30.04.2019 Ausgabe: 3/19

Genau genommen - Wie ist mit Messwerten von Wasser- und Wärmezählern zu verfahren, deren Eichfrist abgelaufen ist?

Über 100 Jahre lang wurden Wasserzähler so lange eingesetzt, wie ihre Messergebnisse plausibel waren – zum Teil über 30 Jahre lang. Aber alle Messgeräte driften und ihre Fehlerkurven verändern sich. Volumensensoren werden durch die Inhaltsstoffe im Kreislaufwasser stark beansprucht und daher ist die Wasserbeschaffenheit ein wesentlicher Parameter für die Messbeständigkeit. Mit der Erarbeitung des Energieeinsparungsgesetzes 1979 sollten aus Gründen des Verbraucherschutzes Qualitätssicherungsmaßnahmen in Kraft gesetzt werden, um das Vertrauen in die verbrauchsabhängige Abrechnung zu stärken. Die Eichpflicht wurde daher für Kaltwasserzähler zum 1.1.1979 und für Warmwasser- und Wärmezähler zum 1.1.19811 eingeführt.
Kaltwasserzähler mit gleicher Bauartzulassung nach der Measuring Instruments Directive (MID) haben z. B. in Belgien nicht sechs Jahre Eichfrist wie in Deutschland, sondern 16 Jahre, und sie wird mit den Stichprobenverfahren erfolgreich weiter verlängert. Auch in anderen Ländern werden die gleichen Zähler mit längeren Eichfristen eingesetzt: Wärmezähler in Frankreich und Kaltwasserzähler in Dänemark zehn Jahre lang.

Zähler und Eichfristen auf dem Prüfstand

Mit der amtlichen Befundprüfung (1979 für Wasserzähler und 1981 Wärmezähler) erhielten Verbraucher zu ihrem Schutz den Rechtsanspruch, die Überprüfung eines geeichten Geräts durch ein Eichamt oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle durchführen zu lassen. Verbraucherzweifel an der Messrichtigkeit konnten somit eindeutig geklärt werden – auch dann, wenn es um die Messrichtigkeit von Geräten ging, deren Eichung noch gültig war. Da Befundprüfungen auch nach Ablauf der Eichfrist durchgeführt wurden, erhielt man zusätzliche Informationen über die Langzeitstabilität der Wasser- und Wärmezähler.
Ein Indiz für die Langzeitstabilität der Wasser- und Wärmezähler sind zudem die erfolgreichen Verlängerungen der Eichfrist durch Stichprobenprüfungen. Ausfälle wurden wesentlich nur durch mangelhafte Wasserqualität verursacht.
Im Rahmen einer Aktion für Privatkunden, gekaufte Wasserzähler mit abgelaufener Eichfrist auszutauschen, konnten einige weitere ältere Geräte ausgebaut und geprüft werden. U. a. wurden 2018 die folgenden fünf Einstrahl-Trockenläufer-Wasserzähler mit zwölf Jahren Einsatzdauer ausgebaut: drei Minomess Kaltwasserzähler Qn 1,5 m³/h G ¾“ × 80 mm und zwei baugleiche Warmwasserzähler. Das Ergebnis dieser zufällig ausgewählten Stichprobe aus einer Rücklieferung zum Recycling fiel sehr gut aus, da die gelieferte Wasserqualität der Bodenseewasserversorgung gleichbleibend hoch war und dadurch alle Zähler noch nach zwölf Jahren die Eichfehlergrenze einhielten. Weitere Ergebnisse wurden im Artikel Wien: Befundprüfungen bei Wasserzählern nach Ablauf der Eichfrist, DVGW energie | wasser-praxis, Sept. 2018 publiziert. Wärme- und Wasserzähler arbeiteten den Befundprüfungen zufolge auch nach über elf Jahren Einsatzdauer noch messrichtig.

