07.11.2013 Ausgabe: 7/2013

Ist die Abnahme nach der Kündigung eines Bauvertrags erforderlich?

Wenn eine Sanierung abgeschlossen ist, erfolgt die Abnahme. Schwierig wird es jedoch, wenn eine ­Vertragspartei den Bauvertrag kündigt. Dann stellt sich die Frage, ob sich die streitenden Parteien ­­­um eine Abnahme bemühen müssen oder nicht.

Kommt ein Bauvorhaben zur rechten Zeit zu seinem Abschluss, haben die Vertragsparteien zu prüfen, ob der Auftragnehmer seine Leistungen ohne wesentliche Mängel erstellt hat. Ist das der Fall, hat er einen Anspruch auf Abnahme gemäß § 640 Absatz 1 BGB. Die Abnahme beschreibt eine wichtige Zäsur im Baugeschehen und hat weitreichende rechtliche Folgen. So wird der Erfüllungsanspruch des Auftraggebers zum Gewährleistungsanspruch und die Verjährungsfrist der Mängelrechte setzt ein. Überdies geht die Beweislast für nicht vorbehaltene Mängel auf den Auftraggeber über und der Werklohnanspruch des Auftragnehmers wird fällig – um nur einige Folgen der Abnahme zu nennen. Was aber, wenn der Bauvertrag im Streit endet und sich eine Vertragspartei zur Kündigung, gegebenenfalls zur ­Kündigung aus wichtigem Grund entscheidet? Müssen sich die zerstrittenen Parteien dann auch um eine Abnahme bemühen? Wer im Gesetz nach einer Antwort auf diese Frage sucht, bleibt ohne Ergebnis. Das Werkvertragsrecht des BGB bietet keine Regelung an. Anders sieht es in der Vergabe- und VertragsO für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) aus. § 8 Absatz 6 VOB/B räumt dem Auftragnehmer auch im Falle der Kündigung ein Recht auf Abnahme ein. Bei der VOB/B handelt es sich allerdings nicht um ein Gesetz, sondern um sehr komplexe allgemeine Geschäftsbedingungen, die vom Anwender große Sachkunde verlangen und daher von Wohnungseigentümergemeinschaften aus gutem Grund häufig nicht zum Gegenstand von Werkerträgen gemacht wird. Oft genug ist die VOB/B dem Rat Suchenden somit auch keine Hilfe.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Ungewissheit über die Notwendigkeit einer Abnahme im Falle der Kündigung mittlerweile geklärt. Er steht auf dem Standpunkt, dass auch der ärgste Streit zwischen den Vertragsparteien nicht von der Pflicht zur Abnahme entbindet. Sie bleibt notwendige Voraussetzung für die korrekte Abwicklung des gekündigten Bauvertrags. Dabei ist unerheblich, wer die Kündigung ausgesprochen hat. Nach der ­Rechtsprechung des BGH haben beide Parteien, Auftraggeber wie Auftragnehmer, guten Grund, auf einem Termin zur Abnahme zu bestehen. Bei gleicher Gelegenheit sollten sie zusätzlich für ein gemeinsames Aufmaß sorgen, um die bereits bestehenden Konflikte nicht noch zu vergrößern. Selbstverständlich zwingt die erfolgte Kündigung zu einem modifizierten Verständnis.

Sprachliche Kapriolen, aber keine Rechtssicherheit

Gegenstand der Abnahme kann nur das teilfertige Werk sein. Die ursprünglich geplante Funktionalität des Vorhabens ist somit nicht der Maßstab für die Mangelfreiheit. Als frei von wesentlichen Mängeln gilt eine gekündigte Bauleistung schon, wenn die erbrachten Teilleistungen, ohne Fehler aufzuweisen, zum Weiterbau oder zur weiteren Verwendung geeignet sind. In dem so eingeschränkten Rahmen gelten die üblichen Kriterien. Das beschriebene Rechtsverständnis des BGH bereitet der Praxis allerdings erhebliche Probleme. Die Abgrenzung zwischen einer mangelfreien und damit abnahmereifen Teilleistung und einer Leistung, die Stückwerk geblieben, also mangelhaft ist, fördert sprachliche Kapriolen, aber keine Rechtssicherheit.

