24.10.2019 Ausgabe: 6/19

Kollegen, wacht ­endlich auf! Plädoyer einer Praktikerin für mehr Mut und ­Selbstbewusstsein bei der Gestaltung von ­Verwalterhonoraren.

Ende März war ich als Teilnehmerin einer Podiumsdiskussion eingeladen. Gastgeber war der VdIV Hessen. Im Rahmen des 16. Verwalterforums in Bad Homburg ging es um Preisgestaltung und angemessene Vergütungsstrukturen für die Leistungen von Immobilienverwaltern – und so manche Wortmeldung versetzte mich wirklich in Staunen. VdIV-Vorstandsmitglied und Verwalterkollege Heiko Schlag weckte mit seiner Äußerung, dass in seinem Unternehmen in Kahl am Main keine Eigentümerversammlung mehr nach 17:00 Uhr beginne, den Unmut der Zuhörer: „Wir sind doch Dienstleister – das haben wir uns schließlich ausgesucht“, hieß es unter anderem. Und als ich ausführte, dass ich meinen Eigentümergemeinschaften die Erstellung notwendiger neuer Energieausweise mit je 200 bis teils sogar 500 Euro in Rechnung gestellt habe, ging ein Raunen durch den Saal.
Dazu nur eine kurze Anmerkung: Mehr als 90 Prozent unserer Belegprüfungen für das vergangene Jahr liegen bereits hinter uns, und absolut keine WEG hat die zusätzlichen Kosten mit auch nur einer Silbe moniert. Wir allerdings haben im Jahr 2018 durch die Energieausweise ein Zusatzeinkommen von 35.000 Euro erzielt. Meine Mitarbeiter, die damit wirklich viel zu tun hatten, konnten sich so über die höher ausfallende Bonuszahlung für Sonderrechnungen freuen.

Gelegenheiten nutzen
Um mein Unternehmen sicher aufzustellen, habe ich zu Jahresbeginn die Firmierung als Einzelunternehmerin in eine Personengesellschaft umgewandelt. Nun will es das Gesetz so, dass ich im Jahr 2019 das Einzelunternehmen und die Personengesellschaft parallel führe – solange bis die letzte WEG in der jährlichen Eigentümerversammlung die Abdankung des Einzelunternehmens akzeptiert und die Personengesellschaft als Verwalterin bestellt.

Die Umwandlung nahm ich zum Anlass, meinen Verwaltervertrag zu modifizieren. Beschlüsse zur Erhöhung der Verwaltergebühr, habe ich bereits mit einigen Gemeinschaften, die ich schon seit mehr als 20 Jahren betreue, durchgeführt, aber noch nie den ganzen Vertrag neu gestaltet. Allein der neue Vertragsentwurf, der dem Muster des VDIV nicht unähnlich ist, verursachte bei einigen Eigentümern Schnappatmung.


Richtig kalkulieren
In diesem Zug habe ich auch endlich einmal meine Verwaltergebühren richtig KALKULIERT. In der Folge wurden rund 80 Prozent meiner WEG nicht nur mit einem neuen Vertrag, sondern auch mit deutlich höheren Preisen konfrontiert. VDIV-Geschäftsführer  Martin Kaßler hatte auf demselben Verwalterforum eine Anhebung des Vergütungsniveaus um 40 Prozent als realistisch bezeichnet. Ich habe für die Personengesellschaft diese Marke um weitere 20 Prozent überschritten. Dazu muss man sich einfach einmal Folgendes vor Augen führen: Ein Rechtsanwalt verlangt durchschnittlich einen Stundensatz von 250 Euro. Verliert er den für seinen Mandanten geführten Prozess, haftet er noch nicht einmal. Der Berater, der die Umwandlung der Gesellschaftsform meines Unternehmens begleitete, kostete 200 Euro pro Stunde. Wäre dabei etwas schiefgegangen, könnte ich ihn wohl zur Verantwortung ziehen?

