02.11.2021 Ausgabe: 7/21

Keine Panik! Umsicht und gezielte Vorkehrungen sind gefordert, um sich gegen Elementarschäden zu schützen.

Noch haben wir alle die schrecklichen Bilder der Überschwemmungskatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor Augen, und wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass Elementarschäden keine Einzelfälle mehr sind und vor allem nicht immer nur woanders vorkommen, wurde wieder einmal eines Besseren belehrt. Starke Gewitter und in der Folge Sturzfluten haben auch Straßen und Orte getroffen, die bisher eigentlich als weitgehend überschwemmungssicher galten.

Die Elementarversicherung
Wohl dem, der eine Elementarversicherung hatte oder hat. Die üblichen Standardpolicen in der Gebäudeversicherung umfassen zwar Schäden durch Sturm und Hagel, nicht aber durch Hochwasser, Überschwemmung (durch Starkregen) oder Erdrutsche. Diese durch Naturereignisse verursachten Elementarschäden müssen mit Elementarverträgen zusätzlich abgesichert werden, wobei die Deckung in der Regel in die Gebäudeversicherung eingeschlossen werden kann.

Inzwischen werden schon Stimmen laut, die die Elementarversicherung als verpflichtend einführen wollen – interessant, denn dass das bisher anders gesehen wurde, ist anscheinend Schnee von gestern. Gut beratende und vorausschauend agierende Verwaltungen haben spätestens nach dem mit der bisher höchsten Schadenssumme von rund 14 Mrd. Euro abgerechneten Hochwasser, der Elbe-Flut 2002, dafür gesorgt, dass ihren Eigentümern ein solcher Elementareinschluss in der Gebäudeversicherung zur Beschlussfassung vorgelegt wurde. Welches Ausmaß die Schäden der jüngsten Katastrophen haben werden, ist noch nicht genau absehbar. Befürchtungen der Versicherungswirtschaft zufolge könnten es rund sechs Milliarden Euro sein.

Wie war das mit den ­Hagelschäden?
Werfen wir doch einmal den Blick zurück auf das Jahr 1984: Damals gab es eine ähnliche Entwicklung. Kaum eine Gebäudeversicherung beinhaltete damals eine Deckung gegen Hagelschlag – bis zur Hagelkatastrophe von München. Seitdem wurde die Deckung von Hagelschäden in der Gebäudeversicherung zum Standard, und heute käme niemand mehr auf die Idee, Hagelschäden aus der Gebäudeversicherung ­auszunehmen.

Natürlich sollte man jetzt erst recht handeln – mit Vehemenz, aber ohne Panik sollten Verwaltungen darauf dringen, dass der Einschluss von Elementarrisiken zur Notwendigkeit wird. Die damit verbundenen Kosten stehen in keinem Verhältnis zu denen möglicher Schäden – bis hin zum Totalverlust des Gebäudes. Das haben die Sturzfluten und Überschwemmungen im Sommer gezeigt.

Mit Sorgfalt recherchieren
Nun blind eine Beschlussvorlage zur Elementarversicherung zu schaffen, ist auch keine Lösung. Man sollte genau recherchieren und das Gespräch mit dem jeweiligen Versicherungsagenten suchen. So zeigt sich, welcher Umfang einer Elementarversicherung denn überhaupt notwendig ist und in welcher Konstellation ihr Deckungsumfang einer Beschlusslage zugeführt werden muss. Letztlich weiß man ja, und man muss es Eigentümern auch vor Augen führen, dass es nicht überall umfassenden Versicherungsschutz gibt, beispielsweise in absoluten Hochrisikogebieten.

In die Recherchen einbezogen werden sollten daher die ZÜRS-Zonen. Sie helfen, regionale Gefahrenpotenziale einzuschätzen, bedürfen allerdings dringend der Überarbeitung, um sie den jüngsten Erkenntnissen über den Klimawandel und Veränderungen in Bezug auf Stark­regenereignisse anzupassen.

