17.06.2019 Ausgabe: 4/19

Keine Entlastung des Verbrauchers - Die Ausweitung des Bestellerprinzips auf Immobilienkäufe ist kontraproduktiv, so Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub.

Anfang April traf DDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler den Ehrenpräsidenten des DDIV Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub in seiner Berliner Niederlassung der Kanzlei Bub Memminger & Partner. Der renommierte Anwalt, Unternehmer und Feingeist bezog vor nicht allzu langer Zeit seine neuen Kanzleiräume in Berlin-Grunewald. Vormals befand sich auf dem Gelände die Harald-Juhnke-Villa, die einsturzgefährdet abgerissen werden musste. Im Gespräch ging es natürlich nicht nur um Architektur, Kunst und neueste Pläne von Prof. Bub, sondern auch um das vielerorts diskutierte Thema der Ausweitung des Bestellerprinzips auf Maklerprovisionen für Immobilienverkäufe, was für die Vermietung von Wohnraum bereits seit 2015 existiert. Wolf-Rüdiger Bub hatte dazu jüngst für den Ring Deutscher Makler eine Stellungnahme verfasst, was ausführlichen Gesprächsbedarf mit sich brachte.

Herr Prof. Dr. Bub, warum verstößt das Bestellerprinzip beim Immobilienkauf gegen die grundgesetzlich verankerte Berufsfreiheit, bei der Wohnraumvermietung aber nicht?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 über die Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des Bestellerprinzips bei Maklerprovisionen für Wohnraummietverträge hat für das vorliegende Gesetzesvorhaben keine präjudizielle Bedeutung, da die Interessenlage beim Kauf einer Immobilie mit derjenigen bei der Anmietung einer Wohnung nicht vergleichbar ist. Zum Bestellerprinzip für die Vermittlung von Mietwohnungen hat das Bundesverfassungsgericht im Kern ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit Blick auf die zuvor übliche Praxis nachvollziehbar festgestellt, dass auf dem Mietwohnungsmarkt soziale und wirtschaftliche Ungleichgewichte zulasten der Wohnungssuchenden bestehen. Mit dem Bestellerprinzip sei eine sozialstaatlich gerechtfertigte Regelung geschaffen worden, die im Sinne des Verbraucherschutzes verhindern soll, dass Wohnungssuchende Kosten zu tragen haben, die vorrangig im Interesse des Vermieters entstanden sind. Insoweit ist das Gericht auch der Annahme des Gesetzgebers gefolgt, dass die Maklerkosten neben den oft bereits hohen Mieten, die zusätzlich aufzubringende Mietkaution für das neue Mietverhältnis sowie nicht selten auch Umzugs- und Renovierungskosten geeignet sind, gerade wirtschaftlich schwächere Mieterhaushalte zu überfordern.

Warum sollte die Entscheidung des Verfassungsgerichts diesmal anders ausfallen?

Der dem Bestellerprinzip bei der Vermietung einer Wohnung zugrundeliegende Lebenssachverhalt ist mit der entsprechenden Situation beim Immobilienkauf nicht vergleichbar und daher auf diesen nicht übertragbar. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Märkte, die auch einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Betrachtung bedürfen. Ich habe in meiner Stellungnahme auf den wesentlichen Unterschied Bezug genommen: Anders als beim bereits geltenden Bestellerprinzip für die Vermittlung von Mietwohnraum findet eine Entlastung des Verbrauchers durch die Einführung eines Bestellerprinzips für den Erwerb selbstgenutzten Wohnraums nicht statt. Eine solche Entlastung wäre Grundvoraussetzung, um überhaupt in eine Abwägung wechselseitiger Interessen der Marktteilnehmer – hier der Kaufanwärter und der Makler – eintreten zu können.

Ohne Entlastung der Käufer also keine gesetzliche Beschränkung der Berufsfreiheit?

Das Bestellerprinzip ist nur bei der Vermittlung von Mietwohnraum ein treffendes Argument für das Anliegen der Sicherung bezahlbaren Wohnraums. Dies, weil aufgrund des sozialen Mietpreisrechts die Vermietung einer Wohnung/Wohnimmobilie von einem Wirtschaftsgut, dessen Anschaffungs- und/oder Herstellungskosten streng marktwirtschaftlichen Gesetzen folgt, zu einem Sozialgut mutiert, dessen Preis nach Zurverfügungstellung auf dem Mietmarkt gerade nicht mehr nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten bemessen werden kann. Im frei finanzierten Wohnungsbau/-markt wird der zulässige Mietzins – die Erstvermietung und ihr gleichstehende Situationen ausgenommen – insbesondere reglementiert durch den Mietspiegel, die Mietpreisbremse und andere Faktoren; insoweit ist die Höhe des Mietzinses durch staatliche Eingriffe limitiert. Dies führt auch dazu, dass die Verlagerung der Maklerkosten von der Mieterseite auf die Vermieterseite nicht zu einer Erhöhung der Miete und damit zu einer echten Entlastung der Mieter führt. Eine solche Entlastung wird es für Erwerber bei Einführung des Bestellerprinzips für den Kauf von Wohnimmobilien nicht geben. Dies ist auch entscheidend für die verfassungsrechtliche Bewertung des Gesetzesvorhabens im Lichte der Berufsausübungsfreiheit des Artikels 12 GG. Insoweit fehlt es bereits an einem erforderlichen legitimen Allgemeinwohlbelang. Ein solcher könnte nur in Betracht gezogen werden, wenn die Erwerber von Wohnimmobilien finanziell tatsächlich durch die ­avisierte ­Regelung entlastet würden.