Auftraggeber und Verwalter stehen damit im Anschluss an eine schwerwiegende Kündigungsentscheidung regelmäßig vor einer weiteren problematischen Entscheidung: Abnahme oder Verweigerung der Abnahme. Die Auflösung dieser Unsicherheit ist nicht in Sicht. Dem Auftraggeber bleibt allein die Hoffnung, die Dinge richtig einzuschätzen und Mut zur Entscheidung. In der Praxis hilft ein Tipp: Zur Sicherung seiner Rechte muss der Auftraggeber die Abnahme durch eine gründliche Bestandsaufnahme vorbereiten und den Stand der Arbeiten ebenso wie erkannte Mängel zum Zeitpunkt der Kündigung im Abnahmeprotoll exakt protokollieren. Auf diese Weise erhält er sich die Möglichkeit, das vom Auftraggeber zurückgelassene Fiasko auch in einem anschließenden Rechtsstreit zu beweisen.

Wer sich verweigert, riskiert ­erhebliche Rechtsnachteile

Die beschriebene Vorbereitung des Abnahmetermins führt zu einem weiteren Praxistipp: Die Bestandsaufnahme ist die Vorarbeit für ein Aufmaß, das die Parteien gemeinsam erstellen sollten. Der Auftraggeber ist gut beraten, den Auftragnehmer nach einer Vertragskündigung stets zugleich zur Abnahme und zum gemeinsamen Aufmaß aufzufordern. Verweigert eine Partei die Mitarbeit an einem gemeinsamen Aufmaß, riskiert sie erhebliche Rechtsnachteile. Sie muss insbesondere damit rechnen, dass ein ohne sie erstelltes Aufmaß für die Rechnungsprüfung als zutreffend zugrunde gelegt wird. Gerade in den hier typischen Fällen ist das von erheblicher Bedeutung. Denn üblicherweise ist der die Kündigung auslösende Streit mit Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der bereits erbrachten Arbeiten verbunden. Hinzu kommt, dass sich die Leistungen des gekündigten Auftragnehmers und des Ersatzunternehmers nach Fortsetzung der Arbeiten oft genug nicht mehr gegeneinander abgrenzen lassen. Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der noch an den gekündigten Auftragnehmer zu erbringenden oder von ihm zu erstattenden Zahlungen sind vorprogrammiert.

Im Abnahmetermin qualifizierte Protokolle verwenden

Nach einer Kündigung dient die Abnahme auch der Sicherung (nach)vertraglicher Ansprüche. Das gilt insbesondere für die schon erwähnten Mängelrechte. Ihre vollständige Erfassung erfolgt mit der Bestandsaufnahme. Bekannte Mängel müssen bei der Abnahme vom Auftraggeber protokolliert und die daraus abgeleiteten Mängelrechte vorbehalten werden. Nur so beugt man einem folgenschweren Rechtsverlust vor. Immerhin droht gemäß § 640 Absatz 2 BGB der Verlust der Ansprüche auf Nachbesserung, Ersatzvornahme und Minderung. Auftraggeber erliegen immer wieder dem Irrtum, eine Kündigung aus wichtigem Grund mache jeden späteren Kontakt zum gekündigten Auftragnehmer entbehrlich. Dem ist natürlich nicht so. Mängelrechte wie die Nachbesserung sind auch nach einer Kündigung – genauso wie im ungekündigten Vertrag – geltend zu machen. Vorbeugen kann man mit einem Praxistipp: Im Abnahmetermin sollten qualifizierte Protokolle verwendet werden, die wie eine Checkliste genutzt werden und eine eigene Rubrik für die Erklärung der Mängelvorbehalte vorhalten.

Die Notwendigkeit zur Erklärung eines Vorbehalts gilt im Abnahmetermin gleicher Maßen für die Vertragsstrafe. Gute Bauverträge sehen effektive Regelungen vor, die verspätete Leistungen des Auftragnehmers mit empfindlichen Geldstrafen sanktionieren, die sich auf bis zu fünf Prozent der Auftragssumme belaufen können. Sie haben erhebliche wirtschaftliche Bedeutung und erleichtern dem Auftraggeber die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die auf die schleppende Leistung des Auftragnehmers zurückgehen. Zur Durchsetzung einer Vertragsstrafe genügt eine vertragliche Regelung allein allerdings nicht. Zusätzlich ist ein expliziter Vorbehalt anlässlich der Abnahme erforderlich. Dies fordert das Gesetz (§ 341 Absatz 3 BGB) und das gilt auch im Falle der Kündigung eines Bauvertrags. Auch hier hilft der Praxistipp, qualifizierte Abnahmeformulare zu verwenden, die standardmäßig über einen Vertragsstrafevorbehalt verfügen. Dann kann die sehr wichtige Erklärung in der Hektik eines Termins nicht vergessen werden.

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Milobara, Zvonimir

Der Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Bau- und Architektenrecht ist Partner in der alteingesessenen Kölner Kanzlei Reuter Herweg Arndt Partnerschaft. Dabei betreut er unter anderem Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft. Milobara ist Mitglied im Deutschen Anwaltverein und Autor zahlreicher Fachartikel.