14.05.2021 Ausgabe: vdivDIGITAL 2021

Intelligentes Workflow-Management: Warum die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen künftig unumgänglich ist.

Die Aufgaben der Immobilienverwaltung setzen unterschiedlichste Qualifikationen und Kompetenzen vo­raus – nicht nur als Immobilienspezialist, sondern auch als Marketingexperte, Jurist, Buchhalter, Controller, Verhandlungsführer, Bauingenieur und Service-Center-Manager. Hinzu kommen gesetzliche Regulierungen, Vorgaben zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz sowie die fortschreitende Digitalisierung von Gebäudetechnik und Prozessen, mit denen die Anforderungen immer weiter steigen. Dies alles zu leisten und zu können, wird zur zunehmenden Herausforderung.

Das komplexe Leistungsspektrum der Immobilienverwaltung bilden zahlreiche Prozesse ab, die jeweils von einem bestimmten Ereignis im Tagesgeschäft ausgelöst werden und in Leistungen für Eigentümer und Mieter umgesetzt werden. Die konkrete Ausgestaltung dieser Prozesse erfolgt in jedem Unternehmen unterschiedlich, z. B. in Bezug auf eingesetzte Software, Automatisierungsgrad, Verfügbarkeit von Informationen, Kontrollmechanismen und Entscheidungskompetenzen. Einige Unternehmen lagern Geschäftsprozesse wie den der Neuvermietung vollständig an Dienstleister aus, andere erbringen sie als Dienstleistung auch für andere Verwaltungen. Wie solche Prozesse ablaufen, ergibt sich häufig eher aus der Praxis, ohne vorherige Definition. Dabei ist die Prozessgestaltung entscheidend für die Effizienz erbrachter Leistungen und deren von Kunden wahrgenommene Qualität – somit auch für die Wettbewerbsfähigkeit.

Vom Prozess zum ­Workflow-Management
Die Digitalisierung ermöglicht die Neugestaltung vieler Geschäftsprozesse. Durch den Preisverfall bei Rechnerleistung und Speicherplatz können unstrukturierte Informationen wie Bauakten, Mietverträge, Schriftverkehr und Fotos in großen Mengen digital erfasst und für Entscheidungssituationen zur ­Verfügung gestellt werden. Nicht nur Mitarbeiter, auch Mieter, Eigentümer und Dienstleister können über mobile Endgeräte und die vorhandene Vernetzung standortunabhängig auf diese Informationen zugreifen und in den Ablauf von Geschäftsprozessen eingebunden werden.

Intelligente Workflows steuern Abläufe von Geschäftsprozessen durch die verschiedenen Bearbeitungs- und Freigabestufen automatisch mit digital hinterlegten Ablaufdiagrammen. Bearbeitungsschritte und einfache Entscheidungssituationen werden weitestgehend automatisiert. Komplexe Beurteilungen und Entscheidungen, die menschliches Know-how erfordern, werden über hinterlegte Zuständigkeiten, Vertretungsregelungen und Kompetenzen automatisch den zuständigen Mitarbeitern zugewiesen. Checklisten, die Bereitstellung relevanter Dokumente und der Zugang zu Ergebnissen zurückliegender Entscheidungssituationen befähigen Mitarbeiter, neue Entscheidungen in angemessener Zeit und fundiert zu treffen.

Am Beispiel der Bearbeitung von Schadensmeldungen lässt sich das Prinzip intelligenter Workflows veranschaulichen: Über Online-Portale können Mieter, Hausmeister oder Dienstleister entdeckte Schäden selbst melden und zur Dokumentation auch gleich Fotos beifügen. Schadensmeldungen, die schriftlich, per E-Mail oder telefonisch bei der Verwaltung eingehen, werden in gleicher Weise von Mitarbeitern eingegeben. Dabei wird eine eindeutige Vorgangsnummer erstellt.

Die weitere Steuerung des Ablaufs übernimmt das Workflow-Management: Anhand hinterlegter Zuständigkeiten wird der verantwortliche Objektbetreuer identifiziert, ihm in seiner Aufgabenliste die neue Schadensmeldung angezeigt. Er prüft sie und die begleitenden Dokumente auf Vollständigkeit und fordert bei Bedarf weitere Unterlagen an. So kann häufig auf die aufwendige Inaugenscheinnahme des Schadens vor Ort durch Handwerksbetriebe verzichtet werden. Über die der Meldung zugeordneten Schlüsselbegriffe haben Mitarbeiter Zugriff auf die Historie des Mietverhältnisses und der Flächeninstandhaltung, um den Mietvertrag auf individuelle Instandhaltungsvereinbarungen hin zu überprüfen. Über die Instandhaltungshistorie lassen sich eventuell bestehende Gewährleistungsansprüche identifizieren, sodass abschließend über die Einholung eines Angebots oder die Beauftragung der Schadensbehebung entschieden werden kann. Zu dieser Entscheidung wird Zuständigen vom Workflow ebenfalls über eine zuvor angelegte Zuordnung genau das richtige Unternehmen für das Objekt vorgeschlagen. Dessen Beauftragung wird automatisch generiert und an den Handwerksbetrieb weitergeleitet.

Auswirkungen auf Qualität und Transparenz
Intelligente Workflows können die ­Qualität von Geschäftsprozessen für Mieter, Eigentümer und das eigene Unternehmen deutlich steigern: Für Mieter ist im Schadensfall die Verwaltung über ihr Portal 24/7 erreichbar und der Bearbeitungsstand ersichtlich. Eigentümer profitieren von geringeren Instandhaltungskosten, weil unnötige Anfahrten vermieden und berechtigten Ansprüche geltend gemacht werden. Das Verwaltungsunternehmen selbst profitiert auch: Die Zufriedenheit der Eigentümer- und Mieter steigt, und Sachbearbeiter sind weniger abhängig vom „Inselwissen“ ihrer Kollegen.

Intelligente Workflows schaffen auch mehr Transparenz im Unternehmen: Der Bearbeitungsstand eines Vorgangs und die ihm zugeordnete Dokumentation mit Fotos, Angeboten und Rechnungen sind über die Vorgangsnummer jederzeit einsehbar. So können auch Mitarbeiter, die nicht involviert oder nicht entsprechend qualifiziert sind, Auskünfte erteilen und ihre Kollegen entlasten – behalten mit den Aufgabenlisten zudem stets den Überblick über die ihnen zugewiesenen Projekte.

Weil intelligentes Workflow-Management auch statistische Informationen liefern kann, etwa zur Auslastung einzelner Positionen und zur Erfüllung von Qualitätskriterien, um nur einige zu nennen, erleichtert es die Unternehmenssteuerung. Minimiert werden dabei auch gleich Risiken durch etwaige Bearbeitungsfehler, denn Vorgänge werden standardisiert, Kompetenzen klar verteilt und Kontrollmechanismen definiert.

Ausblick
Intelligente Workflows wirken nicht nur positiv auf Qualität und Transparenz, zukünftig wird auch der steigende Wettbewerbsdruck die Neugestaltung von Prozessen vorantreiben. Immer mehr PropTechs, die einzelne Prozesse der Immobilienverwaltung – z. B. die Vermietung – digital abbilden, treten in den Markt ein und konkurrieren so mit konventionellen Unternehmen. Die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz und ihre Nutzung auch in kleineren Unternehmen wird weitere Innovationskraft entfalten.

Illustration: © Foryoui3 / Shutterstock.com


Mortensen, Henrik

Der Inhaber der Hamburger Mortensen Immobilien e. K. wurde vom VDIV Deutschland als Immobilienverwalter des Jahres 2020 ausgezeichnet.