Warum würde die geplante Regelung nicht die erhoffte Wirkung zugunsten der ­Käufer haben?

Bei typisierender Betrachtung würde der Verkäufer einer Immobilie zum einen die Maklerkosten für die Vermittlung eines Käufers in seine Kaufpreiskalkulation ebenso einbeziehen wie etwa die Kosten eines eigenen Vertriebs. Zum anderen würden die Käufer aufgrund des dadurch erhöhten Endverkaufspreises und damit verbundener Grunderwerbsteuerrelevanz spürbar mehr belastet. Das Vorhaben konterkariert damit vielmehr den vom Gesetzesentwurf vorgegebenen Allgemeinwohlbelang der finanziellen Entlastung von Erwerbern von Wohnimmobilien bei den Nebenkosten.

Ihren Ausführungen zufolge schließt die Garantie der freien Berufswahl die Freiheit ein, das Entgelt für berufliche Leistungen frei mit dem Interessenten auszuhandeln. Wie beurteilen Sie die Aussage im Referentenentwurf zur Ausweitung des Bestellerprinzips, dass Kaufinteressenten, die mit dem Makler über die Provisionshöhe verhandeln, faktisch aus dem Bewerberkreis ausscheiden?

Diese Annahme des Referentenentwurfs stimmt nicht mit dem überein, was tägliche Praxis und seit langem Realität ist. Aller Erfahrung nach ist es heute üblich, dass potenzielle Erwerber von Wohneigentum über die Höhe der Maklerprovision verhandeln. Ein gut vorbereitetes Gesetzgebungsvorhaben hätte diesen Befund durch entsprechende Erhebungen am Markt, z. B. bei den Maklerverbänden, verifizieren können. Insoweit fehlt es bereits an der notwendigen Erhebung der rechtstatsächlichen Feststellungen. Unbelegte Behauptungen sind aber nicht ausreichend, um ein Gesetzesvorhaben zu begründen. Tatsächlich ist es auch so, dass nicht der Makler entscheidet, mit wem er weiterverhandelt; dies entscheidet allein dessen Auftraggeber, dem der Makler selbstverständlich berichtspflichtig ist. Ist der Auftraggeber der Verkäufer der Immobilie, entscheidet dieser regelmäßig auch, wie hoch die Provision maximal ausfallen darf; das gelegentlich ins Feld geführte Argument, die Höhe der Provision interessiere die Verkäufer nicht, unterschätzt deren ökonomische Intelligenz heftig. Der Verkäufer hat ein virulentes Interesse daran, dass der Makler nur eine angemessene, leistungsgerechte Provision erhält. Die Kosten für den Makler sind – auch und gerade wenn sie vom Interessenten zu zahlen sind – eine Position in dessen Erwerbskostenkalkulation; d. h. im Ergebnis für den Verkäufer, dass unangemessene Provisionen den am Markt erzielbaren Kaufpreis senken. Ein wirtschaftlich denkender und handelnder Verkäufer wird schon aus diesem Grund den Makler an angemessene Gesamtprovisionen binden, etwa in Höhe der Kosten, die bei einer eigenen Vertriebsleistung des Verkäufers anfielen.

Sie kommen zu dem Schluss, dass Verkäufer die Provision künftig einpreisen werden und Käufer so eine höhere Grunderwerbsteuer zahlen müssen. Welche Rolle spielt hier der marktwirtschaftliche Grundsatz von ­Angebot und Nachfrage?

Der Preis für Eigentumswohnungen und Häuser wird allein am Markt ermittelt. Der jeweilige Gesamtaufwand für den Verbraucher setzt sich u. a. aus Kaufpreis, inklusive ggf. erforderlicher Finanzierungskosten, Notar- und Grundbuchkosten, Grunderwerbsteuer und Maklerkosten zusammen. Wird eine dieser Positionen, namentlich die Maklerkosten, von der Käuferseite auf die Verkäuferseite verlagert, ändert dies unter Kostengesichtspunkten für den Käufer im Ergebnis nichts. Der vermeintlichen Ersparnis auf der Käuferseite steht der um die Einpreisung der Maklerkosten erhöhte Endverkaufspreis des Verkäufers gegenüber. Wie schon erwähnt, ergibt sich in ökonomischer Hinsicht lediglich ein Effekt: Die in den Verkaufspreis mit einzustellenden Maklerkosten, die zur Erhöhung des Verkaufspreises führen, unterliegen der Grunderwerbsteuer, was den Käufer zusätzlich belastet. All dies ist kein Problem von ­Angebot und ­Nachfrage.

