20.04.2020 Ausgabe: 2/20

Mehr Zeit für bessere Entscheidungen - Die Verlängerung der Ladungsfrist zur Eigentümerversammlung kommt insbesondere den Eigentümern entgegen.

In dem vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 14. Januar vorgelegten Referentenentwurf für ein Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz sind unter anderem Änderungen vorgesehen, die die Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung betreffen: Die Ladungsfrist soll verlängert, die Beschlussfähigkeit erleichtert und die Online-Teilnahme an Versammlungen ermöglicht werden. Widmen wir uns hier der Verlängerung der Ladungsfrist.

Nach geltendem Recht soll die Einberufung – unter Bekanntgabe der Tagesordnung – grundsätzlich mindestens zwei Wochen vor der Versammlung der Wohnungseigentümer erfolgen. Im Rahmen der WEG-Novellierung 2007 wurde die Frist bereits von mindestens einer auf zwei Wochen verlängert. Jetzt ist eine nochmalige deutliche Verlängerung auf vier Wochen (vgl. § 24 Abs. 4 S. 2 WEG-E) geplant. Was vor allem bei Verwaltern spontan auf Ablehnung stoßen dürfte, ist aber aus verschiedenen Gründen zu begrüßen.

Die längerfristige Planung ermöglichen
Die Mobilität vieler berufstätiger Wohnungseigentümer und die damit verbundene Abwesenheit vom Versammlungsort sowie zahlreiche, z. B. familiär bedingte, soziale Verpflichtungen erschweren vielen Eigentümern die Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung, wenn der Versammlungstermin nicht längerfristig geplant werden kann. Die vorgeschlagene Verlängerung der Ladungsfrist erhöht die Chance, dass interessierte Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnehmen können. Außerdem haben sie mehr Zeit zur Verfügung, sich darauf vorzubereiten. Zwar sind einfach gelagerte Tagesordnungspunkte bereits aus sich heraus verständlich (z. B. Anträge auf Ergänzung der Hausordnung). Bei anderen Beschlussgegenständen ist das hingegen nicht so einfach möglich. Ein typischer Fall ist die geplante Beschlussfassung über eine umfangreiche Sanierungsmaßnahme und deren Finanzierung.

Dem Sanierungsstau ­angemessen
Mit dem fortschreitenden Alter des Gebäudebestands werden immer häufiger umfassende Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Die damit verbundenen, teils erheblichen Kosten belasten das Budget der Wohnungseigentümer spürbar; insbesondere ältere Miteigentümer stehen den auf sie zukommenden individuellen Mehrbelastungen, z. B. in Form von Sonderumlagen mangels ausreichender Instandhaltungsrückstellung, kritisch gegenüber. Erschwerend kommt hinzu, dass die Dringlichkeit der Maßnahmen häufig keinen Aufschub zulässt (z. B. Sanierung der Trinkwasseranlage wegen Legionellenbefall, Flachdach- oder Heizungssanierungen).

Auf die Diskussion eines solchen Tagesordnungspunktes können sich Wohnungseigentümer nur vorbereiten, wenn ihnen im Vorfeld geeignete Unterlagen von der Verwaltung zu Verfügung gestellt werden – gutachterliche Stellungnahmen, Ausschreibungen und Angebote sowie deren Auswertung mit Vergabevorschlägen. Zur Deckung der häufig bei größeren Wohnanlagen im sechs- und siebenstelligen Bereich prognostizierten Kosten kommt mittlerweile neben den klassischen Finanzierungsinstrumenten, also der Entnahme aus der Instandhaltungsrückstellung bzw. Erhebung einer Sonderumlage, auch die Inanspruchnahme von KfW-Fördermitteln und (höchstrichterlich als ordnungsgemäße Verwaltung entsprechend „abgesegnet“) eine Kreditfinanzierung in Betracht.

Gut informiert entscheidet leichter
Gut informierte Wohnungseigentümer sind für den Verwalter von Vorteil und werden in der Mehrzahl der Fälle sachdienliche Entscheidungen erleichtern. Nicht zuletzt wird das Argument, man habe sich nicht ausreichend vorbereiten können, sowohl in Versammlungen selbst als auch in später angestrengten Anfechtungsverfahren kaum noch Bestand haben. Den Verwalter aber zwingt die längere Ladungsfrist zur vorausschauenden Planung, was organisatorisch auch im eigenen Interesse liegt.

Was man bei all dem nicht vergessen sollte: Die Einberufungsfrist muss auch bisher schon dem jeweiligen Beschlussgegenstand und allen weiteren Umständen angemessen sein. Dies „kann im Einzelfall auch eine längere Frist als 2 Wochen erfordern.“ – so das LG München I in einer Entscheidung zu der jetzt noch geltenden Ladungsfrist von (nur) zwei Wochen (Endurteil vom 27.9.2018, 36 S 18251/16 WEG, BeckRS 2018, 45430).