Rechtliche Aspekte

Das Messgerätegesetz untersagt seit dem 1.1.2015 die Verwendung von Zählern, deren Eichfrist abgelaufen ist, (MessEG § 37) und deren Messwerten (MessEG § 33). Zivilrechtlich wurde mit BGH-Urteil VIII ZR 112/10 vom 17.11.2010 entschieden, dass in der Betriebskostenabrechnung auch die Messwerte eines nicht mehr geeichten Wasserzählers verwendet werden dürfen, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass die angezeigten Werte zutreffend sind.
Mit Beschluss vom 6.9.2012 hat das OLG München (Az. 32 Wx 32/12) dies weiter ausgelegt: Nicht nur der Sachverständigenbeweis, sondern auch die Verbrauchswerte der letzten korrekten Abrechnung können Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO sein.
Im Urteil vom 31.8.2018 Az. 3S 39/18 folgte das LG Limburg dem BGH-Urteil von 2010 und entschied, dass auch Werte von Zählern nach Ablauf der Eichfrist in der Betriebskostenabrechnung verwendet werden können.
In Langenberg/Zehelein: Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Auflage 2019, wird mit Bezug auf das Unionsrecht ausführlich dargelegt, dass auch nach Inkrafttreten des MessEG zivilrechtlich die verbrauchsabhängige Abrechnung weiterhin Priorität hat und daher plausible Messwerte selbst nach Ablauf der Eichfrist gemäß der BGH-Entscheidung von 2010 verwandt werden können. Eine abweichende Rechtsauffassung zur landgerichtlichen Entscheidung wurde in jurisPR-MietR 1/2019 allerdings von Prof. S. Lammel auch publiziert. Abschließend wird die Frage erst nach einer weiteren BGH-­Entscheidung geklärt sein.

Plausibilisierung und ­Verwalterpflichten

Beim Austausch von Zählern, deren Messergebnisse nach Ablauf der Eichfrist für die Abrechnung genutzt wurden, ist die Durchführung einer Befundprüfung zu empfehlen, wenn hohe Beträge abgerechnet wurden, um die Messrichtigkeit belegen zu können. Zumindest sollten solche ausgebauten Zähler gesichert aufgehoben werden, um ggf. in einem Zivilprozess eine gutachterliche Prüfung zu ermöglichen.
Bei Wasserzählern kann die Messrichtigkeit geprüft werden, indem man die um die Ablesezeiträume bereinigten Ergebnisse des geeichten Hauswasserzählers mit der Summe der Unter-Wasserzähler vergleicht. Ist die Differenz prozentual genau so hoch wie in einem Jahr, als noch alle Zähler geeicht waren, spricht dies für eine noch hinreichende Messgenauigkeit. Zur Überprüfung von Wärmezählern kann man in gleicher Weise die Menge der Brennstofflieferung mit der Summe der Messwerte in Relation setzen. Bei Einzelzählern kann bei gleichem Nutzer der prozentuale Anteil der Vorjahre bei noch gültiger Eichung gemäß OLG München zum Vergleich herangezogen werden.
Nicht zu empfehlen ist es, die weitere Verwendung von Zählern nach Ablauf der Eichfrist durch die WEG beschließen zu lassen. Es entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und kann Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung begründen. Eigentümer sollten darauf hingewiesen werden, dass die Beschlusskompetenz zur Verlängerung der Eichfrist nur der Bundestag hat. WEG-intern darf nur darüber abgestimmt werden, wer den Austausch durchführt. Hürden wie etwa undichte Absperrungen, die den eichfristbedingten Austausch verhindern, sollten umgehend beseitigt werden. Werden kleinere Abrechnungsbeträge moniert bzw. angezweifelt, sollte zunächst geprüft werden, ob es wirtschaftlich vertretbar ist, die Forderung durchzusetzen. Letztlich wird der Grund der Beanstandung ja in absehbarer Zeit behoben.

Zusammenfassung

In der Abrechnung sollte die Verwendung von Messwerten, die nach Ablauf der Eichfrist gewonnen wurden, entsprechend gekennzeichnet werden.
Innerhalb der Eichfrist darf vermutet werden, dass ein Zähler messrichtig arbeitet – danach liegt die Beweislast für die Messrichtigkeit beim Verwender und kann z. B. über eine erfolgreiche Befundprüfung erbracht werden (siehe BGH-Urteil 2010). Die Verwendung von Messwerten nicht mehr geeichter Zähler mit der Option einer Nachbesserung durch den Nachweis der Messrichtigkeit, z. B. durch die Befundprüfung, kommt dem tatsächlichen Verbrauch des Nutzers am nächsten. Im Gegensatz zu einer innerhalb der Eichfrist nur vermuteten Messrichtigkeit ist diese durch die Prüfung bewiesen.
Der Gesetzgeber sollte das MessEG den Bedürfnissen des Zivilrechts anpassen und entsprechend klarstellen, dass plausible Messwerte verwendet werden können. Zur Sicherstellung des Austauschs von Geräten nach Ablauf der Eichfrist ist die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ausreichend.

Foto: © Maxx-Studio / Shuttestock.com


Wien, Dipl.-ing. Joachim

Der Sachverständige für ­Heizkostenabrechnung ist Mitarbeiter im Arbeitsausschuss Wärmezähler der PTB-VV und im technischen Beirat des Verbands für Wärmelieferung sowie in der Normung von Heizkostenverteilern, Wärmezählern und Wasserzählern und seit 1996 für die Minol/Zenner-Gruppe tätig.