18.05.2021 Ausgabe: vdivDIGITAL 2021

Künstliche Intelligenz - Wie funktioniert sie, und wie kann man sie für die Prozessoptimierung in der ­Immobilienverwaltung nutzen?

Wer vor 20 Jahren seine Karriere begann, wird dem Schlagwort Künstliche Intelligenz (KI) im Geschäftsalltag vermutlich eher nicht begegnet sein. Dass KI mittlerweile zu einer der meistzitierten Vokabeln in der Medienlandschaft gehört, verdankt sie mehreren Umständen: Erst in den vergangenen Jahren sind Institutionen und Unternehmen so weit gekommen, über strukturierte Massendaten zu verfügen. Daten geordnet zu sammeln und Kategorien in Geschäftsprozessen zuordnen zu können, ist eine der größten Errungenschaften unserer Zeit. In vielen Fällen waren diese Daten schlichtweg nicht zugänglich – mangelnde Sensoren und Messgeräte, zu geringe Speicherkapazitäten sowie eine gewisse Silo-Mentalität zur Hortung der rein eigenen Daten verhinderten bis dato deren effiziente Nutzung. Zugleich wurden neue Serverfarmen errichtet, Datencenter sind mittlerweile ein selbstständiges Fondsprodukt für Immobilieninvestments. Das Wachstum des weltweiten Datenvolumens zeigt eine dementsprechend exponentielle Kurve. Wie das US-amerikanische Research-Unternehmen International Data Corporation (IDC) ermittelte, wird die Gesamtmenge an produzierten Daten pro Jahr von zwei Zettabytes im Jahr 2010 auf 175 Zettabytes im Jahr 2025 anwachsen. Zur Erläuterung: ein Zettabyte sind eine Milliarde Terrabytes oder 1021 Bytes.

Arten maschinellen Lernens
In der Wohnungswirtschaft würde bereits ab 100 Mieteinheiten ein ausreichendes Datenvolumen erzielt, um Künstliche Intelligenz einsetzen zu können. Was steckt dahinter? Künstliche Intelligenz ist eigentlich maschinelles Lernen (Machine Learning). Die Maschine beziehungsweise eine Software generiert „Wissen“ aus dem Abgleich der ihr zugeflossenen Datenmengen. Diese Wissensproduktion erfolgt auf Basis klar definierter Lösungsregeln, den Algorithmen. Sie bauen ein statistisches Modell durch den Abgleich von Schlagwörtern, Zahlenwerten oder Bilderkennung. Letzteres kennen Smartphone-Nutzer, deren Foto-App Bilder automatisch betitelt und sie nach den abgebildeten Personen ordnet. Maschinelles Lernen teilt sich auf in überwachtes und unüberwachtes Lernen. Im ersten Fall vergibt ein Externer – nicht die Maschine selbst – den korrekten Funktionswert für jede Ein- und Ausgabe. Dokumente mit einer Quadratmeterzahl, Straßennamen, Personenangaben und Hypotheken werden beispielsweise sofort als Grundbuchauszug definiert. Im Falle des unüberwachten Lernens verknüpft der Algorithmus die eingelesenen Angaben mit Merkmalstrukturen, die die Maschine selbst identifiziert. Die Komplexität dieser Lösung zeigt den Fortschritt der KI gegenüber dem zuvor üblichen Regelwerk auf. Ein Beispiel für ein Regelwerk ist die Autokorrektur in gängigen Schreibprogrammen: „daß“ wird automatisch zu „dass“. Regelwerke sind bei komplexen Dokumenten mit geringem Volumen sinnvoll, der Komplexität von Massendokumenten aber nicht mehr gewachsen. Gleichwohl bieten sie den Vorteil, immer zu gelten und bedürfen daher keiner Überprüfung. Maschinelles Lernen hingegen wird auch in den nächsten Jahren noch mit regelmäßigem Monitoring verbunden sein.

Vorteile bei Rechnungen
Immobilienunternehmen erfüllen in vielen Fällen die Grundbedingung strukturiert vorliegender Massendaten für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Sie sollte aufgrund ihrer Wirksamkeit Bestandteil jeder unternehmenseigenen Digitalstrategie sein. Doch gerade am Anfang stellt sich die Frage, welcher Geschäftsprozess den Startpunkt für die Digitalisierung geben sollte. Bei der Suche nach einer Antwort rücken standardisierte, in großer Zahl vorkommende Dokumente in den Vordergrund. Zu ihnen zählen in besonderer Weise Rechnungen. Ein dreistelliges monatliches Rechnungsaufkommen mittlerer Höhe ist in vielen Unternehmen keine Seltenheit. Gerade Projektentwickler, Asset Manager, Verwalter oder Bestandshalter verfügen nicht nur über große Kundennetzwerke, sondern haben es auch mit einer Vielzahl von Dienstleistern zu tun. Folglich weisen Rechnungen in der Immobilienwirtschaft regelmäßig wiederkehrende Fixkosten auf, weshalb sie sogar bis auf Datum und Rechnungsnummer über längere Zeiträume identisch ausfallen. Die variierenden Angaben wie Leistungsposten oder Kostenstellen sind in einem Kategorienindex hinterlegt und daher für die Erkennung durch maschinelles Lernen zugänglich.

Unerwünschter Zugriff ­ausgeschlossen
Wenn Daten der wichtigste „Rohstoff“ des 21. Jahrhunderts sind, dann ist ein behutsamer Umgang mit ihnen in höchstem Maße geboten. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dient dabei als Maßstab für Softwareanbieter beim Umgang mit Kundendaten. Das umfasst diverse Sicherheitsmaßnahmen: Dokumente werden ausschließlich verschlüsselt in Massenspeichersystemen für große Datenvolumina abgelegt. Die KI-Software greift nur indirekt und zeitlich begrenzt über eine Schnittstelle unter Berücksichtigung der Rechte des authentifizierten Benutzers auf die Dokumente zu. Das bedeutet, dass zum Beispiel in einer Web-Anwendung die Hyperlinks zu den angezeigten Dokumenten nur temporär gültig und exklusiv von eingeloggten Benutzern zu sehen sind. Eine Zwei-Faktor-Authentifizierung kann auf Kundenwunsch implementiert werden: Der Eingabe der Benutzerdaten könnte dann beispielsweise ein Token per SMS oder E-Mail folgen, so wie man es vom privaten Online-Banking kennt.

Status quo und Prognosen
Maschinelles Lernen erlaubt schon jetzt die rechtskonforme Bereinigung alter Datenbestände und ihre strukturierte, zielführende Aufbereitung. Im Rechnungsmanagement sind automatisch generierte Kontierungsvorschläge möglich, die durch die Verknüpfung mit dem jeweiligen Buchhaltungssystem den Buchungsvorgang auslösen. Durch den Abgleich zwischen den gleichfalls im System hinterlegten Leistungsverzeichnissen der Dienstleister mit ihrer Rechnungsstellung ergeben sich zusätzliche Kontrollmöglichkeiten und transparente Einblicke in die Kostenstruktur des eigenen Unternehmens. So wird nur noch das bezahlt, was tatsächlich in Anspruch genommen wird, Betrug leichter erkannt: Fake-Rechnungen können durch den Abgleich mit bekannten Kontonummern und Rechnungsposten identifiziert werden. Rechnungen können für die KI-gestützte Bearbeitung als Initialdokument dienen, doch das Prinzip maschinellen Lernens lässt sich sukzessive auf andere Dokumententypen und Geschäftsprozesse übertragen.

Die Effizienz der KI hängt dabei von der Menge der eingespeisten Trainingsdaten ab. Es ist nicht ratsam, künstliche Daten aufzubereiten, die nicht realen Geschäftsvorgängen entsprechen. Nur authentische Daten können für effizientere Prozesse sorgen. Um mehr Daten zu generieren, bedarf es einer größeren Zahl von Nutzern. Die einzig adäquate Methode, um mehr Trainingsdaten zu erlangen, ist also die Ausweitung des Kunden- und Dienstleisterbestands.

Foto: © PowerUp/ Shutterstock.com


Gündling, Heike

Managing ­Director Real Estate, Eucon Digital