Durch die deutliche Fristverlängerung dürfte künftig im Regelfall davon auszugehen sein, dass die gesetzliche Ladungsfrist auch bei komplexen Sachverhalten ausreicht, damit sich Wohnungseigentümer vorab umfassend mit ihnen auseinandersetzen können. Eine zusätzliche Verlängerung über den neuen vierwöchigen gesetzlichen Rahmen hinaus wird dann nur noch in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen vom ­Verwalter verlangt.

Die nun vorgesehene Verlängerung dürfte im Übrigen auch Auswirkungen auf Altfälle haben, für die aufgrund ihrer Besonderheit schon in der Vergangenheit eine verlängerte Frist gerichtlich gefordert wurde. Die strittige Frage, ob es zulässig ist, die Eigentümerversammlung in Ferienzeiten oder an Feiertagen anzuberaumen, dürfte bei vierwöchiger Ladungsfrist regelmäßig zu bejahen sein. So hielt es das LG Frankfurt für zulässig, eine Eigentümerversammlung am Abend des Pfingstmontags abzuhalten (LG Frankfurt, Beschluss vom 17.12.2019, 2-13 S 129/18, BeckRS 2019, 34460) und stellte zugleich fest, dass auch Sonntage und kirchliche Feiertage dafür nicht grundsätzlich auszuschließen sind, soweit auf Kirchgänger Rücksicht genommen wird (vgl. LG Frankfurt a. a. O., Rn. 12). Wenn dies schon nach geltendem Recht zulässig sein soll, dann erst recht bei verlängerter Ladungsfrist. Die Wohnungseigentümer können sich schließlich auf den Versammlungstermin längerfristig einstellen.

Es kann sogar angemessen sein, die Eigentümerversammlung gerade in den Ferienzeiten abzuhalten – etwa für Ferienwohnanlagen, am Samstag um 17:00 Uhr, bei dreiwöchiger Ladungsfrist (so das LG Itzehoe, Urteil vom 25.11.2016 – 1 S 22/16, IMR 2017, 1027 – nur online). Auch hier dürfte die vierwöchige Ladungsfrist eher für eine solche Terminierung sprechen.

Auch das LG Karlsruhe hat die Ferienzeit für eine außerordentliche Eigentümerversammlung für zulässig erachtet, sofern „mit ausreichendem Vorlauf“ eingeladen wurde (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 7.10.2014, 11 S 8/14, ZWE 2015, 419). Die vierwöchige Ladungsfrist dürfte im Sinne dieser Entscheidung sein.

Der Sonderfall besonderer Dringlichkeit
Nach herrschender Meinung hat der Verwalter Versammlungen auch unterjährig (sog. „außerordentliche“) einzuberufen, wenn entsprechender Handlungs- und Entscheidungsbedarf besteht. Ausgenommen von der regulären Ladungsfrist sind hierbei – wie bisher auch – Angelegenheiten von besonderer Dringlichkeit.

Zur eigenmächtigen Beauftragung einer Instandsetzungsmaßnahme gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG ist der Verwalter nur bei Eilbedürftigkeit ermächtigt; diese ist nur dann gegeben, wenn die vorherige Befassung der Eigentümer in der Eigentümerversammlung nicht mehr möglich ist (z. B. bei Heizungsausfall im Winter, Großbrand, Rohrbruch, Sturm, Überschwemmung etc.). Entscheidend ist jeweils, ob der Bestand des gemeinschaftlichen Eigentums oder Menschen gefährdet wären, wenn nicht umgehend gehandelt würde.

Insoweit wird auch mit der verlängerten vierwöchigen Ladungsfrist bei dringlichen Maßnahmen von einer kürzeren Mindestladungsfrist auszugehen sein (nur wenn diese nicht eingehalten werden kann, handelt es sich um eine Notmaßnahme i. S. d. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG), die den Verwalter im Rahmen seines Notgeschäftsführungsrechts ohne Beschluss zum Handeln berechtigt (vgl. LG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.4.2016 − 2-09 S 26/14 – ZWE 2016, 275 – defekte Gasleitung; MüKoBGB/Engelhardt, 8. Aufl. 2020, WEG § 27 Rn. 12 m. w. N.).

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Bachmann, Martin

Der Dipl.-Verwaltungswirt/FH ist Mitglied der Bereichsleitung Immobilienverwaltung der FONCIA Deutschland und für Schulung und Fortbildung der Mitarbeiter im Bereich WEG verantwortlich.