29.11.2018 Ausgabe: 8/2018

Hindernisse bei der Durchsetzung einer vermeint­lichen Betriebskosten-Rückzahlung

(OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschlüsse vom 14.2. und 19.4.2018, jeweils Az. 2 U 142/17)

Das Thema

Der Streit um Betriebskostenabrechnungen dürfte der häufigste Konfliktstoff zwischen Vermieter und Mieter sein. Hier hat der BGH durchaus vermieterfreundliche Tendenzen erkennen lassen, insbesondere in der Frage, welche Fehler in einer Betriebskostenabrechnung diese (nur) materiell fehlerhaft machen, und welche Voraussetzungen für die formelle Wirksamkeit (und damit für die Einhaltung der Abrechnungsfrist in Wohnraumsachen) zwingend erforderlich sind. In Fortsetzung dieser vermieterfreundlichen Rechtsprechung konnte das OLG Frankfurt in zwei Hinweisbeschlüssen nun klären, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter eine Abrechnung nachbessern muss, und wie der Mieter ein beanspruchtes Guthaben zurückfordern kann. Zwar entschied das OLG zu einem Gewerbemietverhältnis, es ist jedoch aus seiner Argumentation nicht ersichtlich, was einer weitgehenden Übertragung dieser Entscheidung auch ins Wohnraummietrecht widersprechen würde.

Der Fall

Die (Gewerbe-) Mieterin erhob zunächst im März 2015 Stufenklage auf Neuerstellung der Nebenkostenabrechnung und Rückzahlung des sich hieraus ergebenden, noch nicht bezifferbaren Guthabens, und später, im Januar 2016, hilfsweise Zahlungsklage auf Rückzahlung eines von ihr selbst errechneten Guthabens. Die erste Instanz hatte die Klage abgewiesen, und das OLG Frankfurt am Main hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen und in zwei Hinweisbeschlüssen nach § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, da diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Für ihr Verlangen auf Erstellung einer neuen Abrechnung hatte die Mieterin wie folgt argumentiert: Im Mietvertrag war zunächst lediglich die Umlage „aller umlagefähigen Nebenkosten“ vereinbart, anschließend waren drei Kostenarten (Straßenreinigung, Abwassergebühren, Schornsteinfeger) beispielhaft aufgeführt. Schon die Formulierung „aller umlagefähigen Nebenkosten“ war nach Ansicht der Mieterin intransparent. Diese Argumentation verwirft das OLG. Es arbeitet zwar heraus, dass der Begriff der Nebenkosten mehr Umlagepositionen erfassen kann, als derjenige der Betriebskosten. Unter den Nebenkostenbegriff fallen auch Verwaltungskosten und Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung nach § 1 Abs. 2 Betriebskostenverordnung, während die Betriebskosten diese nach Definition des § 1 Abs. 1 Betriebskostenverordnung ausdrücklich nicht enthalten. Allerdings werden beide Begriffe in der Regel als Synonym verwendet, jedenfalls enthält der Begriff der Nebenkosten alle hier umgelegten Betriebskosten. Das OLG weist weiter auf die logische Folge des Einwands der Mieterin hin: Wenn die Vereinbarung der Nebenkostenumlage wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam wäre, dann wäre die Nebenkostenabrechnung hinfällig. Einen Anspruch auf (Neu-) Abrechnung könnte der Mieter dann nicht haben. Auch eine Rückzahlung der als „Vorauszahlungen“ bezeichneten Beträge könnte der Mieter dann nicht verlangen. Denn nach der Argumentation des OLG sind Betriebs- und Nebenkosten Teil der Miete, und lediglich ihre Kostenanteile sind kalkulatorisch offengelegt und durch die Abrechnung variabel gestaltet. Fällt die Pflicht zur Abrechnung weg, müsste der Mieter trotzdem den als Vorauszahlung ausgewiesenen Betrag begleichen und könnte weder eine Rückerstattung eines Guthabens verlangen noch wäre er dem Risiko einer Nachzahlung ausgesetzt. Hinweis zum Wohnraummietrecht: Diese Argumentation dürfte sich in der Wohnraummietrecht-Rechtsprechung nur schwer durchsetzen.

Zur Frage, inwieweit der Mieter eine neue Abrechnung verlangen kann, stützt sich das OLG auf die Unterscheidung zwischen formal unwirksamer Abrechnung und formal wirksamer und lediglich materiell falscher Abrechnung. Die Nebenkostenabrechnung muss – und insofern wird die jüngste Rechtsprechung des BGH wiederholt und zusammengefasst – durch Erstellung einer formal ordnungsgemäßen Rechnungslegung die Nachvollziehbarkeit und Prüffähigkeit des Abrechnungsvorgangs des Vermieters gewähren; die Einsichtnahme in vorhandene Belege dient nur der Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln. Hat der Vermieter eine solche prüffähige und formell ordnungsgemäße Abrechnung erstellt, hat er seinen Pflichten genügt, und der Mieter hat keinen Anspruch auf eine neue Abrechnung, auch dann nicht, wenn die Abrechnung inhaltlich fehlerhaft ist. Vielmehr muss der Mieter eben auf Grundlage der bei der Belegeinsicht erlangten Informationen die Abrechnung selbst korrigieren, neu berechnen, und sodann ein von ihm errechnetes Guthaben im Wege der Leistungsklage her­ausverlangen.

