07.08.2013 Ausgabe: 5/2013

Kontrollierte Wohnungs­lüftung im Bestand

Die Gebäudehülle bei Neubauten und gedämmten Bestandsgebäuden wird immer dichter, weil die Wärmeenergie im Gebäude bleiben und nicht ungenutzt verheizt werden soll. Das allerdings schafft neue Probleme, wenn nicht für ausreichenden Luftwechsel gesorgt wird.

Irgendwann kommt jedes Gebäude in das Alter, bei dem die Fenster ausgetauscht und die Fassade erneuert werden müssen. Dann kommt meist auch ein Wärmedämmverbundsystem zum Einsatz. Nach der Sanierung kommt der frühere, natürliche Luftaustausch durch Fenster und Ritzen weitgehend zum Erliegen. Deshalb muss der notwendige Austausch anderweitig sichergestellt werden. Geschieht dies nicht, kann das Feuchteschäden, Schimmelbefall und Schadstoffanreicherungen in der Raumluft zur Folge haben. Ist der Schimmel erst einmal da, droht ein langwieriges Verfahren mit teuren Sachverständigengutachten.

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) schreibt in § 6 Absatz 2 den gesundheitlich erforderlichen Mindestluftwechsel in Wohngebäuden gesetzlich vor, der in der DIN 1946-6 festgelegt ist. Darin sind Regeln für die Belüftung von Wohngebäuden, Grenzwerte und Berechnungsmethoden für den notwendigen Luftaustausch festgelegt. Die Norm definiert mit dem Lüftungskonzept erstmalig ein Nachweisverfahren, mit dem berechnet werden kann, welche lüftungstechnische Maßnahme für ein Gebäude erforderlich ist. Für Neubauten ist grundsätzlich ein Lüftungskonzept erforderlich. Bei der Instandsetzung oder Modernisierung eines Gebäudes ist dann ein Lüftungskonzept erforderlich, wenn in einem Mehrfamilienhaus mehr als ein Drittel der Fenster einer Nutzungseinheit ausgetauscht wird.

Die vier Lüftungsstufen der DIN 1946-6

Der Planer oder Verarbeiter muss festlegen, wie der notwendige Luftaustausch unter hygienischer und bauschutztechnischer Sicht erfolgen kann. Das Lüftungskonzept kann jeder Fachmann erstellen, der lüftungstechnische Maßnahmen plant, ausführt, instand hält oder Gebäude plant und modernisiert. Herzstück der Norm sind die vier Lüftungsstufen unterschiedlicher Intensität:

  • Die Feuchteschutzlüftung muss abhängig vom Wärmeschutzniveau des Gebäudes den Bautenschutz unter üblichen Nutzungsbedingungen bei teilweise reduzierten Feuchtelasten (zum Beispiel zeitweilige Abwesenheit der Nutzer, Verzicht auf Wäschetrocknung) gewährleisten. Diese Stufe muss ständig und nutzerunabhängig sichergestellt sein.
  • Die reduzierte (nutzerunabhängige) Lüftung ist zusätzlich notwendig, um den hygienischen Mindeststandard (Schadstoff­belastung) und Bautenschutz bei zeitweiliger Abwesenheit des Nutzers zu gewährleisten. Diese Stufe muss weitestgehend ­nutzerunabhängig sicher gestellt sein.
  • Die Nennlüftung beschreibt die notwendige Lüftung, um die hygienischen und gesundheitlichen Erfordernisse sowie den Bautenschutz bei Normalnutzung der Wohnung zu gewährleisten. Der Nutzer kann hierzu teilweise mit aktiver Fensterlüftung einbezogen werden.
  • Die Intensivlüftung dient dem Abbau von Lastspitzen, zum Beispiel durch Kochen und Waschen. Auch hier kann der Nutzer teilweise mit aktiver Fensterlüftung einbezogen werden.

Die Grafik zeigt den möglichen Aufbau einer Nachrüstung im Bestand. Über der Küche wird Frischluft (grün) angesaugt, im Lüftungsgerät gefiltert und bei Geräten mit Wärmerückgewinnung über die Abluft temperiert. Anschließend wird die aufbereitete Luft (rot) mit einem Kanalsystem in die Räume befördert. Die Abluft (gelb) wird abgesaugt und nach draußen befördert.

