27.01.2020 Ausgabe: 8/19

Handlungsmöglichkeiten bei rechtswidriger Bebauung einer Sondereigentumsfläche (BGH, Urteil vom 5.7.2019, Az. V ZR 149/18)

DAS THEMA
Nicht selten werden Bebauungen und Renovierungen von Sondereigentum wie auch spezifische Nutzungen von Gemeinschaftseigentum durch Wohnungseigentümer ohne entsprechende Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft durchgeführt. So auch in vorliegendem Fall.

Welche Möglichkeiten den übrigen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen, den Stein des Anstoßes – vorliegend ein Gartenhaus, ein Anbau, eine renovierte Terrasse und die Lagerung von Gegenständen auf Gemeinschaftseigentum – zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, hatten nun die Gerichte zu entscheiden. Nachdem der rechtliche Versuch, die „Störer“ selbst zur Handlung zur veranlassen, nicht gefruchtet hatte, versuchten sie es nun erneut: Diesmal sollten sie selbst bevollmächtigt werden, die Beseitigungen vorzunehmen. Die Frage, ob ihnen dieses Recht zusteht, hatte der BGH zu entscheiden.

DER FALL
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese war durch Aufteilung eines Gebäudes in zwei Einheiten entstanden. Die beklagte Partei errichtete in den Jahren 2001 bis 2004 auf ihrer Sondernutzungsfläche im Garten ein Gartenhaus sowie einen Anbau. Auch die Terrasse, die ihnen als Sondereigentum zugewiesen ist, wurde wie folgt umgestaltet: Der Boden wurde betoniert, ein neuer Bodenbelag verlegt und ein Geländer angebracht. Den Bereich des Gemeinschaftseigentums nutzten die Beklagten zur Lagerung diverser Möbel und Gegenstände.

In einem vorangegangenen Rechtsstreit war eine auf Beseitigung und Entfernung des Gartenhauses, der Terrasse und der Gegenstände gerichtete Klage der klägerischen Partei wegen Verjährung des Beseitigungsanspruchs abgewiesen worden. Nunmehr sollen die Beklagten dazu verurteilt werden, es zu dulden, dass die Kläger selbst – jeweils unter Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands – die Gartenhütte nebst Anbau sowie den Terrassenausbau entfernen. Auch sollen die Beseitigung der durch die Kläger näher beschriebenen Gegenstände (Schrank, Kommode, Farbeimer etc.) aus dem Bereich des Gemeinschaftseigentums durch die Beklagten geduldet werden.

Das Amtsgericht gab der Klage statt; das Landgericht änderte das Urteil ab und wies die Klage ab. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision wollen die Kläger das Urteil des Amtsgerichts wiederherstellen lassen. Jedoch ohne Erfolg – der BGH wies die Revision zurück und begründet seine Entscheidung wie folgt:

Nach Ansicht des BGH besteht weder ein Selbstbeseitigungsrecht des klägerischen Wohnungseigentümers noch ein darauf bezogener Duldungsanspruch, den die Wohnungseigentümergemeinschaft ausüben könnte. Wie im vorherigen Rechtsstreit zutreffend entschieden wurde, ist der Anspruch auf Beseitigung von baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 1004 BGB verjährt. Welche Rechte einzelnen Wohnungseigentümern in diesem Falle anschließend zustehen, ist bislang nicht geklärt. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Wohnungseigentümer nach Verjährung des Beseitigungsanspruchs beschließen können, die Beseitigung auf Kosten aller Wohnungseigentümer vorzunehmen. Fehlt jedoch so ein Beschluss, gehen die Meinungen über weitere Handlungsmöglichkeiten auseinander. Nach ganz überwiegender Ansicht soll ein einzelner Wohnungseigentümer ohne Beschluss nicht berechtigt sein, den Rückbau vorzunehmen.

Bezüglich der auf Gemeinschaftseigentum gelagerten Gegenstände entsteht aus § 903 S. 1 BGB kein Duldungsanspruch, da es sich bei der Norm nicht um eine Grundlage handelt, aus der ein solcher Anspruch abgeleitet werden könnte.

Im Hinblick auf die baulichen Veränderungen stellt der BGH fest, dass einzelnen Wohnungseigentümern grundsätzlich kein Selbstbeseitigungsrecht aus § 903 S. 1 BGB zusteht. Wie das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet wird, ergibt sich vielmehr aus den im WEG vorgesehenen Bestimmungen über die Verwaltung (vgl. § 20 ff. WEG) oder aus der Teilungserklärung, sofern diese bezüglich einzelner Teile des gemeinschaftlichen Eigentums Sondernutzungsrechte vorsieht und die Sondernutzungsberechtigten wie Alleineigentümer gestellt sind, ihnen also die Befugnisse aus § 903 BGB allein zustehen sollen. Eine entsprechende Beschlussfassung gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, wonach beschlossen werden kann, dass eine rechtswidrige bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums auf Kosten aller Wohnungseigentümer zu beseitigen und das gemeinschaftliche Eigentum in einen ordnungsmäßigen Zustand zu versetzen ist, ist daher zwingend notwendig. Befindet sich die Quelle der Störung im Bereich des Sondereigentums oder einer Sondernutzungsfläche, kann der betroffene Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 4 Halbs. 1 WEG verpflichtet sein, die Maßnahme zu dulden.

Keine Abweichung von dem Beschlussfassungserfordernis ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich hier um eine zerstrittene Zweiergemeinschaft handelt. Dem Kläger bleibt bei nicht gefasstem Beschluss ausschließlich der Weg über eine Beschlussersetzungsklage. Entspricht die Beseitigung und Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands ordnungsgemäßer Verwaltung und besteht hierauf gemäß § 21 Abs. 4 WEG ein Anspruch, wird diese Erfolg haben.
Derselbe Grundsatz gilt hinsichtlich der auf Gemeinschaftseigentum gelagerten Gegenstände. Allerdings betrifft dieser Antrag keine baulichen Veränderungen, sondern den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums. Aber auch insoweit müsste im Rahmen einer Beschlussersetzungsklage geklärt werden, ob die Beseitigung erfolgen oder gegebenenfalls eine Gebrauchsregelung gemäß § 15 Abs. 2 WEG herbeigeführt werden soll; ein darauf gerichteter Anspruch der Kläger gemäß §  1 Abs. 4 WEG setzt jedenfalls voraus, dass die Beklagten das gemeinschaftliche Eigentum über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus in Anspruch ­nehmen.


Verwalterstrategie

Der BGH hat in diesem Urteil klargestellt, dass Wohnungseigentümer, deren Ansprüche etwa aus § 1004 BGB verjährt sind, nicht schutzlos gestellt sind: Sie haben noch immer die Möglichkeit, ihr Recht auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes durch Beschluss zu ­erwirken.
Hier ist es Aufgabe des Verwalters, diese Beschlüsse vorzubereiten und anschließend auszuführen. Allerdings ist davon auszugehen, dass insbesondere in Eigentümergemeinschaften, die lediglich aus zwei Parteien bestehen, diejenige Partei, die den rechtswidrigen Zustand geschaffen hat, nicht freiwillig für eine Beseitigung stimmen wird. Dem belasteten Wohnungseigentümer bleibt hier nur der Gang vor Gericht.

Fotos: © Crisferra, MIND AND I / Shutterstock.com


Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.