Und dennoch: Letztlich stellte der typische Eigentümer Q in der Eigentümerversammlung seine eigene Berechnung zu dem in meinem Vertrag geforderten Stundensatz von 75 Euro an – und kam stattdessen auf 45 Euro. Ein anderer vom selben Typ, aber aus einer anderen WEG, lud sich den zur Einsicht im Kundenportal bereitgestellten neuen Verwaltervertrag runter und übersandte ihn mir später per E-Mail als „korrigiert“ – ganze fünf Sätze entsprachen noch meinem Original.

Ich kann die Kollegen an dieser Stelle nur dazu ermutigen, sich von solch übergriffigem Verhalten nicht einschüchtern zu lassen. Ich selbst habe mich in beiden Fällen selbstbewusst dagegen gestellt und jeweils eine neue Bestellung für fünf Jahre eingeholt. Die Angst, einen Auftrag zu verlieren, weil man eine angemessene Bezahlung verlangt, ist in diesem Fall ein schlechter Berater.


Einfach machen!
Über viele Jahre habe ich die Bearbeitung von Schadensfällen als meine Aufgabe betrachtet – was sie ja auch ist. Aber in der Grundvergütung ist sie nicht enthalten. Vor drei Jahren erst wurde mir das bewusst – und ich wies meine Mitarbeiter an, dafür Zusatzrechnungen zu stellen. Anfangs klappte das einfach nicht – bis ich das Bonussystem für Zusatzrechnungen einführte. Lediglich etwa zehn Prozent unserer Kunden haben zunächst pikiert darauf reagiert, denn früher war diese Leistung ja umsonst. Aber wir haben keine einzige WEG deshalb verloren – sie hatten ein Einsehen. Uns beschert das seither dauerhaft etwa zehn Prozent unseres Jahresumsatzes von rund einer halben Million Euro. Indem ich meine Mitarbeiter daran beteilige, gelingt es mir, eingearbeitetes und qualifiziertes Personal zu halten.


Umdenken!
Noch einmal zurück zur Grundvergütung: Hier müssen wir alle umdenken! Wir sind schon lange nicht mehr nur nette, zugewandte Organisatoren mit mäßigen bis guten Buchhaltungskenntnissen und der Fähigkeit zu moderieren. Allein damit kommt man heute nicht mehr weit, sofern man nicht auch in gewisser Weise Jurist, Energieexperte, Bauingenieur und nicht zuletzt Seelenklempner ist. Wir kennen ihn alle, den Eigentümer, der jeden Satz damit beginnt, dass er ja noch zwölf andere Wohnungen besitzt, dessen Schwager Anwalt ist, der alles, was wir tun, selbst machen könnte, weil er es sowieso besser weiß, aber leider keine Zeit hat … Wir können unseren Job nur gut machen, wenn wir durch entsprechende Schulungen, eigene Recherchen, das Lesen von Kommentierungen etc. Beschlussvorschläge erarbeiten, die rechtssicher sind. Gehen wir doch mal in uns: Einen solchen Aufwand und so viel Risiko gab es vor 20 Jahren noch nicht, oder? Wie kann es dann sein, dass unsere Vergütungsstruktur noch der von vor 20 Jahren entspricht?
Die Anforderungen an uns Verwalter sind exorbitant gestiegen, und der Rechtsprechung zufolge werden wir für jedwedes Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen. Dagegen müssen wir uns absichern, damit im Ernstfall die Versicherung zahlt – und damit es gar nicht erst dazu kommt, bilden wir uns stetig fort.

