30.08.2018 Ausgabe: 6/2018

Im Winter zu kalt, im Sommer zu heiß?


Mal ist es in einer Wohnung zu kalt, meist in der Übergangzeit von der warmen zur kalten Jahreszeit, mal zu heiß, eher im Sommer und vorwiegend unterm Dach. Geben sich Mieter „temperaturfühlig“ und damit unzufrieden mit der Mietsache, kann das für Vermieter Folgen haben – in Form einer Mietminderung oder des Verlangens, den Zustand durch bauliche Maßnahmen oder Reparatur zu verbessern. Handelt es sich tatsächlich um einen Mietmangel und wird der Vermieter nicht tätig, kann die Kündigung des Mietvertrags durch den Mieter drohen – mit weiteren unangenehmen Folgen, beispielsweise des Schadensersatzes durch Erstattung der Umzugskosten, Ausgleich der Mietdifferenz zwischen alter und neuer Wohnung oder dem Ersatz der Kosten von nicht mehr verwendbaren Einrichtungsgegenständen.

Die Wohnung lässt sich nicht richtig heizen

Die Handhabung der Beheizung einer Wohnung ist in der Rechtsprechung bereits mehr als geklärt. Vermieter wie Verwalter sollten wissen, welche Grundregeln hier zu beachten sind, denn diese sind denkbar einfach: Ein Mieter hat ganzjährig Anspruch darauf, dass für seine Wohnung eine Heizleistung anliegt, die in der Wohnung eine Temperatur von mindestens 20 °C gewährleistet. Diese Temperatur liegt am untersten Rand des Zumutbaren (OLG Frankfurt, Urteil vom 19.12.1991 – 6 U 108/90).
Die mitunter bestehenden Regelungen in Mietverträgen, die Vermieter lediglich dazu verpflichten, die entsprechende Heizleistung in der Heizperiode von Oktober bis April vorzuhalten, sind zwar für energiebewusste Vermieter und die CO2-Bilanz gut, halten jedoch keiner juristischen Prüfung stand, sind somit unwirksam (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.2010 − 24 U 65/10 für Gewerbemietvertrag; LG Landshut, Urteil vom 18.12.1985 – 1 S 1222/85 für Wohnraummietvertrag; Eisenschmidt in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 535 Rd. 393). Auch die Nachtabsenkung ist unzulässig (AG Köln, 24.4.1995 – 206 C 251/94; AG München, 15.7.1987 – 203 C 4133/87). Denn auch hier gilt: Der Mieter hat Anspruch auf eine durchgängige Beheizung seiner Wohnung.

Kommt der Vermieter seiner Verpflichtung zur Lieferung der zu erwartenden Wärme nicht nach, ergeben sich aus manchen Gerichtsurteilen imposante Mietminderungsquoten – abhängig von der Jahreszeit und der jeweiligen Beeinträchtigung (BGH, Urteil vom 10.2. 2010 – VIII ZR 343/08). Bei totalem Heizungsausfall im Winter können es 100 Prozent sein, aber auch schon geringere Temperaturunterschreitungen berechtigen zu deutlichen Minderungen.

Im Sommer unerträglich heiß

Im Sommer kommt es nicht nur witterungsbedingt zu höheren Raumtemperaturen, durch Sonneneinstrahlung können sich auch Gegenstände und Bauteile erheblich aufheizen. In geschlossenen Räumen kann es zur Qual werden, wenn die Temperatur dauerhaft über dem stets subjektiv empfundenen Wohlfühlbereich liegen, tagsüber der Außentemperatur entsprechen, nachts durch Abstrahlung der Außenwände eher noch darüber liegen. Hat nun ein Mieter Anspruch darauf, dass der Vermieter ggf. durch technische Vorrichtungen das übermäßige Aufheizen der Räume verhindert? Gilt dies als Mietmangel?