Der Studie Wohnen und Leben 2012 des Marktforschungsinstituts Innofact zufolge ist in 17 Prozent der deutschen Haushalte mindestens ein Raum von Schimmel befallen. In mehr als der Hälfte der Fälle ist das Badezimmer betroffen, zu 38 Prozent das Schlafzimmer. Grund dafür ist in erster Linie unzureichendes Lüften in Verbindung mit falschem Heizverhalten. Den größten Anteil der Feuchtigkeit in Wohnräumen verursachen die Bewohner selbst. Die sogenannte Wohnfeuchte entsteht durch Atmung, Schweiß, Duschen, Waschen und Kochen. Daraus lässt sich als Richtwert für den hygienisch notwendigen Volumenstrom 30 Kubikmeter Frischluft je Person und Stunde ableiten. Dieser Wert wird auch in der Lüftungsnorm zugrunde gelegt wird. Je nach der Wohnfläche pro Person bedeutet dies Luftwechselraten zwischen 0,3 und 0,8. Die Luftwechselrate ist das Verhältnis zwischen dem ausgetauschten Luftvolumen pro Stunde zum gesamten Raumvolumen.
Damit die Innenraumluft so weit wie möglich belastungsfrei bleibt, sollte eine Luftwechselrate von 0,3 nicht unterschritten werden. Liegt dieser Wert darunter, steigt die Konzentration von Schadstoffen, die aus Baustoffen, Möbeln und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs in die Raumluft gelangen. Als Schätzwert kann bei Wohnungen für das Auslegen der Lüftungsanlage ein Luftwechsel von 0,4 angesetzt werden.

Die Lüftungssysteme
Häufig fällt es den Wohnungsnutzern nach energetischen Maßnahmen schwer, ihr gewohntes Heiz- und Lüftungsverhalten anzupassen. Dann kann der Einbau von Lüftungsanlagen sinnvoll sein. Lüftungsanlagen nach dem Querlüftungsprinzip erreichen bei der Lüftungs- und Energieeffizienz die besten Ergebnisse. Eine einfache Abluftanlage mit dezentraler Nachströmung der Zuluft ist am kostengünstigsten. Die Abluftanlage saugt mit einem Ventilator aus stark belasteten Bereichen wie Küche, Bad und WC Luft ab und bläst sie über einen Kanal nach außen. Damit sie funktioniert, müssen aber gleichzeitig in anderen Räumen, meist Wohn- oder Schlafzimmer künstlich Undichtigkeiten in der Gebäudehülle geschaffen werden, die einen ausreichenden Zustrom an frischer Luft sicherstellen. Möglich machen das zum Beispiel sogenannte Fensterfalzlüfter oder Außenluftdurchlässe. Allerdings stört viele Bewohner der Betrieb der Ventilatoren.

Abluftanlagen eignen sich für die Altbausanierung bis zum Niedrigenergiehausstandard. Für die meisten zu modernisierenden Altbauten ist diese Variante lüftungstechnisch und energetisch eine gute Lösung, die der Lüftungsnorm Genüge tut. Sinnvoll ist ihr Einsatz zum Beispiel in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit. In der Regel werden die dezentralen Lüftungsgeräte neben dem Fenster oder im Bereich der Fensterbank montiert. Dezentrale Zu- und Abluftgeräte gibt es auch mit Wärmerückgewinnung. Dabei entzieht ein Wärmetauscher der Abluft einen Großteil ihrer Wärme und heizt damit die einströmende Außenluft auf.

Zentrale Lüftungsanlagen saugen ebenfalls die verbrauchte Luft mit einem Ventilator aus den Feuchträumen. Gleichzeitig leitet ein zweiter Ventilator Außenluft über Luftkanäle in die Wohn- und Schlafräume. Ist eine solche Anlage mit einem Wärmetauscher ausgestattet, spart sie viel Energie. Je nach Effizienz und Lüftungsverhalten sind Wirkungsgrade von bis zu 95 Prozent möglich. Damit kann die Außenluft fast die gesamte Wärme aus der Abluft aufnehmen, die teuer produzierte Heizenergie bleibt in der Wohnung. Die temperierte Zuluft ist fast so warm wie die Raumtemperatur. Das spart nicht Energie und erhöht die sogenannte thermische Behaglichkeit. Allerdings müssen diese Geräte regelmäßig gewartet werden, weil sie mikrobiologisch verunreinigen. Auch die Filter, die Schmutz, Staub und Pollen aus der Außenluft ferngehalten, müssen regelmäßig getauscht werden.
Immer mehr Wohnungsunternehmen und Eigentümergemeinschaften setzen bei energetischen Maßnahmen an der Gebäudehülle auf kontrollierte Wohnungslüftung, weil sie das Risiko langwieriger Prozesse mit ungewissem Ausgang wegen Schimmel minimieren wollen. Da ist es kein Wunder, dass der Markt für Wohnraumlüftungen wächst. Trotz des gesamtwirtschaftlich schwierigen Umfelds und der Eurokrise betrug das akkumulierte Wachstum im Jahr 2012 in Deutschland 17,6 Prozent.

Foto: © Lane V. Erickson / Shutterstock.com, Pluggit


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