Meines Erachtens ist das Verwalter-Risiko, für Fehler haftbar gemacht zu werden, der aktuellen Rechtsprechung zufolge höher als das eines Rechtsanwalts. Statt aber annähernd den gleichen Stundensatz von 250 Euro zu verlangen, müssen wir uns auch für 75 Euro noch rechtfertigen.
Viele der Zusatzaufgaben, die wir heute erledigen, haben sich nach und nach bei uns eingeschlichen: Ausweisung haushaltsnaher Dienstleistungen, Datenschutz, Eichgesetz etc. Hätten sie von Anfang an alle auf unserer Agenda gestanden, hätten wir bemerkt, dass da was nicht stimmt. Zeit, aufzuwachen und aktiv zu werden.


Zeit, aufzuwachen!
So manches Immobilienunternehmen betreibt die WEG-Verwaltung eher als Nebengeschäft, denn eigentlich sind sie Makler. Die guten Einkünfte aus diesem Bereich gleichen die aus der viel zu niedrig kalkulierten Verwaltung aus – und machen den hauptberuflichen Verwaltern die Preise kaputt, letztlich auch die Existenz. Ich gebe zu bedenken, dass – Stichwort: Bestellerprinzip – die WEG-Verwaltung künftig an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen könnte. Man sollte nicht an dem Ast sägen, auf dem man sitzt.

Der Blick in die Zukunft

So mancher WEG-Verwalter arbeitet für sein Auskommen grundsätzlich 60 bis 70 Stunden pro Woche – es war ja schon immer so, und letztlich muss es jeder für sich entscheiden. Was in dieser Generation von Unternehmern aber noch gang und gäbe war, sehen die Nachwuchskräfte heute ganz anders: 60 Wochenstunden für ein Einkommen, dass noch nicht einmal den Kauf einer Eigentumswohnung ermöglicht? Ich bin doch nicht blöd! Wer heute im Alter von 60+ sein Unternehmen noch immer bis zur Selbstaufgabe führt, sollte zumindest seine Kunden darauf vorbereiten, dass sich für sie in ein paar Jahren einiges ändern wird: Die nächste Verwaltung wird das Doppelte verlangen, dafür aber auch wesentlich mehr Service und Know-how
bieten.
Um ehrlich zu sein, blicke ich gerade auf 25 Jahre Misswirtschaft zurück, nach denen ich mir nun endlich monatlich 5.000 Euro Gehalt auszahlen kann. Klingt erstmal gut, aber nach Steuern und für eine 60-Stundenwoche? Meine Tochter, die das Unternehmen in ein paar Jahren übernehmen wird, beansprucht das gleiche Geld für eine 30-Stundenwoche, genau wie die meisten anderen, die tatsächlich in unsere Fußstapfen treten wollen. Unsere Leistung um die Hälfte zu reduzieren, wird nicht funktionieren. Deshalb muss es in Zukunft darum gehen, unseren Umsatz zu steigern, und zwar um 50 Prozent.

Appell zum Schulterschluss
Beruflich müssen wir extrovertiert sein, moderieren und uns behaupten. Und wenn es um die Vergütung geht, knicken wir ein, ganz serviler Dienstleister! Wie viele Hausmeisterdienste verdienen mehr als wir? Und dabei muss für die Pflege der Außenanlagen, die Treppenhausreinigung, die Umstellung der Heizung von Winter- auf Sommerzeit und den Einlass der Handwerker ins Haus niemand studieren oder sich ständig die aktuelle Rechtsprechung zu Gemüte führen. Dafür trägt man auch keine Verantwortung für die Willensbildung einer WEG und korrekt gefasste, unanfechtbare Beschlüsse. Diese Unterschiede müssen sich in der Vergütungsstruktur niederschlagen. Daher appelliere ich an alle Kollegen – und weiß mich darin vom VDIV unterstützt: Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, von der 60-Stundenwoche für einen Hungerlohn wegzukommen, hin zu einem Berufsbild, das leistungsgerecht vergütet wird und akzeptable Arbeitszeiten vorweisen kann.

Foto: © samritk / Shutterstock.com


Kollig, Bianca

Günderin und Inhaberin der Hausverwaltung Bianca Kollig in Heusenstamm
www.hv-kollig.de