Auch die seit einiger Zeit bei den Landesämtern für Naturschutz angelegten Fließpfade-Karten bieten Orientierungshilfe. Sie werden sukzessive erstellt, fortgeführt und zur Einsicht bereitgehalten. Diese recht einfachen topografischen Darstellungen von Siedlungen zeigen, welchen Weg Wassermassen im Ernstfall nehmen würden. Für den Standort eines verwalteten Gebäudes lässt sich die grundsätzliche Gefahrenlage aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ganz gut einschätzen, weil erkennbar ist, wie und wo Starkregen, der ggf. Bäche zum Anschwellen bringt, in Tieflagen zur Wasseransammlung führen kann. Diese Erkenntnis führt zu weiteren Fragestellungen: Wie könnten Wasser, Schlamm, Geröll somit ins Gebäude gelangen? Können Vorkehrungen gegen solche drohenden Gefahren getroffen werden, um Schäden prophylaktisch einzugrenzen? Welchen Deckungsbereich strebt man mit dem Elementareinschluss am besten an? Kann oder sollte man die Prämie über den Selbstbehalt beeinflussen? Verwaltungen, die in diesem Sinne aktiv werden und Eigentümern entsprechende Vorschläge unterbreiten, haben ihre Aufgabe, zu bewahren und vorzusorgen, bereits erfüllt und zeigen damit Professionalität und Weitblick.

Schlimmer kommt’s nimmer?
Das Ausmaß der bereits erwähnten Schäden steigt zusätzlich deutlich, wenn das Wasser auch noch durch das Zusammentreffen mit Abwässern kontaminiert wird. Die Schadensbehebung an Wänden und Böden in Gebäuden wird dann besonders aufwendig. Unterspülungen der Häuser führen zu Rissen und Senkungen bis hin zum Einsturz. Auch Schäden am Hausrat sind hier beachtlich und sollten in das beratende Gespräch mit dem Versicherungsfachmann miteinbezogen werden, um auf dieser Basis die richtigen Empfehlungen für Eigentümer aussprechen zu können. Nicht außer Acht zu lassen sind zudem Folgeschäden, etwa durch Erdbeben, Erdrutsche, Schneelast und -lawinen.
Die wohl wichtigste Erkenntnis aus den jüngsten Ereignissen, die von allen Fachleuten geteilt wird, ist doch, dass Starkregen und das daraus aus verschiedensten Gründen entstehende Hochwasser jede Region treffen kann – in welcher Größenordnung, das beeinflussen die örtlichen Gegebenheiten. In einigen Städten wird nun an der Erstellung von Gefahrenkarten für Starkregen gearbeitet. Und es ist schon jetzt kein Geheimnis mehr, dass das öffentliche Kanalnetz in stark befestigten und bodenversiegelten Regionen den heutigen Regenmassen nicht gewachsen ist. Die Durchleitungskapazität der Abwasserrohre ist schlichtweg zu klein, sodass sie häufig zu weiteren Überschwemmungen und Überflutungen von Kellern und Tiefgaragen führen.

Dem Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Petteri Taalas, ist also nur zuzustimmen, wenn er sagt: „Der Klimawandel verschärft die Situation.“ Verantwortungsbewusste Verwaltungen sollten daher nicht zögern tätig zu werden, zu prüfen, zu recherchieren und sich mit Unterstützung der Versicherungsfachleute beraten zu lassen, was Eigentümergemeinschaften zu ihrer Sicherheit vorzuschlagen ist. Tun sie das nämlich nicht, könnten sie Ärger bekommen, und wer will das schon?!

Bei der Gelegenheit sollte man auch gleich an die Vorsorge zum entsprechenden Selbstschutz denken. Vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichtenlage zu Elementarereignissen werden es die Eigentümer danken.

Foto: © SewCream / Shutterstock.coom


Merkel, Werner

Vorstandsvorsitzender des Internationalen Verbandes für Immobilienmanagement
IVIM Minsk, Präsidiumsmitglied und Schatzmeister des VDIV Deutschland