14.05.2021 Ausgabe: vdivDIGITAL 2021

Ist online die Lösung? Die Eigentümerversammlung in Corona-Zeiten

Die Durchführung einer Eigentümerversammlung in Zeiten der Corona-Pandemie stellt Verwaltungen weiterhin vor große Herausforderungen. Drei Möglichkeiten der Umsetzung werden derzeit diskutiert: reine Präsenzversammlungen, reine Online-Versammlungen und Hybridversammlungen. Der neue § 23 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) erlaubt lediglich die Online-Teilnahme, nicht aber die reine Online-Versammlung. Sie ist nur durch Vereinbarungen möglich, die derzeit aber wohl kaum bereits vorliegen werden. Mit Online-Teilnahme ist die technisch realisierte Zuschaltung einzelner Eigentümer aus der Ferne zu einer physisch stattfindenden Präsenzversammlung gemeint. Man nennt das ­Hybridversammlung. Bei einer reinen Online-Versammlung dagegen gibt es gar keinen physischen Versammlungsort mehr, und die Kommunikation ist ausschließlich auf elektronischem Wege möglich. Verwalter müssen daher auch weiterhin zur Präsenzversammlung einladen, brauchen weiterhin einen Versammlungsraum. Und unter welchen Voraussetzungen können sich Eigentümer dann zuschalten?

Voraussetzungen der Online-Teilnahme
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) erlaubt die Online-Teilnahme nicht automatisch. § 23 Abs. 1 S. 2 WEG erteilt lediglich die Beschlusskompetenz, Versammlungen für die Online-Teilnahme zu öffnen. Diese Vorschrift begründet deshalb auch keinen Anspruch einzelner Wohnungseigentümer auf eine Online-Teilnahme. Vielmehr muss in einer Versammlung entschieden werden, ob künftig davon Gebrauch gemacht werden soll. Bei der Abstimmung können die Wohnungseigentümer frei entscheiden: Der Maßstab ordnungsmäßiger Verwaltung wird in aller Regel weder die Öffnung noch die Nicht-Öffnung für die Online-Teilnahme erfordern. Für das Jahr 2021 bedeutet dies: Die Öffnung muss für die Zukunft in einer klassischen Präsenzversammlung entschieden werden. In der aktuellen Situation hilft das Verwaltern nicht weiter. Ausgebremst von den Maßnahmen gegen Corona ist die Durchführung von Präsenzversammlungen zurzeit schwierig oder gar nicht möglich. Ob, wie und ab wann sich das wieder ändert, kann nicht pauschal beantwortet werden. Hier gilt es, sich mit den Regelungen der einzelnen Bundesländer auszukennen und auf dem Laufenden zu bleiben. Bei den hybriden Eigentümerversammlungen stehen wir also erst am Anfang. Was Verwalter beachten müssen, wenn die Eigentümergemeinschaft einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, erläutert Prof. Dr. Florian Jacoby in seinem Textbeitrag auf Seite 4 f.

Die Vorteile digital unterstützter Versammlungen liegen auf der Hand: Kleinere Räume verursachen weniger Kosten und weniger Aufwand für Verpflegung und Hygienemaßnahmen. Der Kreis der Teilnehmer wird größer, weil z. B. Kapitalanleger aus der Ferne dabei sein können. Versammlungen gehen zügiger vonstatten, so lässt sich sinnvoll auch über nur wenige oder gar einen einzigen Tagesordnungspunkt abstimmen, und man könnte sie auch zu anderen Zeiten einberufen. Die Entscheidungsfindung geht schneller, es fallen weniger Anfahrtswege an und damit geringere Reisekosten. Bei entsprechender Gestaltung des Verwaltervertrags können WEG-Verwaltungen zusätzliche Einnahmen erzielen. Zudem werden diejenigen, die eine Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen nicht anbieten, am Markt künftig das Nachsehen haben.

Die Suche nach der passenden Lösung
Wer sich nun auf die Suche nach einer geeigneten Lösung für die technische Umsetzung macht, sollte auf Folgendes achten: Wichtige Auswahlkriterien sind die Schnittstelle, intuitive Workflows für Diskussionsführung und Abstimmungen, die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bzw. der General Data Protection Regulation (GDPR) der Europäischen Union, die Dokumentation der Teilnahme und des Ein- und Ausloggens (wer ist wann anwesend?), die Steuerung von Abstimmungsprozessen, der Rednerliste bzw. von Wortmeldungen, die Protokollerstellung und die Schnittstelle zur Beschlusssammlung, die flexible Nutzbarkeit mit stationären und mobilen Endgeräten wie PC, Laptop, Tablet und natürlich Smartphone (Headset empfohlen), responsives Design mit Unterstützung führender Browser-Technologien wie Google Chrome, Microsoft Edge oder Apple Safari und ein transparentes Pay-per-Use-Bezahlmodell mit günstigen Kosten pro Teilnehmer.

Besonderes Augenmerk wird auf die Schnittstelle zur Verwaltungs-Software zu legen sein, denn neben den Adressdaten der Eigentümer müssen auch die für Abstimmungen erforderlichen Daten transferiert werden: Köpfe, Einheiten oder Miteigentumsanteile. So lassen sich Anwesenheit und Abstimmung leicht dokumentieren. Persönlich anwesende Teilnehmer können wiederum wählen, ob sie ihre Stimme per Smartphone oder über ein Leih-Tablet selbst abgeben, oder ob stellvertretend der Verwalter Handzeichen digital erfasst. Nutzen alle Teilnehmer technische Geräte, vereinfacht das die Auszählung des Abstimmungsergebnisses deutlich. Allein wegen dieser zu beachtenden Aspekte scheiden Lösungen wie Teams, Zoom etc. aus, und man muss sich als Verwalter mit professionellen Portalen beschäftigen.

FAZIT
Hybridversammlungen stellen Immobilienverwaltungen und Eigentümer vor Herausforderungen. Einerseits stehen Versammlungen dringend an, andererseits sind nicht alle Eigentümer den Online-Lösungen aufgeschlossen, die derzeitigen Regelungen nicht ohne Weiteres umsetzbar. Dass Verbände derzeit fordern, reine Online-Versammlungen umgehend gesetzlich zu ermöglichen, ist nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar dagegen ist, dass dies im Rahmen der Notfallgesetzgebung im Aktien- und Vereinsrecht mit Art. 2 § 5 des Abmilderungsgesetzes geschah, den Wohnungseigentümergemeinschaften jedoch verwehrt blieb.

Foto: © fizkes / Shutterstock.com


Haase, Steffen

Chefredakteur VDIVaktuell
Geschäftsführer der Immobilienverwaltung Haase & Partner GmbH; Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Immobilienverwalter Bayern e.V.; Vizepräsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V.; Er ist Herausgeber verschiedener Bücher und Fachpublikationen.