27.05.2022 Ausgabe: 4/22

Mietrecht: Ende des Kabel-TV-Vertrags nur mit Ende des Mietvertrags

(BGH, Urteil vom 18.11.2021 – Az. I ZR 106/20)


DAS THEMA
Seit Jahrzehnten ist es üblich, dass Ver­mieter den Kabelanschluss in Mietwohn­gebäuden stellen und die laufenden Kosten gemäß § 2 Nr. 15 b Betriebskos­tenverordnung (BetrKV) auf die Mie­ter umlegen. Hierbei wählen Vermieter auch den Kabelanschlussbetreiber aus und bestimmen Umfang und Dauer des Vertrags. Mieter haben nicht die Mög­lichkeit, den Kabelnetzbetreiber frei zu wählen und Verträge kurzfristig zu been­den. Die EU-Richtlinie (EU 2018/1972) über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation sieht aller­dings vor, dass in Verträgen zwischen Verbrauchern und Anbietern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommuni­kationsdienste eine Mindestvertragslauf-zeit von 24 Monaten nicht überschritten werden darf. Diese Richtlinie wurde im Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) vom 23. Juni 2021, das am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten ist, umgesetzt. Zum Zeitpunkt der Entschei­dung des Bundesgerichtshofes (BGH) galt noch der bisherige § 43 des alten Telekommunikationsgesetzes (TKG), der somit noch anwendbar war. Da das TKMoG jedoch eine Übergangsfrist bis 30. Juni 2024 vorsieht, hat die BGH-Entscheidung noch bis dahin Gültigkeit. Auch lässt es sich der BGH nicht nehmen, Stellung zu der ab 1. Juli 2024 geltenden Neuregelung zu beziehen.


DER FALL
Ein großes Wohnungsunternehmen hat seine Objekte mit Kabelfernsehen aus­gestattet. Die gebäudeinterne Netzins­tallation gehört nicht der Vermieterin, sondern einer Provider-Gesellschaft, an die das Wohnungsunternehmen ein pau­schales Entgelt zahlt. Die TV-Grundver­sorgung erfolgt über einen Kabelanbieter. Diese Grundleistungen werden über die Betriebskosten abgerechnet. Nach Wahl können die Mieter auch Internetleistun-gen und Telefonie über den Kabelbetrei­ber beziehen. Der Mustermietvertrag der Vermieterin enthält keinen Kündigungs­ausschluss, sodass es Mietern freisteht, ihren Mietvertrag jederzeit mit der übli­chen Dreimonatsfrist zu kündigen.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlaute­ren Wettbewerbs hat das Wohnungs­unternehmen auf Unterlassung verklagt und verlangt, dass es seinen Mietern nur noch Kabelversorgungsverträge mit einer Höchstlaufzeit von 24 Monaten anbietet, bzw. dass, sofern der Mietvertrag bereits länger als 24 Monate läuft, es den Mie­tern freigestellt wird, den Kabelanbie­ter selbst zu wählen. Der BGH weist die Unterlassungsklage ab und entscheidet im Ergebnis, dass dieses bisher übliche Vorgehen bis zum 30. Juni 2024, dem Inkrafttreten der TKG-Novelle, noch zulässig ist.

Auch nach dem derzeit geltenden § 43 b TKG darf die Mindestlaufzeit eines Ver­trags zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugäng­lichen Kommunikationsdiensten 24 Monate nicht überschreiten. Der Ver­braucher muss des Weiteren die Mög­lichkeit haben, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von nur zwölf Monaten abzuschließen. Durch die Ausstattung der Mietwohnung mit dem Kabelan­schluss stellt die Vermieterin Telekommunikationsdienste zur Verfügung. Dies kann nicht, wie die Revision argumen­tierte, mit dem Argument verneint wer­den, dass die überwiegende Leistung des Wohnungsunternehmens als Vermieterin in der Zurverfügungstellung der Woh­nung bestehe. Der Wortlaut bezieht sich nicht auf die Frage, welche Leistungen zur Verfügung gestellt werden, sondern ob über den Anschluss „ganz oder über­wiegend“ Signale übertragen werden. Da die Vermieterin für die Bereitstel­lung des Kabel-TV-Anschlusses verant­wortlich ist, ist sie auch Anbieterin dieser elektronischen Kommunikationsdienste. Schließlich sind diese aufgrund der Größe des Wohnungsunternehmens (mehr als 100.000 Wohnungen, die dem freien Mietmarkt zur Verfügung stehen) auch öffentlich zugänglich.

Allerdings haben die Verträge keine Mindestlaufzeit, die 24 Monate über­schreitet. Der BGH betont, dass es den Mietern freisteht, den Wohnraummiet­vertrag – und damit auch die Nutzung des Kabelanschlusses – jederzeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von nur drei Monaten zu beenden. Die Ver­träge haben daher eine unbestimmte Laufzeit. Ein Kündigungsausschluss von mehr als 24 Monaten ist für die Miet­verträge gerade nicht vereinbart. Will ein Mieter also den Kabel-TV-Vertrag beenden, muss er seinen Wohnraum­mietvertrag kündigen und sich eine neue Wohnung suchen.

Die bevorstehende Änderung des Telekommunikationsgesetzes, die die freie Wahl und eine freie Beendigungsmög­lichkeit des Kabel-TV-Vertrags durch Mieter vorsieht, ist noch nicht analog anwendbar. Die Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2024 für Kabelbetreiberdienste, die im Rahmen eines Miet- oder Pacht­vertrags zur Verfügung gestellt werden, hat der Gesetzgeber bewusst gewählt. Erst zu diesem Zeitpunkt soll die kürzere Befristung ermöglicht werden. Dem entsprechend tritt auch die Änderung des § 2 Nr. 15 BetrKV zu diesem Zeitpunkt in Kraft. Bis dahin ist das Nutzungsent­gelt noch umlagefähig.
 

VERWALTERSTRATEGIE
Im Umkehrschluss weist der BGH klar darauf hin, dass ab 1. Juli 2024 die TKG-Novelle in Kraft tritt und das Entgelt für Kabel-TV dann nicht mehr über die Betriebskosten umgelegt werden kann. Vielmehr müssen Vermieter es ihren Mietern bis dahin ermöglichen, eigene Kabelverträge abzuschließen, und die Infrastruktur im Mietobjekt entsprechend umrüsten. Die Vorkehrungen hierfür sollten so früh wie möglich getroffen werden.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com