20.05.2021 Ausgabe: 3/21

Höchst anspruchsvoll - Für die Sanierung von Hochhausdächern gelten besondere Anforderungen, insbesondere mit Blick auf den Brandschutz.

Hohe Gebäude wirken schon seit Menschengedenken faszinierend auf ihre Betrachter. Die biblische Überlieferung des Turmbaus zu Babel beschreibt erstmalig  den Versuch, ein turmartiges Bauwerk zu errichten, das wir heute umgangssprachlich als Hochhaus bezeichnen.

Mit der Erfindung des Sicherheitsaufzugs im Jahr 1852 begann der industrielle Siegeszug der Hochhäuser. Heute prägen Wolkenkratzer mit Höhen jenseits der 150 Meter das Bild vieler Metropolen. Hochhäuser mit nach der Musterbauordnung (MBO) definierten Höhen des obersten Fußbodens ab 22 Meter sind dagegen keine Seltenheit mehr. Mischnutzungen liegen im Trend und sind selbst in kleineren Städten immer häufiger anzutreffen. Die klassische Bauweise besteht mehrheitlich aus kubischen Elementen und wird für Wohn- und Geschäftsräume genutzt. Den obersten Abschluss bildet in der Regel ein Flachdach.

Für Sonderbauten gelten besondere Regeln
Hochhäuser gelten als sogenannte Sonderbauten mit besonderen Anforderungen an Bau, Betrieb und Instandsetzung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden in der Muster-Hochhaus-Richtlinie beschrieben und durch die Länder umgesetzt. In der Regel handelt es sich hierbei um Belange des Brandschutzes und der Statik.

Dem Brandschutz kommt eine besondere Bedeutung zu, da im Brandfall die Rettung in Hochhäusern Feuerwehren vor eine schwierige Aufgabe stellt: Während bei niedrigeren Gebäuden der zweite Rettungsweg häufig über das Anleitern sichergestellt werden kann, ist dies bei Hochhäusern nicht mehr möglich. Der verheerende Brand am Londoner Grenfell Tower im Jahr 2017 hat die zuständigen Behörden für die Einhaltung der technischen Anforderungen sensibilisiert. Ihre frühzeitige Einbindung in die Sanierungsplanung schon während der Vor- und Ausführungsplanung ist unablässig. Sanierungen an Hochhausdächern sind besonders anspruchsvoll, weil vielfältige Anforderungen erfüllt werden müssen – in Bezug auf Brandschutz, Wärmeschutz, Entwässerung, Windsogsicherung, Höhentransport und Witterung.

Erhöhte Brandschutzanforderungen
Die erhöhten Brandschutzanforderungen betreffen den gesamten Dachaufbau und sind über die gesamte Dachfläche anzuwenden. Während bei niedrigeren Gebäuden häufig noch der Einbau von schwer entflammbaren Baustoffen wie Hartschaumplatten möglich ist, müssen diese Bauteile an Hochhausdächern aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen. Folgt man den baurechtlichen Anforderungen, so gilt für Dämmungen, dass die Baustoffe nicht brennbar auszuführen sind, was die zur Auswahl stehenden Produktgruppen erheblich einschränkt. Geeignet sind Dämmstoffe aus künstlichen Mineralfasern, Schaumglas oder Mineraldämmplatten, und sie sind in der Regel in der Beschaffung und der Verarbeitung teurer, besitzen aber im Vergleich zu den Hartschäumen schlechtere Dämmeigenschaften. Auch Bauteile, welche die Dachdecke durchdringen, zum Beispiel Dachabläufe und Entlüftungsleitungen, müssen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen und der Feuerwiderstandsfähigkeit der Decke entsprechen. Diese beträgt bei Gebäuden von mehr als 60 Meter Höhe 120 Minuten. Ihre Montage erfordert besondere Maßnahmen: Überhöhungen an den Rändern der Dächer, die aus Kostengründen häufig aus Holz hergestellt werden, sind bei Hochhäusern ebenfalls aus nicht brennbaren Baustoffen auszuführen. Die Dachhaut besteht gewöhnlich aus Abdichtungsbahnen. Deren Stoffeigenschaften müssen beständig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme sein, was jedoch ihre Brandlast erhöht. Daher ist eine solche Dachhaut mit einer mindestens fünf Zentimeter dicken Schicht aus mineralischen Baustoffen dauerhaft zu bedecken. Die häufig auf Flachdächern verwendete Kiesschicht ist auf Hochhäusern nicht ohne Weiteres umsetzbar. Hierfür sind besondere Berechnungen und Nachweise zur Verwehsicherheit erforderlich. Entsprechend der Gebäudegeometrie ist die Verwehsicherheit in einzelnen Fällen nur noch durch großformatige Betonplatten sicherzustellen. Die schlechteren Dämmeigenschaften und die zusätzlichen Schichten oberhalb der Dachhaut wirken sich auf die Dicke des gesamten Dachaufbaus aus und müssen auf alle An- und Abschlüsse übertragen werden.

