22.07.2022 Ausgabe: 5/22

Gut kombiniert - PVT-Wärmepumpen-Systeme kommen da ins Spiel, wo Erd- und Luft-Wasser-Wärmepumpen an ihre Grenzen stoßen.

Um Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral zu machen, muss in den nächsten Jahren der Wärmebedarf von Milli­onen Immobilien so weit wie mög­lich reduziert werden. Vor allem für den Bestand sind Sanierungs­konzepte gefordert, die auf der einen Seite die Energieeffizienz der Gebäude deutlich verbessern, auf der anderen aber auch prak­tikabel und bezahlbar sind. Die vom Bundesministerium für Wirt­schaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projektinitiative IntegraTE sondiert derzeit die Möglich­keiten und Grenzen sogenannter PVT-Wärmepumpen-Systeme. PVT-Kollektoren gewinnen sowohl Strom als auch Wärme aus Son­nenenergie.

Auch die rasant steigenden Ener­giepreise drängen zur Senkung des Primärenergiebedarfs von Immobilien. Das ist mit hohen Kosten verbunden und erfordert darüber hinaus sinnvolle Ener­gieversorgungskonzepte – für den Neubau und vor allem für die Bestandsmodernisierung. Wäh­rend im Neubau heute häufig die Wahl auf eine Wärmepumpenanlage fällt, sind dieser Heiztechno­logie im Bestand Grenzen gesetzt. Die vorhandene Grundstücksflä­che reicht häufig nicht aus, um das Erdreich als Wärmequelle zu nutzen. Setzt man stattdessen auf eine Luft-wasser-Wärmepumpe, ist häufig der Geräuschpegel, der beim Ansaugen der Luft in die Außeneinheit entsteht, das Hin­dernis – wenn nicht sogar Aus­schlusskriterium.


PROJEKTINITIATIVE INTEGRATE
Die vom BMWK geförderte Initiative zur Verbreitung von PVT-Solarkollektoren und Wärmepumpen im Gebäudesektor (IntegraTE) will den Bekanntheitsgrad dieser energieeffizienten Technologie steigern. Mit dem Fraunhofer ISE in Freiburg, dem Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespei­cherung (IGTE) der Universität Stuttgart und dem Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) sind dafür seit Dezem­ber 2019 gleich drei wissenschaftliche Partner gemeinsam am Start. Darüber hinaus unterstützen der Bundesverband Wärme­pumpe (BWP), der Bundesverband der deutschen Heizungsin­dustrie (BDH) und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) sowie zwölf Industriepartner und die Bielefelder Agentur Solrico das Projekt. Ziel der auf viereinhalb Jahre angelegten Initiative ist es, den Status quo der aktuell verfügbaren und eingesetzten PVT-Wärmepumpen-Systeme zu ermitteln, diese in Bezug auf ihre Energieeffizienz, CO2-Einsparung und Wärmegestehungskosten zu bewerten und über spezielle Tools eine Vergleichbarkeit gegen­über alternativen Energieversorgungssystemen herzustellen. Darüber hinaus sind das Monitoring und die Optimierung beste­hender PVT-WP-Anlagen, sowie die Konzeption und Umsetzung von Marketingmaßnahmen Arbeitsinhalte der Projektpartner.

Weitere Informationen auf der IntegraTE-Website: https://bit.ly/3NOIxGU


Bisherige Technologie meist unwirtschaftlich
Des Weiteren sprechen die hohen Strompreise aktuell gegen die Wärmepumpentechnologie. „Um die Anlagen wirtschaftlich zu betreiben, sind Arbeitszahlen der Wärmepumpe deutlich über 3 notwendig“, so die Erfahrung von Tobias Reichert, zuständig unter anderem für Energiekonzepte im Unternehmensbereich Moderni­sierung und Großinstandhaltung der Nassauischen Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungs­gesellschaft mbH, unter Leitung von Karin Hendriks, in Frankfurt am Main. „Das ist bei unsanier-ten Häusern mit hohem Tempe­raturniveau kaum realisierbar.“ (Moderne Wärmepumpen errei­chen typischerweise eine Jah-resarbeitszahl zwischen 3 und 5, Anm. der Redaktion).
 

Strom und Wärme aus Sonnenenergie
Um dies zu kompensieren, haben Reichert und sein Kol­lege Mathias Lupp aus dem Fachbereich Zentrale Tech­nische Aufgaben (ZTA) im Rahmen der Bestands­sanierung nun erstmals PVT-Wärmepumpen(WP)-Systeme eingesetzt. Diese Technologie gewinnt über sogenannte PVT-Kollektoren sowohl Strom als auch Wärme aus Sonnenenergie und beliefert damit eine Wär­mepumpe. Die wiederum ver­sorgt die Haushalte mit der notwendigen Energie zum Heizen und für die Warm-wasserbereitung. Auch eine Kühlung des Hauses wäre bei entsprechender Funktionali­tät des Systems in den Som­mermonaten möglich. „Wir haben die Hoffnung, dass uns die PVT-Anlagen in Kombi­nation mit der Wärmepumpe dabei helfen, das Thema Geräuschemissionen zu lösen und bessere Jahresarbeitszahlen zu erreichen“, begründet Reichert die Entscheidung. „Allerdings sind die Investiti­onen trotz Förderung durch das Bundesamt für Wirt­schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Vergleich zur Luft-Wasser-Wärmepumpe deut­lich höher.“
 

Quartierslösung in Frankfurt-Fechenheim
Die Nassauische Heimstätte besitzt rund 59.000 Mietwohnungen an 128 Standorten in Hessen und Thüringen. Zu jedem energetischen Sanierungspro­jekt werden eigene Konzepte ent­wickelt. Am Standort Bürgeler Straße 9 – 33 in Frankfurt-Fechenheim, der vier Gebäude mit rund 100 Wohnungen umfasst, haben nun erstmals vier PVT-WP-Systeme den Betrieb aufgenommen.

