18.05.2020 Ausgabe: vdivDIGITAL 2020

Künftig einfach online? Die anstehende WEG-Reform wird auch die Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen ermöglichen – was die Neuregelung für Verwaltungen bedeutet.

Eines der erklärten Ziele der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ist, die Handlungsfähigkeit von Eigentümerversammlungen zu verbessern. Hierzu sollen u. a. die Anforderungen an ihre Beschlussfähigkeit gesenkt und auch „die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Teilnahme“ genutzt werden, so Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Der noch aus den 50er Jahren stammende Versammlungsbegriff des § 23 WEG setzt bislang eine gleichzeitige physische Präsenz der Wohnungseigentümer voraus, sodass nach geltendem Recht kein Anspruch eines Wohnungseigentümers besteht, mithilfe von Telekommunikationsmitteln an einer Präsenzversammlung teilnehmen zu dürfen. Auch in Zeiten der Corona-Krise ist es ohne eine entsprechende Vereinbarung nicht mit der erforderlichen Rechtssicherheit möglich, Eigentümerversammlungen als Telefon-, Video- oder Online-Konferenzen durchzuführen. Um die Handlungsfähigkeit von Eigentümergemeinschaften in dringenden Fällen aufrechtzuerhalten, sollte es der Gesetzgeber Eigentümern kurzfristig durch eine Änderung des § 23 Abs. 3 WEG ­ermöglichen, im schriftlichen Verfahren Mehrheitsbeschlüsse zu fassen und deren Zustimmungserklärung in Textform abzugeben.

Die Online-Versammlung
Die Einführung einer Beschlusskompetenz, die es den Wohnungseigentümern ermöglichen sollte, zu einer Online-Versammlung zu optieren, wurde zwar im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe diskutiert, jedoch im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Eine Mehrheit der Eigentümer hätte damit die Möglichkeit, der Minderheit die Verwendung elektronischer Mittel aufzuzwingen und deren Recht auf Teilnahme an einer Präsenzversammlung zu beschneiden. Der Referentenentwurf sieht demzufolge keine Beschlusskompetenz zur Einführung einer reinen Online-Versammlung vor. Die bisherige Rechtslage, wonach die Eigentümerversammlung grundsätzlich in Form einer Präsenzversammlung abzuhalten ist, wird durch die WEG-Reform nicht geändert werden.

Die Online-Teilnahme
Um zumindest die Teilnahme auswärtiger Wohnungseigentümer zu erleichtern, sieht der Referentenentwurf nach dem Vorbild des § 118 I S. 2 Aktiengesetz (AktG) die Einführung einer Beschlusskompetenz vor, die es den Wohnungseigentümern ermöglicht, durch Mehrheitsbeschluss eine Online-Teilnahme zu gestatten. § 23 WEG soll wie folgt geändert werden: a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt: „Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.“ Zu den technischen und organisatorischen Einzelheiten der Online-Teilnahme sollen allerdings keine gesetzlichen Vorgaben gemacht werden, die konkrete Ausgestaltung der Online-Teilnahme wird somit den Eigentümern überlassen. Wie im Falle der Online-Teilnahme eines Eigentümers z. B. die Nichtöffentlichkeit der Versammlung oder in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Teilnahme- und Vertretungsbeschränkungen sichergestellt werden sollen, bleibt demnach offen und müsste folglich per Beschluss geregelt werden.

Mögliche Ausgestaltung der Online-Teilnahme in Anlehnung an das Aktienrecht
Der Wortlaut des § 23 WEG-E entspricht fast wörtlich dem des § 118 I S. 2 AktG. Es liegt daher nahe, die Regelungen im Aktiengesetz und die praktischen Erfahrungen mit dieser Vorschrift einer vergleichenden Betrachtung zu unterziehen, um ggf. nähere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie eine Online-Teilnahme ausgestaltet werden könnte. § 118 Abs. 1 S. 2 AktG ermöglicht es durch eine entsprechende Regelung in der Satzung, dass „[…] Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort […] teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.“ Somit geht auch das Aktiengesetz von einer Präsenzversammlung aus, zu der die online teilnehmenden Aktionäre in Echtzeit durch eine Zwei-Wege-Verbindung zugeschaltet werden.