Das IW Köln hält diese Entwicklung für unwahrscheinlich, da Makler einen zeitnahen Abschluss anstreben und Interessenten nicht zwangsläufig kaufen müssten …

Die Betrachtung setzt an der falschen Stelle an: Das IW Köln stellt in seiner Einschätzung grundsätzlich zutreffend fest, dass der Verkäufer wesentlich besser über die Provisionshöhe verhandeln kann als der Käufer, da er die Möglichkeit hat, verschiedene Angebote einzuholen. Es zieht hieraus aber meines Erachtens die falschen Schlüsse und verkennt, dass der Verkäufer – wie zuvor erwähnt und begründet – typischerweise auf die Höhe der Maklergebühren Einfluss nimmt. Die Verhandlungsposition – namentlich die Höhe der Maklergebühren – vor dem Hintergrund des erzielbaren Verkaufspreises bildet der Markt ab. Nicht mit der Realität übereinstimmend ist die Annahme, dass die Funktion des Maklers losgelöst von Käufer und Verkäufer sei.

In der Diskussion kommt die im Interesse sowohl des Käufers als auch des Verkäufers stehende Aufgabe des Maklers zu kurz. Die besteht nach gesetzlicher Wertung darin, dass er unbekannte Vertragsmöglichkeiten eröffnet oder einen Vertragsschluss vermittelt. Er empfängt seine Legitimation aus der Wettbewerbswirtschaft und überwindet die Planlosigkeit, zieht Informationen zusammen und ermöglicht das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage. Diese Kompetenz und Leistung ist selbstverständlich zu vergüten. Denn sie wird vom Verkäufer „outgesourct“, unter Einsparung eigener Aufwendungen – die sich in der Höhe des erzielbaren Kaufpreises niederschlagen, indem sie davon abgezogen werden. Hat der Verkäufer diese Kosten auch bei privaten Immobilienkäufen zu tragen, wird dies nur dazu führen, dass diese entweder für die eigene Vertriebsabteilung eingepreist werden oder als Kosten für den Einkauf der Kompetenz des Maklers ebenfalls in die Verkaufspreiskalkulation einfließen.

Sie führen zudem an, dass auch die Reduzierung der Grunderwerbsteuer nicht geeignet sei, die Erwerbsnebenkosten zu senken, da Verkäufer diese Ersparnis ebenfalls einpreisen würden. Dass die Erwerbsnebenkosten in Deutschland mit bis zu knapp 16 Prozent des Kaufpreises vielen Interessenten den Weg ins Wohneigentum erschweren oder gänzlich verhindern, ist wohl unbestritten. Welchen Weg sehen Sie, um Immobilienkäufer zu entlasten?

Es liegt in der Tat nicht fern, dass auch eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer nicht dazu führt, die Käufer von Wohnimmobilien zu entlasten. Auch hier müsste eine empirische Erhebung erfolgen, um zu ermitteln, ob so frei werdende Spielräume tatsächlich nicht genutzt werden. Im Gegensatz zur Einführung des Bestellerprinzips ist diese Maßnahme vom Koalitionsvertrag gedeckt. Erstaunlich also, dass diese – jedenfalls im Ansatz – Immobilienkäufer entlastende Maßnahme nicht erkennbar verfolgt wird. Eine Entlastung von Immobilienkäufern ist im Übrigen durch sämtliche am Markt bewährten Instrumente zu erreichen, die geeignet sind, das Angebot zu erhöhen. Nur beispielhaft nenne ich die Nutzung von Baulandreserven, verbunden mit Modellen, die Preissenkungen implizieren, oder das Baukindergeld, aber auch speziell zugeschnittene Bürgschaftsprogramme oder Verbesserungen bei der Wohnungsbauprämie.

Ohne in die Kristallkugel zu schauen: Wie wird das Gesetzgebungsverfahren ausgehen und welche Signale sind damit verbunden?

Der Gesetzesentwurf wird sich in der jetzigen Fassung nicht durchsetzen lassen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der Koalitionspartner CDU/CSU ein solches Vorhaben durchwinkt, zumal es im Koalitionsvertrag nicht vereinbart ist. Man darf hier auf dessen ökonomisches Verständnis hoffen, das diesem Vorhaben Einhalt gebietet. Dies nicht zuletzt, weil der Entwurf weit über das hinausgeht, was im Rahmen des Wohngipfels vom 21. September 2018 als Zielsetzung formuliert wurde. Ganz unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht, ist hiermit zumindest für die Bürger das positive Signal verbunden, dass die Politik die Notwendigkeit erkannt hat, den Erwerb von privatem Wohneigentum zu fördern und die Eigentumsquote zu erhöhen. Am Rande sei erwähnt: Dies ist auch der effektivste „Mieterschutz“.


Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland