18.01.2021 Ausgabe: 8/20

Kündigungssperre wegen der COVID-19-Pandemie, Glaubhaftmachen des Zusammenhangs

(AG Hanau, Urteil vom 31.7.2020 – Az. 32 C 136/20)

DAS THEMA
Dies ist das erste veröffentlichte amtsgerichtliche Urteil zu einem Thema, das die mietrechtliche Rechtsprechung in den kommenden Jahren noch viel beschäftigen wird. Im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020, das über Art. 240 § 2 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) ins bürgerliche Recht eingeflossen ist, wurde bestimmt, dass der Vermieter ein Mietverhältnis nicht kündigen kann, wenn der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen.

Hierdurch wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der Mieter sein Mietobjekt, insbesondere seine Wohnung durch Kündigung verliert, falls er die drei sogenannten Corona-Mieten nicht leisten kann, aus Gründen, die auf der Pandemie beruhen. Das Urteil beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, worauf sich die Glaubhaftmachung richtet, schafft aber auch Klarheit hinsichtlich des von der Kündigung unabhängigen Anspruchs auf Mietzinszahlung.

DER FALL
Der Vermieter hatte die Kündigung ausgesprochen, nachdem der Mieter die drei Corona-Mieten (April, Mai und Juni 2020) nicht bezahlt hatte. Der Mieter hatte vorgetragen, dass er in dieser Zeit weder Überweisungen tätigen noch Geld von seinem Konto abheben konnte. Der Vermieter hat Räumungsklage erhoben und ebenso Zahlungsklage auf die rückständigen Mieten.

Der Zahlungsklage gibt das Amtsgericht (AG) ganz am Ende des Urteils statt, mit der lapidaren Begründung, dass der Anspruch auf Mietzahlung von Art. 240 § 2 EGBGB grundsätzlich nicht erfasst sei, weshalb auch Verzugszinsen zuzusprechen waren. Ähnlich argumentiert auch das Landgericht (LG) Heidelberg in einem ersten Urteil vom 30. Juli 2020, das sich auf ein Gewerbemietverhältnis bezieht, in dem der Mieter mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage argumentiert hatte. Die Fälligkeit der Corona-Mieten steht für beide Gerichte außer Zweifel.

Weiter thematisiert das AG Hanau, was unter der Glaubhaftmachung des Zusammenhangs zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung zu verstehen ist. Der Vortrag des Beklagten, er habe weder Überweisungen tätigen noch Geld von seinem Konto abheben können, der trotz eines ausdrücklichen richterlichen Hinweises nicht weiter ergänzt wurde, reichte dem Gericht nicht aus. Es gab daher der Räumungsklage statt, stellte aber tiefgreifende Überlegungen dahingehend an, ob es weiterer rechtlicher Hinweise an den Beklagten bedurft hätte. Zunächst stellt das Gericht fest, dass mit dem Wort „Zusammenhang“ wohl die Ursächlichkeit zwischen der Corona-Pandemie und der Nichtleistung gemeint sei. Diese Ursächlichkeit kann der Mieter jedoch nach Ansicht des Gerichts gar nicht beweisen. Bei der Ursächlichkeit handelt es sich immer um die Schlussfolgerung, die das Gericht aus bestimmten Tatsachen selbst zieht.

Fraglich ist nun, ob sich die Glaubhaftmachung auf die vom Mieter vorgetragenen Tatsachen bezieht, oder ob der Gesetzgeber eigentlich etwas ganz anderes gemeint hat. Das Gericht zieht hierbei den Begriff der Glaubhaftmachung aus den Vorschriften zu Arrest und einstweiliger Verfügung hinzu. Diese erlauben den Parteien zwar eine verringerte Nachweismöglichkeit, beispielsweise durch eidesstattliche Versicherung. Sie führen umgekehrt aber auch zu einer Erschwernis, weil hierdurch nur Beweisaufnahmen möglich sind, die sofort mit präsenten Beweismitteln durchgeführt werden können. Aus der Gesetzesbegründung und der Diskussion im Bundestag ergibt sich, dass geeignete Beweismittel beispielsweise Kurzarbeit, Schließungsanordnungen, eine Bescheinigung über die Antragstellung oder Gewährung von staatlichen Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder sonstige Nachweise über Einkommen und Verdienstausfall seien. Diese Beispiele sind jedoch echte Beweise im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO), hierzu bedarf der Mieter nicht der Erleichterung durch das Mittel der Glaubhaftmachung.

Das Gericht geht aufgrund dessen davon aus, dass der Begriff Glaubhaftmachung in seinem prozessualen Sinn hier falsch verwendet wurde und vom Gesetzgeber so nicht gemeint war. Die dem Mieter zu gewährende Beweiserleichterung sollte sich nicht auf die vorzutragenden Tatsachen beziehen, sondern auf die Ursächlichkeit dieser Tatsachen (zum Beispiel Kurzarbeit) für die Nichtleistung der Miete. Das Wort Glaubhaftmachung ist daher entgegen dem Wortlaut als Beweiserleichterung durch eine widerlegliche Vermutung der Ursächlichkeit zu verstehen. Gelingt dem Mieter der (Voll-) Beweis für Tatsachen, die zu einem Einkommensverlust führen, muss die Ursächlichkeit zwischen diesem Einkommensverlust und der Nichtleistung der Corona-Mieten vom Gericht widerleglich vermutet werden. Als Beispiel führt das Gericht ausdrücklich an, dass das Geschäft des Mieters einer behördlichen Schließungsanordnung unterlag. Sodann führt das Urteil einige Verfassungsgerichtsentscheidungen und Zitate aus der Grundlagenforschung an, um zu begründen, dass eine Auslegung entgegen dem Wortlaut hier möglich ist, weil umgekehrt eine am Wortlaut haftende Auslegung und Anwendung des Begriffs Glaubhaftmachung in seiner zivilprozessualen Bedeutung hier keinen Sinn ergibt. Allein die Beweiserleichterung der unwiderleglichen Vermutung sei das, worauf der Gesetzgeber hinauswollte. Dies entspricht der Vorschrift des § 252 BGB zum entgangenen Gewinn.

Das Gericht lässt jedoch den Vortrag des Mieters, er habe weder Überweisungen noch Daueraufträge tätigen können, auch hierfür nicht ausreichen. Dies setzt vo­raus, dass Geld auf dem Konto gewesen sei. Die Nichtzahlung kann schon deshalb keine pandemiebedingte Folge gewesen sein. Soweit der Beklagte nur vorträgt, dass das Konto nicht gedeckt gewesen sei und deshalb der Dauerauftrag nicht ausgeführt worden sei, lässt dies jede Tatsache mit Bezug zur COVID-19-Pandemie
vermissen.

Verwalter­strategie
Zur Fälligkeit der Mieten: Durch beide Urteile ist nunmehr klargestellt, dass die Mieten trotz der Kündigungssperre fällig bleiben und zzgl. Verzugszinsen bezahlt werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass zumindest in Gewerberaummietverhältnissen auch die Kaution für diese Mieten gezogen werden kann, soweit nicht andere Argumente wie der Wegfall der Geschäftsgrundlage im Gewerberaummietverhältnis hiergegen vorgetragen werden, zu dem sich ein Bild in Literatur und Rechtsprechung noch nicht abzeichnet.

Der Wohnraummieter muss nach diesem Urteil vollen Beweis erbringen hinsichtlich der Tatsachen, aufgrund derer er die drei Monatsmieten nicht bezahlen konnte. Soweit dies pandemiebedingte Gründe sind, wird nach der Auslegung des AG Hanau widerleglich vermutet, dass die Nichtzahlung pandemiebedingt war und die Kündigung des Vermieters daher gesperrt ist. Es wäre dann die Aufgabe des Vermieters, im Prozess darzutun und zu beweisen, dass die Nichtzahlung der Miete gerade nicht durch die COVID-19-Pandemie verursacht ist, beispielsweise weil der Mieter noch andere Einkommensquellen hat, die zur Deckung der Miete trotz pandemiebedingter Einkommensverluste ausreichen.

Das Urteil hat nichts zu weiteren Fragen ausgeführt, wie zum Beispiel zu einem Leistungsverweigerungs- oder Mietminderungsrecht oder gar zu dem bei Geschäftsräumen viel diskutierten Wegfall der Geschäftsgrundlage. Ebenfalls unklar bleibt, wann der Vermieter kündigen kann, wenn weitere Mieten nach dem im Gesetz geregelten Zeitraum ausbleiben. Die Literatur geht hier davon aus, dass die drei Corona-Mieten gar nicht in den Verzugszeitraum zählen, und dass für eine weitere Kündigung wiederum der gesetzliche Verzug mit fälligen Mieten ab Juli 2020 eintreten müsste. Ebenfalls nicht entschieden wurde, ob eine Kündigung sofort ausgesprochen werden kann, wenn die drei Corona-Mieten bis zum Stichtag 30. Juni 2022 noch nicht nachgezahlt sind. Diese Themen werden die Rechtsprechung in den kommenden Jahren noch beschäftigen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.