Rechte von Präsenz- und Online-Teilnehmern
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 118 AktG müssen online teilnehmende Aktionäre nicht zwingend mit den gleichen Rechten ausgestattet sein, da die Satzung bestimmen kann, ob online teilnehmende Aktionäre „sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können“. § 23 a S. 2 WEG-E hat diese Formulierung fast wörtlich übernommen. Es wäre daher auch bei einer Eigentümerversammlung möglich, zum Beispiel das Frage- und Rederecht einzuschränken oder sogar ganz auszuschließen. Eine Diskriminierung online teilnehmender Eigentümer ist damit nicht verbunden, da für jeden Eigentümer ja weiterhin die Möglichkeit besteht, an der Präsenzversammlung teilzunehmen und dort sämtliche Eigentümerechte wahrzunehmen (ähnlich Noack: Mitgliederversammlung bei Großvereinen und digitale Teilhabe in NJW 2018, 1345). Es wäre daher auch denkbar, die Online-Teilnahme zunächst nur auf die Übertragung der Versammlung und anschließende Stimmabgabe zu beschränken. Damit könnte auch Befürchtungen begegnet werden, die Ermöglichung der Online-Teilnahme könne zu ausufernden Redebeiträgen der zugeschalteten Eigentümer führen.

Das Risiko technischer Probleme und Anfechtbarkeit
Durch technische Störungen kann die Übertragung von Daten und damit z. B. auch die Stimmabgabe behindert oder sogar unmöglich werden. Deshalb ist in § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG vorgesehen, dass technische Störungen grundsätzlich nicht zur Anfechtung eines Beschlusses berechtigen, es sei denn, der Gesellschaft ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen. Eine dem § 243 AktG entsprechende Regelung sollte auch im WEG aufgenommen werden, da es unbillig wäre, das Risiko technischer Störungen den übrigen Wohnungseigentümern anzulasten.

Praktische Erfahrungen mit der Online-Teilnahme im Aktienrecht
Schon seit mehr als zehn Jahren ist es zulässig, Aktionären durch Einsatz mobiler Endgeräte wie Smartphone, Tablet oder Notebook die Beteiligung an der Hauptversammlung jederzeit zu ermöglichen (Simons: Die Online-Abstimmung in der Hauptversammlung, NZG 2017, 567). Um sicherzustellen, dass die teilnehmende Person auch der berechtigte Aktionär ist, bedarf es eines Identifikationsverfahrens, etwa durch Anmeldung auf der Internetseite mit einem persönlichen Zugangscode (Beck: Aktuelles zur elektronischen Hauptversammlung in RNotZ 2014, 160). Dennoch wird diese Option in der gegenwärtigen Praxis der börsennotierten Aktiengesellschaften noch zurückhaltend genutzt, genauer gesagt: Von 30 börsennotierten Gesellschaften haben lediglich zwei ihren Aktionären eine Online-Teilnahme ermöglicht (Beck a.a.O.). Offensichtlich besteht immer noch erhebliche Rechtsunsicherheit, die neben dem zusätzlichen technischen Aufwand die Gesellschaften davon abhält, die rechtlichen Möglichkeiten einer Online-Teilnahme auch tatsächlich zu nutzen.

Fazit
Die Einführung der Beschlusskompetenz zur Online-Teilnahme eröffnet neue Möglichkeiten. Vor allem die räumliche Entfernung entfällt als Hinderungsgrund für die Anwesenheit, so könnten die Teilnehmerzahlen deutlich steigen. Erfahrungen mit dem Aktienrecht zeigen jedoch, dass –
 soweit kein sicherer rechtlicher Rahmen gegeben wird – die Möglichkeiten zur Online-Teilnahme nicht genutzt werden. Zu Recht wurde daher bereits darauf hingewiesen, dass ein bloßes „Anlehnen“ an § 118 Abs. 1 S. 2 AktG – wie vorgeschlagen – nicht reichen wird. Hilfreich wäre es aufzuzeigen, wie die Einführung, mit welchen Kosten, Risiken und Eingriffen, zu organisieren ist (Elzer, MietRB 2019, 316-320). Für Verwalter bedeuten Eigentümerversammlungen mit Online-Präsenz einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand. Geeignete Hard- und Software muss vorgehalten werden, bei einer größeren Anzahl von Online-Teilnehmern ist auch personell aufzustocken, um
z. B. die ordnungsgemäße Auszählung der per Computer oder Smartphone-App abgegebenen Stimmen zu gewährleisten. Bei der Vorbereitung und Erörterung entsprechender Beschlüsse sollten Verwalter daher darauf achten, diese Kosten bereits beziffern zu können, um sich den Mehraufwand angemessen vergüten zu lassen. Verwalter, die zeitnah praxisgerechte Lösungen zur Umsetzung von Beschlüssen zur Online-Teilnahme anbieten können, dürften allerdings, insbesondere bei der Bewerbung um größere anlegergeprägte Eigentümergemeinschaften, einen echten Wettbewerbs­vorteil haben.

Foto: © SFIO CRACHO / Shutterstock.com


Nixdorf, Bernd

Geschäftsführer der VoteWorks GmbH, Königswinter
www.voteworks.de