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(BGH, Urteil vom 25.10.2023 – Az. VIII ZR 147/22)
Die Entscheidung, ob eine ehrschmälernde Äußerung noch der Meinungsfreiheit unterfällt oder eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung darstellt, ist oftmals eine Gratwanderung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) führt in nachstehendem Urteil aus, dass die Beurteilung, ob eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen durch einen Mieter innerhalb eines Rechtsstreits mit seinem Vermieter einen Kündigungsgrund darstellt, erst nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist.
Die Beklagten wohnen in Berlin und sind seit dem Jahr 2000 Mieter einer Wohnung der klagenden Eigentümerin. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis erstmals ordentlich mit Schreiben vom 24. Juli 2019. Als Grund gab sie die Hundehaltung der Beklagten an, die aus ihrer Sicht vertragswidrig sei. Nachdem die Beklagten der Kündigung widersprochen haben, erhebt die Klägerin Klage auf Räumung und Herausgabe.
Im Rahmen des Räumungs- und Herausgaberechtsstreits äußerten sich die Beklagten – wörtlich – wie folgt: „Aus unserer Perspektive geht es gar nicht um den Hund. Wir haben vielmehr das Gefühl, dass wir aus dem Haus herausgemobbt werden sollen. Wir werden auch von dem Hausverwalter beleidigt mit Worten wie ‘Scheiß Ausländer‘ und ‘Assis‘. Ich habe ein Gespräch der Eigentümerin zufällig mitbekommen, aus dem sich ergibt, dass das Haus verkauft werden soll. Der Käufer hat jedoch gesagt, dass ein Verkauf des Hauses nur dann in Betracht kommt, wenn alle Mieter aus dem Haus ausgezogen sind.“
Die Klägerin empfand diese – ihrer Meinung nach obendrein unwahren Äußerungen – als ehrverletzend und sprach mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 (erneut) die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Wohnraumverhältnisses aus.
Die Klägerin hatte erstinstanzlich keinen Erfolg; das Amtsgericht hat die Räumungs- und Herausgabeklage abgewiesen. Auf ihre Berufung hin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben, die Äußerungen der Beklagten seien eine vorsätzlich falsche Tatsachenbehauptung, die eine Kündigung rechtfertigen würde. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Zwar hat auch der BGH – wie zuvor das Berufungsgericht – festgestellt, dass es sich bei der Äußerung der Beklagten um eine bewusst unrichtige und damit pflichtwidrige Tatsachenbehauptung handelt. Die besondere Situation eines Rechtsstreits erfordert jedoch, dass Parteien regelmäßig alles vortragen dürften, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, selbst wenn hierdurch die Ehre des Prozessgegners berührt wird, ohne straf- oder zivilrechtliche Nachteile befürchten zu müssen. Hiernach führt nur ein bewusst unrichtiges Vorbringen eines Mieters innerhalb eines Mietrechtsstreits zu einem die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) begründenden Pflichtverletzung, wenn es sich um eine missbräuchliche Äußerung handelt, die in keinem inneren Zusammenhang mit dem verfolgten und berechtigten Anliegen steht, oder wenn wissentlich unwahre oder leichtfertig unhaltbare Behauptungen aufgestellt werden. Anzeichen hierfür liegen nicht vor. Vielmehr haben die Beklagten lediglich ihre subjektive Wahrnehmung wiedergegeben. Die ehrverletzende Komponente tritt insbesondere auch dann in den Hintergrund der Aussage, wenn man die vorherige schwere Beleidigung zulasten der Beklagten durch den Verwalter berücksichtigt, die das Gericht hätte überprüfen und in die Bewertung mitein-beziehen müssen, wenn es die Aussagen der Beklagten im Prozess als kündigungsrelevante Pflichtverletzung verstanden hätte.
Eine klagestattgebende Entscheidung kann ebenfalls nicht auf die ursprünglich ausgesprochene Kündigung, die ausschließlich die Hundehaltung als Pflichtverstoß enthält, gestützt werden. Voraussetzung des § 573 Abs. 3 S. 2 BGB, der ausnahmsweise eine Berücksichtigung auch von Gründen vorsieht, die im Kündigungsschreiben nicht angegeben sind, ist, dass die ursprüngliche Kündigungserklärung zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs wirksam gewesen sein muss. Ob dies der Fall ist, hatte jedoch das Berufungsgericht nicht festgestellt.
VERWALTERSTATEGIE
Ob einem Mieter ein – ggf. zur Kündigung führendes – pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Innerhalb eines Rechtsstreits dürfen Mieter zur Wahrung ihrer Rechte umfassend vortragen, die Grenze ist hierbei erst bei einer missbräuchlichen Äußerung zu ziehen, die in keinem inneren Zusammenhang mit verfolgten und/oder berechtigten Interessen steht. Bei der Würdigung ist zudem auch das Verhalten des Vermieters zu berücksichtigen, dies umso mehr, wenn er das vertragswidrige Verhalten seines Mieters erst provoziert hat.
Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
https://www.bubmemmingerpartner.de/