Eine Pflicht des Vermieters zur Neuabrechnung entsteht insbesondere nicht dadurch, dass er nach „Sollvorauszahlungen“ abrechnet. Dies ist zwar unzulässig, stellt jedoch einen materiellen Fehler dar, der leicht vom Mieter korrigiert werden kann, da er weiß, welche Vorauszahlungen er tatsächlich geleistet hat.

Dem Vermieter ist es auch erlaubt, eine Fläche zu schätzen; die Grundlage einer solchen Schätzung muss für eine formal ordnungsgemäße Abrechnung nicht einmal angegeben werden. Um die inhaltliche Richtigkeit dieser Schätzung anzugreifen, muss der Mieter sowohl die Einzelfläche als auch die Gesamtfläche konkret angreifen.

Auch der häufige Vorwurf von Mietern, die Kosten des Hausmeisters würden gegebenenfalls Anteile anderer Kosten, zum Beispiel Inspektionsarbeiten oder Winterdienst beinhalten, führt nur zu einem materiell unrichtigen Ansatz und der Reduzierung der entsprechenden Position, die gegebenenfalls – soweit sie umlegbar ist – stattdessen in eine andere Position verschoben wird. Auch der Vorwurf, einen notwendigen Vorwegabzug nicht vorgenommen zu haben, stellt einen rein materiellen Aspekt der Abrechnung dar.

Das OLG würde eine Ausnahme von der Erfüllung der Abrechnungspflicht des Vermieters und dessen Verpflichtung zu einer neuen Abrechnung nur dann anerkennen, wenn der Mieter einen Fehler nicht durch Abzug von materiell unzulässigen oder nicht nachgewiesenen Kosten korrigieren kann. Der Mieter darf bei einem nicht vorgenommenen Vorwegabzug insoweit auch die Höhe eines Kostenansatzes bestreiten und sich damit gegen die gesamte Abrechnungsposition zur Wehr setzen.
Einen Rückzahlungsanspruch muss der Mieter allerdings durch bezifferte Leistungsklage durchsetzen. Im vorliegenden Fall wurde die im Hauptantrag erhobene Stufenklage zurückgewiesen, weil der Mieter schon keinen Anspruch auf Auskunft bzw. neue Abrechnung hatte; die zweite Stufe der Stufenklage, nämlich die Rückzahlung des sich aus der Auskunft/Neuabrechnung ergebenden Betrags, wurde somit gar nicht spruchreif.

Die Leistungsklage auf Rückzahlung eines Guthabens verjährt nach drei J­ahren, gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem die Nebenkostenabrechnung zugegangen ist. Im vorliegenden Fall waren daher die streitgegenständlichen Abrechnungen bei Erhebung der Leistungsklage bereits verjährt. Prozessual weist das OLG Frankfurt noch darauf hin, dass eine Stufenklage nicht die Verjährung einer später erhobenen Leistungsklage hemmt, sondern nur die Verjährung des Zahlungsantrags in der zweiten Stufe, der aus der Auskunft fließt und von dieser abhängig und durch sie bedingt ist. Der später erhobene Leistungsantrag basierte jedoch gerade nicht auf der Auskunft, die als unbegründet abgewiesen wurde, sondern auf einer eigenen Berechnung des Mieters, die unabhängig von der Stufen- bzw. Auskunftsklage war. Damit war dieser Leistungsantrag ebenfalls verjährt.

Verwalter­strategie

Das Urteil zeigt, dass ein Vermieter mit der ­Erstellung einer formal ordnungsgemäßen Abrechnung bereits viel gewonnen hat. In jedem Fall setzt er die dreijährige Verjährungsfrist in Gang. Im Wohnraummietrecht hält er die zwölfmonatige Abrechnungsfrist ein. Mit Erstellung einer solchen formal ­ordnungsgemäßen ­Abrechnung liegt der Ball sozusagen im Feld des ­Mieters. ­Dieser muss nach entsprechender Belegeinsicht gegebenenfalls materielle Fehler selbst neu berechnen; der Mieter hat allerdings die Möglichkeit, bei Kosten­positionen, die sich nicht ausreichend klarstellen ­lassen, z. B. durch Erläuterung der Schätzgrundlage oder fehlender Vorwegabzügen, die gesamte Kostenpositionen zu bestreiten und daher seine Zahlungspflicht erheblich zu drücken. ­Insoweit muss wiederum der ­Vermieter die ­Richtigkeit seiner Schätzungen bzw. die Vertretbarkeit von Vorwegabzügen darlegen und beweisen. Nebenkosten werden daher weiter ein Thema sein, das Vermieter, ­Mieter und Gerichte ­erheblich ­beschäftigen wird.


Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.