In der Rechtsprechung zu dieser Problematik finden sich zunächst – jedenfalls veröffentlicht – nur Entscheidungen in Bezug auf die Vermietung von Gewerberaum. Selbst die führenden Kommentarliteraturen zum Wohnraummietrecht befassen sich damit so gut wie gar nicht, streifen sie allenfalls als Randnotiz. Maßgeblich bleibt somit der Inhalt des Mietvertrags: Haben die Parteien in Bezug auf die Beschaffenheit des Mietgegenstandes ausdrücklich Regelungen getroffen, die dessen vertragsgemäßen Zustand definieren? Weicht der vertraglich vereinbarte Zustand von dem tatsächlichen ab? Schnell zeigt sich, dass vertragliche Vereinbarungen zu bestimmten Anforderungen an die Mietsache sowohl bei Wohn- als auch bei Gewerbeobjekten sehr selten sind. Bestimmte Standards werden ganz offensichtlich und unreflektiert einfach vorausgesetzt – und so bestimmt sich der vertragsgemäße Gebrauch, damit auch der Zustand, in dem eine Mietsache sein soll, nach der allgemeinen Verkehrsanschauung, die Alter, Ausstattung und Art des Gebäudes berücksichtigt. Als Richtwerte gelten die technischen Standards zum Zeitpunkt der Errichtung des Objektes bzw. seiner Sanierung. Scheidet nach allgemeinen Grundsätzen ein Mangel der Mietsache zwar noch nicht deshalb aus, weil das Baurecht erfüllt ist (ständige Rechtsprechung des BGH, z. B. Urteile vom 7.7.2010, Az. VII ZR 85/09; 6.10.2004, Az. VIII ZR 355/03), so ist jedenfalls die Einhaltung der technischen Normen ein Indiz dafür, dass ein Mietmangel nicht vorliegt (KG, Urteil vom 5.3.2012, Az. 8 U 48/11).

Maßgeblich in diesem Bereich ist § 3 Abs. 4 der EnEV für Gebäude, in der Fassung nach dem 1.10.2009. Er regelt, dass zu errichtende Gebäude gemäß den Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz nach EnEV-Anlage 1, Nr. 3 auszuführen sind. Dies war in der EnEV vor 2009 nicht enthalten und fand erstmals mit Änderung zum 1.9.2009 Eingang in die Verordnung.

Die genannte EnEV-Anlage verweist wiederum auf DIN 4108-2. Derzufolge ist der notwendige sommerliche Wärmeschutz individuell zu ermitteln, und zwar nach dem Sonneneintragskennwertverfahren, unter Berücksichtigung der jeweiligen Sommerklimaregion, der Bauart des Gebäudes, grundflächenbezogenen Fensterflächen, vorhandenen Nachtlüftungen oder Sonnenschutzverglasungen sowie etwaigen Fensterneigungen. Gradmesser dafür, ob also das Überhitzen von Räumen im Sommer als Mangel der Mietsache gilt, ist die Einhaltung des sommerlichen Wärmeschutzes gemäß EnEV.

Was gilt für Gewerberäume?

Zumindest in der älteren Rechtsprechung zu gewerblichen Räumen zogen die Gerichte teils auch Regelungen des Arbeitsschutzes heran: die Arbeitsstättenverordnung, die Arbeitsstättenrichtlinie und DIN 1946 (Anforderungen an die Klimatisierung von Räumen). Ein Mangel wurde dann bestätigt, wenn die Innentemperatur 26 °C überstieg bzw. bei Außentemperaturen von 32 °C nicht 6 °C darunter lag (OLG Köln, Urteil vom 28.10.1991, Az. 2 U 185/90; OLG Hamm, Urteil vom 18.10.1994, Az. 7 U 132/93; OLG Rostock, Urteil vom 29.12.2000, Az. 3 U 83/98). Begründet wurde dies damit, dass ein Vermieter insbesondere bei gewerblichen Räumen einen Zustand erbringen muss, der es dem Mieter erlaubt, dort Arbeitnehmer zu beschäftigen. Sind die Richtlinien des Arbeitsschutzes nicht erfüllt, handelt es sich um einen Mangel der Mietsache. Neue Gerichtsentscheide treten dieser Auffassung entgegen und erachten die Anknüpfung an die Arbeitsstättenverordnung als für das Mietrecht nicht tauglich, u. a. da diese an den Arbeitgeber, nicht an den Vermieter adressiert ist. Die jüngere Rechtsprechung orientiert sich allein an den Vorgaben der EnEV.

