20.04.2018 Ausgabe: 3/2018

Hausgeldansprüche der WEG und Verwalterpflichten in der Zwangsversteigerung

BGH, Urteil vom 8.12.2017, V ZR 82/17

DAS THEMA

Wird von Dritten die Zwangsversteigerung in das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers betrieben, ist zu prüfen, ob der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) Hausgeldansprüche zustehen. Im Rahmen der vorliegenden Entscheidung beschäftigt sich der BGH mit der Pflicht des Verwalters zur rechtzeitigen Anmeldung der bevorrechtigten Hausgeldansprüche der WEG im Zwangsversteigerungsverfahren, was Voraussetzung für die Aufnahme der Ansprüche in das geringste Gebot (die mindestens zu erbringende Gegenleistung des Ersteigerers) ist. In diesem Zusammenhang stellt sich häufig die Frage, ob es ausreicht, wenn der Verwalter die WEG in einer Eigentümerversammlung darüber informiert, dass sie ihre Ansprüche im Zwangsversteigerungsverfahren anmelden muss. Diese Frage hat der BGH im vorliegenden Urteil klar verneint; weder der Hinweis darauf, dass eine Anmeldung der Ansprüche erfolgen muss, noch die Ankündigung der Mitteilung des Zwangsversteigerungstermins entbinden den Verwalter von seiner Pflicht zur rechtzeitigen Anmeldung der Ansprüche in dem laufenden Zwangsversteigerungsverfahren.

DER FALL

Die Klägerin ist eine werdende WEG, die bis zum Jahr 2012 von der Beklagten verwaltet wurde. In den Jahren 2001 bis 2007 wurden Hausgelder für zwei Einheiten nicht bezahlt. Beide Einheiten hatte ein Dritter erworben, im Grundbuch war jedoch nach wie vor die Bauträgerin, welche die Anlage errichtet hatte, eingetragen. Über deren Vermögen wurde schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet; es wurden beide Einheiten in dem Zwangsversteigerungsverfahren beschlagnahmt. Im Protokoll der folgenden Eigentümerversammlung heißt es, dass die Beklagte die Eigentümergemeinschaft über den Stand der Zwangsversteigerung informiert habe, da diese ihre Ansprüche anmelden müsse. Auch werde der Versteigerungstermin bekannt gegeben. Als der Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erfolgt, waren die offenen Hausgeldforderungen der WEG jedoch nicht angemeldet.

Die Klägerin macht Schadensersatz in Höhe der nicht bezahlten Hausgelder für die Jahre 2001 bis 2007 geltend. Das Amtsgericht sprach ihr den Ersatz der offenen Hausgeldbeträge für die Jahre 2006 und 2007 zu. Mit der Berufung und nach deren Zurückweisung mit der Revision will die Klägerin erreichen, dass ihr auch die Hausgeldbeiträge für das Jahr 2005 zugesprochen werden. Der BGH hebt das abweisende Berufungsurteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Der BGH führt aus, dass der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG unter anderem dazu berechtigt und auch verpflichtet ist, Lasten- und Kostenbeiträge anzufordern. Dies umfasst nach Ansicht des BGH auch die Verpflichtung, für die Anmeldung bevorrechtigter Hausgeldansprüche zu sorgen. § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG räumt dem Verwalter hierzu die erforderliche Vertretungsmacht im Außenverhältnis ein. Die Anmeldung der bevorrechtigten Ansprüche ist vom Gesetzgeber für Wohnungseigentümergemeinschaften bewusst einfach ausgestaltet worden, um die Rechtsverfolgung zu erleichtern. Eines Titels bedarf es hierfür nicht zwingend; die Ansprüche können auch durch die Niederschrift der Beschlüsse der Wohnungseigentümer einschließlich ihrer Anlagen oder in sonstiger geeigneter Weise glaubhaft gemacht werden. Zudem ist eine Anmeldung nicht mit wirtschaftlichen Risiken verbunden, da weder Gebühren noch Vorschüsse anfallen. Die Zuordnung der Anspruchsanmeldung zu den Pflichten des Verwalters ist nach Ansicht des BGH auch in Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Zwangsversteigerung geboten, da nur auf rechtzeitige Anmeldung hin die bevorrechtigten Hausgeldansprüche in das geringste Gebot aufgenommen werden. Müsste der Verwalter vor der Anmeldung eine (außerordentliche) Eigentümerversammlung einberufen, wäre die rechtzeitige Anmeldung gefährdet. Der BGH weist insbesondere darauf hin, dass die Vermutung, die Beklagte habe die Pflichtverletzung zu vertreten, nicht widerlegt wurde, weil die Frage, ob Hausgeldansprüche gegen den werdenden Wohnungseigentümer in der Zwangsversteigerung gegen den Bauträger angemeldet werden können, im maßgeblichen Jahr noch umstritten war.

Verwalter­strategie

Der BGH stellt mit dem vorliegenden Urteil klar, dass der Verwalter dazu verpflichtet ist, Hausgeldansprüche zum Zwangsversteigerungsverfahren anzumelden. Der BGH weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass der Verwalter Anträge zur Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens oder zum Beitritt wegen der entstehenden Gerichts- und ggf. Sachverständigenkosten nicht eigenmächtig stellen darf, wenn vertraglich hierzu nichts anderes geregelt ist. Liegen die Voraussetzungen für einen solchen eigenen Antrag der Wohnungseigentümergemeinschaft vor, ist der Verwalter nach Ansicht des BGH regelmäßig dazu verpflichtet, die Wohnungseigentümer über diese Möglichkeit zu informieren und eine Beschlussfassung über das weitere Vorgehen bzw. über die Beauftragung eines Rechtsanwalts herbeizuführen.

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Janze, Kristin

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

KRISTIN JANZE
Die Rechtsanwältin ist bei Arnecke Sibeth Dabelstein, München, schwerpunktmäßig auf den Gebieten des privaten Baurechts und des WEG-Rechts tätig.
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