Leider teuer
Bereits die Umsetzung der erhöhten Brandschutzanforderungen hat zur Folge, dass die Herstellungskosten für den Dachbau im Verhältnis zu Gebäuden unterhalb der Hochhausgrenze deutlich teurer ausfallen. Grenzen an das Hochhaus niedrigere Dächer an, so sind auch hier erhöhte Anforderungen an den Brandschutz zu beachten. Auf den Dachflächen installierte technische Anlagen und Bauteile sind in der Sanierungsplanung bereits frühzeitig auf ihre Eignung zu prüfen.

Die Dimensionierung der eingesetzten Dämmstoffe erfolgt nach den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes. Für bestehende Wohngebäude mit Flachdächern liegt der Schwellenwert bei einem Wärmedurchgangskoeffizient (W/(m2K)) von ≤ U = 0,20 W/(m2K), was bei einzusetzenden Dämmstoffen eine Mindeststärke von ca. 20 Zentimeter ergibt. Gewöhnlich wird über den Dämmstoff noch zusätzlich das für Flachdächer notwendige Gefälle von zwei Prozent erzeugt. Hierfür werden die Dämmplatten werkseitig passend zu den Abmessungen der Dachfläche in Keile geschnitten und vom Dachdecker planmäßig verlegt. Durch das Gefälle sind Dämmstoffstärken an Hochpunkten von mehr als 30 Zentimeter keine Seltenheit. Der Gefälleverlauf ist bei der Planung aller An- und Abschlüsse insbesondere der Dachränder zu berücksichtigen.

Statik und Windsog
Alle am Dach verlegten Bauteile müssen mit dem Untergrund derart verbunden werden, dass die auftretenden Windsogkräfte sicher abgeleitet werden. Zu diesem Zweck sind objektbezogene statische Nachweise erforderlich, welche bereits während der Planung und späteren Bauausführung erbracht werden müssen.

Da Hochhäuser sich naturgemäß meist in räumlichen Umgebungen mit enger Bebauung befinden, ist die Umsetzung von Bauarbeiten grundsätzlich erschwert. Die den Dachdeckern regulär zur Verfügung stehenden Höhentransportmittel kommen bei Hochhäusern technisch leicht an ihre Grenzen. In solchen Fällen kommen häufig Zahnstangenaufzüge zum Einsatz. Die Montage der Aufzüge ist auf Grund der Fassadengestaltung oft kompliziert und bedarf der umfassenden Planung. Höhentransport und Transportvolumen sind im Vergleich langsamer und räumlich begrenzt.

Das Hochhaus als Sonderbau stellt bei der Dachsanierung vergleichsweise hohe Anforderungen an die zu verwendenden Baustoffe, die handwerkliche Ausführung und die Planung. Um den erforderlichen Sicherheitsaspekten und den technischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen, ist eine frühzeitige Planung durch erfahrene Fachleute unerlässlich.

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Möller, Stephan

STEPHAN MÖLLER
Geschäftsführer der Fachplanung-Dach GmbH, Planungs- und Sachverständigenbüro, Glauburg
www.fachplanung-dach.de