12.04.2024 Ausgabe: vdivDIGITAL 2024/1

KI und Personal

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Möglichkeiten und Grenzen

Viele Arbeitgeber nutzen KI-Anwendungen im Personalbereich. Dabei werden die Möglich­keiten einerseits unterschätzt. Andererseits sind die technischen und rechtlichen Gren­zen häufig unbekannt.

KI Grundlagen

Wie jede Software basie­ren auch Anwendungen im Bereich künstlicher Intelligenz auf Algo­rithmen. Als Teil eines Computerprogramms führte ein Algorith­mus in der Vergangen­heit stets dazu, dass bei einer bestimmten Ein­gabe immer das gleiche Ergebnis ausgegeben wurde. Auch KI basiert auf Algorithmen, aber KI-Systeme nutzen zusätzlich Methoden des Maschi­nellen Lernens. Dies ermöglicht es ihnen, aus großen Datenmengen Muster zu lernen und zu erkennen. Um dies zu erreichen, werden künstliche neuronale Netze geschaffen, die der Struktur eines menschlichen Gehirns entsprechen sollen. Zwischen der Eingabe und der Aus­gabe existieren weitere „versteckte“ Schichten (soge­nannte Hidden-Layers).

Das System ist fähig, Algorithmen zu ändern (Deep Lear-ning als Unterform des maschinellen Lernens). Es kann nicht mehr sicher vorhergesagt werden, welches Ergeb­nis bei einer bestimmten Eingabe erfolgt. Die Entstehung des Ergebnisses ist von außen betrachtet nicht mehr ohne Weiteres nachvollziehbar.

Beispiele für KI-Einsatz im HR-Alltag:
Stellenausschreibungen

Stellenausschreibungen anzufertigen ist eine aufwendige und unbeliebte Tätigkeit. Denn die Aufgabe besteht darin, die erforderlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu formulieren. Derjenige, der die Stellenausschreibung verfassen soll, hat aber häufig keine genaue Vorstellung von den erforderlichen Anforderungen. Bisher erforderte dies daher eine ausführliche Recherche und zahllose Rück­fragen an den zukünftigen Vorgesetzten. Bereits die kos­tenlose Version von ChatGPT erstellt auf Anforderungen in wenigen Sekunden eine detaillierte Stellenausschreibung.

Vorauswahl Kandidaten

Bei der anschließenden Sichtung der Bewerberdaten können Anwendungen zur Vorauswahl geeigneter Kandidaten eingesetzt werden. Sogar Bewerbungsge­spräche können durch KI unterstützt oder sogar von Chatbots geführt werden. So lassen sich durch eine Sprachanalyse psychologische und kommunikations­bezogene Eigenschaften eines Bewerbers ermitteln. Letzten Endes wäre es (technisch) sogar möglich, der KI die Entscheidung über die Einstellung zu überlassen.

Arbeitsverträge

Auch Arbeitsverträge könnte man von ChatGPT erstellen lassen. Die Ergebnisse sind allerdings wenig hilfreich, fehlen doch wichtige Regelungen wie Ausschluss der Kündigung vor Arbeitsbeginn, Vertragsstrafe bei Nichterscheinen, Verpflich­tung zur Leistung von Überstunden, Pauschalabgeltungsre-gelung für Überstunden und eine Rentenbeendigungsklausel.

Weitere Anwendungsgebiete für KI im Personalbereich

Zu nennen sind hier Arbeitsschutz-/Arbeitssicherheit, Fehlzeitensteuerung, Dienstplangestaltung, Personaleinsatzplanung, Urlaubsplanung u.v.m.

ChatGPT und Abmahnung

Die Erstellung einer Abmahnung funktioniert recht gut. Die Eingabe: „Mein Mitarbeiter ist heute 15 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen. Erstelle eine Abmahnung!“ führt binnen Sekunden zu einem verwertbaren Ergebnis.

KI und Personalführung

Auch auf die Frage: „Herr Müller ist Vorgesetzter im Vertrieb. Viele seiner Mitarbeiter sind häufig krank. Was könnte die Ursache sein?“ antwortet die KI recht aus­führlich mit Vorschlägen zu den Ursachen und Prob­lemlösungsansätzen bis hin zu Ratschlägen, in welchen Situationen ein Austausch von Herrn Müller angezeigt sein könnte.

Chat GPT bei der Zeugniserstellung

Das Problem bei der Zeugniserstellung ist (spiegelbildlich zur Stellenausschreibung), dass Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse beurteilt werden müssen, von denen der Zeugnisersteller nur recht verschwommene Vorstellungen hat. Das Ergebnis ist häufig ein aussageloses Zeugnis für einen Hausmeister, dass ebenso für einen Immobilien­kaufmann tauglich wäre. Zeugnisse, die von KI erstellt werden, berücksichtigen indes in Sekunden die Anforde­rungen der jeweiligen Tätigkeit.