Jeder der vier Gebäuderiegel wurde mit einer autarken PVT-Wärmepumpen-Anlage der Giersch Enertech GmbH, Hemer, ausgerüstet. Diese umfasst jeweils 72 PVT-Module vom Typ Duo Panel 320 mit einer Gesamtflä­che von 119 qm und zwei Wärme­pumpen vom Typ CTC EcoPart 417, die modulierend bis 20 Kilo­watt (kW) Nennleistung bringen. Außerdem wurden pro Gebäude zwei Gasbrennwertgeräte mit ins­gesamt 76 kW als Zusatzheizung installiert. Laut Polysun-Simulation liefert das PVT-WP-System mehr als 50 Prozent des jährlichen Gesamtwärmebedarfs eines Gebäuderiegels, der restli­che Wärmebedarf wird über die Brennwertkessel gedeckt. Die Jah-resarbeitszahl (JAZ) der Wärme­pumpen liegt bei 3,8. Das heißt, die Wärmepumpe benötigt nur eine Einheit Strom, um fast vier Einheiten Wärme zur Verfügung zu stellen.


Nicht ohne energetische Sanierung
„Bevor wir die neuen Systeme ins­talliert haben, wurden die Woh­nungen vollmodernisiert, sodass der jährliche spezifische Heizwärmebedarf heute 38,4 kWh/qm beträgt“, beschreibt Mathias Lupp den Ablauf der Sanierungsarbei­ten. „Es wurden neue dreifach-verglaste Fenster eingebaut, ein 16 cm starkes Wärmedämmverbundsystem (WDVS) angebracht, sowie die Kellerdecke und die oberste Geschossdecke gedämmt. Neben der neuen Zentralheizung inklusive zentraler Warmwasserbereitung ist auch eine kontrol­lierte Wohnungsabluft installiert worden. Die Vorlauftempera­tur liegt nun unter Volllast bei 55 °C.“ Normalerweise moderni­siert die Nassauische Heimstätte im bewohnten Zustand, corona-bedingt hat die Modernisierung jedoch zum Leerzug der Wohnun­gen geführt.

Grenzen für den Einsatz von PVT-WP-Systemen sieht Lupp in den trotz Förderung derzeit hohen Investitionskosten. Dennoch sei die Technologie vor allem dann prädestiniert, wenn eine Vollmo­dernisierung anstehe. „Geht es um den reinen Technikaustausch bei einer Heizungsanlage mit 70 °C Vorlauf, lässt sich mit diesen Syste­men keine lohnende Jahresarbeitszahl erzielen“, lautet seine Bilanz. Auch sollten Bauherren beachten, dass es diese Technologie noch nicht von der Stange gibt. „Die Systeme laufen immer nur so gut, wie die Fachleute sie jeweils kon­zipiert haben, beziehungsweise so gut, wie die Steuerung program­miert wurde“, gibt Lupp zu beden­ken. „Aber mit zunehmender Marktdurchdringung wird sich das schnell verbessern.“

Viermal mehr Gesamtenergie als eine Photovoltaikanlage
Die effiziente Flächennutzung, das einheitliche Erscheinungsbild, die geräuschlose Arbeitsweise und die Verbesserung der Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe durch die Sonnenenergienutzung vom Dach sind die wesentlichen Vorteile von PVT-Kollektoren. Übers Jahr hin­weg produzieren sie etwa viermal mehr Gesamtenergie, also Wärme und Strom, als eine Photovoltaikanlage mit der gleichen Fläche.

Nutzer profitieren nicht nur von dauerhaft niedrigen Betriebskos­ten, sondern auch von einer lokal emissionsfreien Heizung ohne Feinstaub, die im Vergleich zu einem Gas-Brennwertgerät nur etwa halb so hohe CO2-Emissionen verursacht und anders als eine Luft-Wärmepumpe geräusch­los arbeitet.


FAZIT
Im Gebäudesektor ist zur Einhaltung der Kli­maziele eine drasti­sche Verbesserung der Energieeffizienz gefor­dert. Die Kombination von PVT-Kollektoren mit der Wärme­pumpe kann überall dort eine interessante Lösung darstellen, wo eine energetische Nut­zung des Erdreichs nicht möglich ist oder die klassische Luft-Wasser-Wärmepumpe als zu laut empfun­den wird. Im Bestand lohnt es sich, zudem den Energiebedarf der Gebäude vorab deut­lich zu reduzieren und das Temperaturniveau des Heizungssystems signifikant abzusenken. Dadurch lassen sich mit den Hybridsystemen aus PVT-Kollektoren und Wärmepumpe Jahresarbeitszahlen von 4 und höher erreichen.