03.12.2021 Ausgabe: 8/21

Mietrecht: Bedeutung einer Abmahnung bei ordentlicher Kündigung

(BGH, Beschluss vom 25.8.2020 – Az. VIII ZR 59/20)

DAS THEMA
Die außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 3, § 569 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) setzt in aller Regel eine Abmahnung voraus. Die ordentliche Kündigung wegen einer nicht unerheblichen Vertragsverlet­zung des Mieters gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfordert die Abmahnung nach dem Gesetzeswortlaut dagegen nicht. Der Bun­desgerichtshof (BGH) hatte nun zu entschei­den, welche Relevanz einer Abmahnung im Rahmen einer solchen ordentlichen Kündi­gung aus wichtigem Grund zukommt.

DER FALL
Die Mieterin hatte, nachdem der Räumungs­klage der Vermieterin in zwei Instanzen stattgegeben worden war, Nichtzulassungs­beschwerde und gleichzeitig Antrag auf Ein­stellung der Räumungs-Zwangsvollstreckung beim BGH gestellt. Im Rahmen des Zurück­weisungsbeschlusses dieser Anträge führte der BGH zur Bedeutung der Abmahnung aus. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Zwischen der Mieterin und ihrem Lebensge­fährten, der nicht Mitmieter war, sondern sich nur besuchsweise in der Wohnung aufhielt, einerseits und anderen Mietern bestand ein alter Streit. In zahlreichen einzelnen Vorfällen hatte der Lebensgefährte Mitmieter beleidigt und bedroht und zuletzt im Sommer 2018 einen von ihnen als „du Arschloch“ bezeich­net. Seither kam es zu keinen weiteren Vor­fällen. Die Vermieterinnen hatten bereits früher Abmahnungen ausgesprochen und aufgrund dieses Vorfalls nun die außerordent­liche, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Die Mieterin hatte mit folgenden Argumenten Nichtzu­lassungsbeschwerde erhoben: Der Rechts­frage, ob die Abmahnung Voraussetzung für die ordentliche Kündigung wegen Pflicht­verletzung des Mieters sei, komme grund­sätzliche Bedeutung zu. Des Weiteren habe das Berufungsgericht die Zukunftsprognose nicht ausreichend in seine Überlegungen ein­bezogen und die Nachhaltigkeit der Störung des Hausfriedens verkannt. Schließlich müsse geklärt werden, inwieweit der Mieter verant­wortlich für seine Besucher sei.

Der BGH weist zu all diesen Fragen darauf hin, dass diese entweder keine grundsätzli­che Bedeutung haben oder in der Rechtspre­chung bereits geklärt sind, und fasst seine Ansicht wie folgt zusammen: Für die ordent­liche Kündigung wegen Pflichtverletzung des Mieters ist eine Abmahnung gerade nicht Voraussetzung. Der Abmahnung kann jedoch insoweit Bedeutung zukommen, als durch sie die Pflichtverletzung des Mieters erst ein Gewicht erreicht, das für eine Kün­digung ausreicht. Möglicherweise hat vorher nur ein Versehen des Mieters vorgelegen, und erst die Missachtung der Abmahnung führt damit zu einem ausreichenden Pflicht­verstoß. Das Vorliegen einer Abmahnung ist daher ein einzelner Prüfungspunkt bei der Erheblichkeit der Pflichtverletzung.

Die Erklärung der Mieterin, der Streit zwi­schen den Mietparteien habe sich nur über wenige Tage hingezogen, und die Zukunfts­prognose sei gut, hat das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH in seine umfassende Würdigung ausreichend einbezogen. Auch die Nachhaltigkeit der Störung des Haus­friedens ist vom Berufungsgericht richtig gewertet worden. Jede Mietpartei hat die Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden. Dies folgt aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens liegt dann vor, wenn dieses Rücksichtnahmegebot in schwerwiegender Weise verletzt wird.

Schließlich befasst sich der BGH mit Besu­chen des Mieters. Besucher, die sich mit dem Einverständnis des Mieters in der Wohnung aufhalten, sind im Hinblick auf die Einhal­tung des Hausfriedens als Erfüllungsgehilfen des Mieters anzusehen. Die Mieterin musste sich daher das Verhalten ihres Lebensgefähr­ten nach § 278 BGB zurechnen lassen. Das Verhalten von Besuchern kann und muss bei der Beurteilung einer Vertragspflichtverlet-zung/Kündigung mit einbezogen werden.

VERWALTERSTRATEGIE
Diese BGH-Entscheidung zeigt erneut, wie wichtig es ist, neben einer außerordentlichen Kündigung wegen Vertragspflichtverletzung immer hilfsweise eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Diese geht häufig unter erleichterten Voraussetzungen durch, und in aller Regel ist die ordentliche Kündigungsfrist noch während der ersten Instanz eines Räumungsrechtsstreits abgelaufen. Eine Abmahnung von pflichtwidrigem Verhalten ist in jedem Fall angebracht. Für die außerordentliche Kündigung ist diese – außer bei ganz schweren Vertragsverstößen, § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 BGB – zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung. Aber auch der ordentlichen Kündigung verleiht die Abmahnung häufig erst das notwendige Gewicht. Des Weiteren ist zu beachten, dass eine unwirksame Kündigung wegen eines Pflichtverstoßes in der Regel als Abmahnung ausgelegt wird. Es schadet jedoch nicht, dies bei einer ersten Kündigung ausdrücklich zu vermerken und dann weitere Kündigungen hilfsweise auszusprechen.

Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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