Technische Grenzen

In technischer Hinsicht ist zu beachten, dass die Anwen­dungen häufig nicht auf dem aktuellen Stand sind. So ergab z.B. eine Anfrage an ChatGPT am 26.2.24, dass der aktuelle Wissenstand September 2022 ist.

Rechtliche Grenzen: z.B.Diskriminierung

  • Die rechtlichen Grenzen sind mannigfaltig. Äußerst anschaulich ist das Urteil des Hessisches LAG vom 25.02.2021 (17 Sa 1435/19). Hier war eine Stewardess gekündigt worden, weil diese bei einem computerge­stützten Test von der KI-Anwendung als potenzielle Gefährderin identifiziert wurde. Das Gericht forderte eine Begründung, warum die Arbeitnehmerin eine Gefährderin sein solle. Die Fluggesellschaft erklärte, dass die Anwendung von einem anerkannten Anbie­ter stamme. Weder die der Arbeitnehmerin gestellten Fragen noch die durch die künstliche Intelligenz dar­aus gezogenen Schlüsse seien der Arbeitgeberseite bekannt. Ein Problem, das wesensimmanent für KI-Anwendungen ist. Da der Arbeitgeber nicht angeben konnte, warum die Arbeitnehmerin eine Gefährderin sein sollte, verlor er den Kündigungsschutzprozess.
  • Ein weiterer bekannter Fall betrifft einen Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleich-behandlungsgesetzes (AGG) durch eine KI-Anwen­dung, die unter den eingegangenen Bewerbungen immer jene mit einem niedrigen Scorewert versah, die von Frauen stammten. Obwohl der Anwendung ausdrücklich verboten worden war, nach Begriffen zu suchen, die auf eine Bewerbung einer Frau schließen ließen, setzte die KI die Diskriminierung von weib­lichen Bewerbungen fort. Es stellte sich am Ende heraus, dass in dem Mitarbeiterpool, der der KI für das KI-Training übermittelt worden war, Frauen stark unterrepräsentiert waren. Die Anwendung schloss daraus, dass Frauen unerwünscht waren und tat nun alles, um diese auszusortieren. Eine KI ist eben nur so diskriminierungsfrei, wie der Datenpool, anhand dessen sie trainiert wird.

Rechtliche Grenzen:
z.B. automatisierte Entscheidungen

Rechtliche Probleme bereitet auch das Verbot automa­tisierter Entscheidungen in § 22 DSGVO. Automatische Absagen an Bewerber verstoßen jedenfalls dann gegen § 22 DSGVO, wenn kein menschlicher Entscheider das letzte Wort hat. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes v. 7.12.23 wissen wir aber, dass bereits das Verwenden eines Wahrscheinlichkeitswertes, der auto­matisiert erstellt wird, unter das Verbot fällt, sofern von diesem Wahrscheinlichkeitswert maßgeblich abhängt, ob ein Vertragsverhältnis mit dieser Person begründet wird.

Die ausdrückliche und freiwillige Einwilligung in eine Verarbei­tung der Bewerberdaten durch KI erscheint hier zunächst als rechtlicher Ausweg. Allerdings deuten die einschlägigen euro­parechtlichen Vorgaben darauf hin, dass eine Einwilligung im Bewerbungsverfahren wegen des Ungleichgewichts zwischen Bewerber und (zukünftigem) Arbeitgeber nicht freiwillig im Sinne des Gesetzes sein kann. Zudem muss dem Bewerber vor Erteilung der Einwilligung in transparenter und leicht ver­ständlicher Weise offengelegt werden, welche Parameter für die KI entscheidungserheblich sind. Dies dürfte dem Arbeit­geber systembedingt häufig sehr schwerfallen.

Achtung Schadensersatzforderungen!

Verstöße gegen die Bestimmungen der DS-GVO begrün­den gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO Ansprüche des Betroffenen auf materiellen und immateriellen Schadenersatz. Zudem droht bei Verstößen ein Bußgeld von bis zu 20 Millionen Euro oder 4% des gesamten weltweiten Jahresumsatzes.

Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei die Nutzung von KI nach § 106 Gewerbeordnung untersagen kann.

KI-Verordnung normiert Regeln

Soll KI gleichwohl eingesetzt werden, so sollte unbedingt die neue KI-Verordnung der EU eingehalten werden. Hier werden Regeln für die Nutzung entsprechender Anwen­dungen normiert. Weitere rechtliche Grenzen können sich aus dem seit langem geplanten Beschäftigtenda-tenschutzgesetz ergeben, wenn es denn eines Tages in Kraft treten sollten.

Negm-Awad, Sami

Rechtsanwalt

Rechtsanwälte Pribilla Kaldenhoff Negm www.kaldenhoff-negm.de