Hintergrund, dass die Eigentümer einer Liegenschaft bereits legitimierten Zugriff haben und die Miteigentumsanteile und Stimmmodi auch schon hinterlegt sind. Vonseiten dieser Unternehmen würden wir uns entsprechende Initiative erhoffen, da das Gros der Verwaltungen Eigenentwicklungen finanziell nicht stemmen kann und wir für die Anwendung solcher Tools auch unter rechtlich ungeklärten Bedingungen sehr offen wären. Den Kunden wiederum würde dies mehr Mitbestimmung in der Gemeinschaft ermöglichen, wenn die Teilnahme ohne postalische Weisung weniger aufwändig wäre. Von einem solchen wirklichen „Game Changer“ allerdings sehe ich die Branche leider noch einige Jahre entfernt.

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Dominic, Fänders

Mitgeschäftsführer der nunovo Immobilienverwaltung GmbH, die in den Großräumen München und Ulm mit 50 Mitarbeitern ca. 9 500 Wohneinheiten verwaltet und beim Immobilienverwalter des Jahres 2018 des DDIV den zweiten Platz belegte.