Beweislast des Mieters

Beruft sich ein Mieter auf einen Baumangel, der den vertragsgemäßen Gebrauch mindert, so zeigt sich, dass die neue Rechtsprechung bei der durch den Mieter zu erbringenden Nachweisführung Strenge walten lässt. Zwar wird man von ihm nicht verlangen, eine dem § 3 Abs. 4 EnEV entsprechende Berechnung vorzulegen, um den Mangel zu belegen. Er kann eine dauerhafte Überhitzung aber auch nicht pauschal behaupten, ohne dies substanziell zu unterlegen. Es bedarf einer tagesabhängigen präzisen Angabe der konkreten Raumtemperaturen und der korrespondierenden Außentemperaturen. Nach neuerer Rechtsprechung stellt allerdings auch in diesem Zusammenhang nicht jede erreichte hohe Innentemperatur bereits einen Mangel dar, zumal wenn es sich in einem insgesamt heißen Sommer um nur wenige Tage handelt, an denen Raumtemperaturen über 30 °C erreicht werden. Gelingt dem Mieter die Nachweisführung und er hat ausreichende Indizien für einen Mangel der Mietsache erbracht, darf selbstverständlich auch der Vermieter den Gegenbeweis antreten. Ein solcher Nachweis dürfte mit Blick auf § 3 EnEV unter Vorlage entsprechender Wärmeschutznachweise zu erbringen sein. Selbst in Fällen, in denen ein Mangel festgestellt wird, ist gerade aufgrund des Naturereignisses „Sommer“ auch der Anspruch an den Mieter zu stellen, bei Erhitzung der Räume durch eigenes Verhalten Milderung herbeizuführen. Wie, das entscheidet der Einzelfall, etwa durch Lüften oder den Betrieb von Ventilatoren.

Grenzen des Zumutbaren

Die Zumutbarkeit solcher Maßnahmen endet dort, wo ein Mieter nicht unerhebliche finanzielle Aufwendungen tätigen muss, beispielsweise um mobile Klimageräte anzuschaffen, eine Klimaanlage zu installieren oder einen Sonnenschutz. Auch nächtliches Lüften einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss zählt dazu.
Folgen eines Mietmangels

Liegt tatsächlich ein Mangel vor, greifen die normalen gesetzlichen Ansprüche des Mieters: Er kann die Miete für die Zeit der Überhitzung mindern (BGH, Urteil vom 15.12.2010, XII ZR 132/09), und der Vermieter ist zur Abstellung des Mangels durch geeignete Maßnahmen verpflichtet. Kommt er dem nicht nach, steht dem Mieter das Recht der Vertragskündigung zu.

Präventiv und um etwaige jahreszeitliche Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter zu umgehen, empfiehlt es sich, den ggf. bereits bekannten Umstand, dass Räume sich jahreszeitlich bedingt über die Maßen aufheizen, bereits im Mietvertrag zu berücksichtigen. Die Frage der vertraglichen Beschaffenheit ist ja im Wesentlichen der Vertragsautonomie der Parteien unterworfen. Ist die Beschaffenheit der Mietsache also im Vertrag schon näher definiert, entfällt die Ermittlung des „vertraglich vereinbarten Gebrauchs“ nach der allgemeinen Verkehrsanschauung, und die Vertragsvereinbarung tritt an ihre Stelle. Eine Überhitzung der Mieträume gilt dann als vertragsgerecht und hat keine negativen Folgen als Mietmangel. Dann gilt es nur noch, einen kühlen Kopf zu bewahren.

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Leist, André

Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht in der Kanzlei Leist & Piwarz Rechtsanwälte, Dresden
www.lp-rechtsanwaelte.de