20.01.2017 Ausgabe: 1/2017

Kautionssparbuch sichert bereits verjährte ­Betriebskostennachforderungen nicht

(BGH, Urteil vom 20.7.2016, Az.: VIII ZR263/14)

DAS THEMA

Der Vermieter kann sehr häufig mit der Kaution aufrechnen, denn grundsätzlich können auch bereits verjährte Forderungen aufgerechnet werden, wenn sich diese vor der verjährten Zeit gegenübergestanden haben. Der BGH macht in dieser Entscheidung allerdings auf eine wenig beachtete Ausnahme hinsichtlich dieser Aufrechnungsmöglichkeiten bei wiederkehrenden Leistungen aufmerksam und spezifiziert dies für Betriebskostennachforderungen (für den Vermieter durchaus nachteilig).

DER FALL

Das Mietverhältnis endete im Mai 2009, sodass der Mieter nach landläufiger Auffassung sechs Monate später, im November 2009 seine Kaution hätte zurückfordern können. Erst am 28.12.2012 erhob der Mieter jedoch Klage auf Rückgabe des Kautionssparbuchs. Der Vermieter erhielt diese Klage im März 2013 und berief sich mit Widerklage auf Nachzahlungsansprüche aus Betriebskosten für die Jahre 2006 – 2009 in Höhe von ca. 960 Euro, von denen auf das Jahr 2009 knapp 130 Euro entfielen. Bei Erhebung dieser Widerklage im Jahr 2013 waren die Rückzahlungsansprüche für die Jahre 2006 – 2008 unstreitig schon verjährt. Der Vermieter berief sich jedoch darauf, dass der Rückzahlungsanspruch für die Kaution mit der landläufig bekannten Sechsmonatsfrist nach Ende des Mietverhältnisses im November 2009 fällig geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Betriebskostennachforderungen noch nicht verjährt, sodass sich die aufrechenbaren Forderungen in unverjährter Zeit bereits gegenübergestanden hatten und daher auch jetzt noch eine Aufrechnung mit der Kaution möglich sei.

Diese Überlegung enthält jedoch einen logischen Denkfehler, den der BGH aufdeckt: Solange die Betriebskostennachforderungen des Vermieters unverjährt bestanden, hätte er dafür die Kaution in Anspruch nehmen können, sodass ein Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters gar nicht entstanden wäre. Die Betriebskostenansprüche der Jahre 2006 – 2008 waren allerdings zum Zeitpunkt der Widerklage verjährt, sodass es nun doch darauf ankam, ob sich diese Forderungen unverjährt mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch gegenübergestanden sind. Hier weist der BGH auf die sehr versteckte Vorschrift des § 216 Abs. 3 BGB hin, die für wiederkehrende Leistungen eine Ausnahme von dem Grundsatz regelt, dass Forderungen, die sich früher einmal unverjährt gegenübergestanden haben, auch nach Verjährung noch aufgerechnet werden können. Dies gilt gerade nicht bei wiederkehrenden Leistungen. Der BGH stuft auch Betriebskostennachzahlung als wiederkehrende Leistungen ein. Sie bilden nur den Saldo der Betriebskostenabrechnungen, der auf den Betriebskostenvorauszahlungen basiert; sie sind also ganz zweifellos ebenso wie die Miete selbst wiederkehrende Leistungen. Auch hat der Vermieter jährlich abzurechnen, daher ist auch die Entrichtung des Saldos eine ­wiederkehrende ­Leistung. Dass dieser möglicherweise schwankt, manchmal Null beträgt und manchmal sogar für den Vermieter negativ ist (= Betriebskostenguthaben des Mieters), spielt keine Rolle. Da diese Sonderregelung greift, kann die Aufrechnungsmöglichkeit mit der Kaution den Verjährungseintritt der Betriebskostennachforderungen schon denklogisch nicht verhindern: Solange die Betriebskostennachforderungen noch nicht verjährt sind, besteht kein Kautionsrückzahlungsanspruch. Umgekehrt besteht der Kautionsrückzahlungsanspruch mit Verjährung der Betriebskostennachforderungen, die auch nicht durch die grundsätzliche Möglichkeit der Aufrechnung mit bereits verjährten Forderungen verhindert wird, weil diese Möglichkeit für wiederkehrende Leistungen gerade ausgeschlossen ist. Einmal verjährte Betriebskostennachforderungen hindern daher den Kautionsrückzahlungsanspruch nicht. Der BGH betont ausdrücklich, dass die landläufige Sechsmonatsfrist sich so nirgendwo aus dem Gesetz ableiten lässt; vielmehr ist die Mietsicherheit zurückzugeben, wenn eine angemessene Überlegungsfrist abgelaufen und dem Vermieter keine weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zustehen.

Darüber hinaus schneidet der BGH die Frage an, in welchem Umfang der Vermieter eine Kaution zurückbehalten darf, wenn er nur noch Ansprüche hat, die den Kautionsbetrag, wie hier, deutlich unterschreiten. Der BGH konnte dies jedoch nicht entscheiden, weil die Vorinstanz keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der geringfügige Restbetrag von knapp 130 Euro tatsächlich bereits bezahlt war.

Verwalter­strategie

Diese Entscheidung stellt einerseits eine Erleichterung, andererseits eine Erschwernis für die Geltendmachung von Ansprüchen nach Ende eines Wohnraummietvertrags dar. Geklärt ist durch diese Entscheidung, dass die bisher gängige Sechsmonatsfrist für die Kautionsabrechnung nicht streng eingehalten werden muss. Hat der Vermieter berechtigte Ansprüche, besteht ein Kautionsrückzahlungsanspruch noch nicht, eine Abrechnung ist daher auch nicht fällig. Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn die Ansprüche des Vermieters deutlich geringer sind als der zur Verfügung gestellte Kautionsbetrag; dies ist aber hier nicht entschieden worden.
Umgekehrt ist eine „Flucht in die Kautionsabrechnung“ hinsichtlich verjährter Betriebskostenabrechnungen nach dieser Entscheidung denklogisch nicht mehr möglich. Entweder sind die Betriebskostennachzahlungen noch nicht verjährt, dann gibt es auch noch keinen Kautionsrückzahlungsanspruch, mit dem diese aufrechenbar gegenüberstehen könnten. Oder aber er ist verjährt, erst dann entsteht der Kautionsrückzahlungsanspruch. Darüber hinaus würde für Ansprüche aus Betriebskostenabrechnungen die erweiterte Möglichkeit zur Aufrechnung nicht gelten, weil es sich bei diesen Abrechnungen ebenfalls um „wiederkehrende Leistungen“ handelt, für die der Aufrechnungsausschluss in § 216 Abs. 3 BGB gilt. Vor diesem Hintergrund muss der Verwalter auch schon während des laufenden Mietverhältnisses dafür sorgen, dass Betriebskostennachzahlungen rechtzeitig eingefordert und gegebenenfalls verjährungsunterbrechend geltend gemacht werden.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.