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(BGH, Urteil vom 10.4.2024 – Az. VIII ZR 286/22)
§ 577a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dient dem Schutz des Mieters vor Veränderungen. Hiernach ist das Recht des Erwerbers zur ordentlichen Kündigung wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB oder wirtschaftlicher Verwertung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB einer in Wohnungseigentum umgewandelten Wohnung zeitweise ausgeschlossen. Die Mietwohnung soll auf diese Weise nicht zum Handelsobjekt unmittelbar nach der Umwandlung werden. In der Regel beträgt die „Sperrfrist,“ während der der Erwerber des Wohnungseigentums sich nicht auf ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 berufen kann, drei Jahre. In Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum besonders gefährdet ist, kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die vorgenannte Frist auf eine Dauer von bis zu zehn Jahren erhöhen. Die Wertung des § 577a BGB stellt damit einen erheblichen Entscheidungsfaktor für den Erwerb von unmittelbar zuvor umgewandeltem Wohnungseigentum dar. In nachfolgendem Urteil hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit der äußerst praxisrelevanten Problematik auseinanderzusetzen, ob die Wertungen des § 577a BGB nicht nur auf die Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung, sondern ebenso auf diesem Tatbestand nahestehende Kündigungen des Vermieters übertragbar sind und diese generell erschwert werden sollten.
Die Parteien des Rechtsstreits sind durch ein Wohnraummietverhältnis miteinander verbunden. Die beklagten Mieter bewohnen das streitgegenständliche Mietobjekt – eine Dreizimmerwohnung in Berlin – seit dem Jahr 1977. Erst im Juli 2013 wurde das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt, der Kläger erwarb das Eigentum an der streitgegenständlichen Wohnung im Jahr 2018.
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 24. Januar 2021 das Mietverhältnis ordentlich und begründete dies mit einem „Betriebsbedarf“. Er benötige das Mietobjekt zukünftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt und beabsichtige, dort auch seinen Wohnsitz zu begründen; der bisherige Mietvertrag für seine Kanzlei- und Wohnräume ende.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung in Anspruch und kündigt höchstvorsorglich das Mietverhältnis erneut ordentlich im Rahmen der Klageschrift. In erster und zweiter Instanz bleibt der Kläger ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein ursprüngliches Begehren weiter; diesmal mit Erfolg.
Der klagende Vermieter hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB; sein Anspruch auf Räumung und Herausgabe kann nicht verneint werden.
Grundsätzlich ist das Bestehen des berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB eine Frage des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Belange der Mietvertragsparteien.
Zwar ist der Nutzungswunsch des Klägers von seiner durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtsposition, sein Eigentum selbst zu nutzen, umfasst. Jedoch fehlt es im konkreten Fall an der Verwirklichung eines der typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, denn der Kläger beabsichtigt gerade nicht die alleinige oder zumindest überwiegende Nutzung des streitgegenständlichen Objekts zu Wohnzwecken, sondern überwiegend, um dort seiner (frei-)beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können. Soweit das Berufungsgericht deshalb erhöhte Anforderungen an das Erlangungsinteresse des Vermieters stellt, ist dies abzulehnen. Keinesfalls müssen die Wertungen des § 577a zur Sperrfrist bei einer ordentlichen Kündigung aufgrund einer beabsichtigten Mischnutzung derart herangezogen werden, dass dem Vermieter eine Kündigung nur möglich sein soll, wenn ihm nicht nur ein beachtenswerter Nachteil, sondern ein „gewichtiger Nachteil“ bei der Fortführung des Mietverhältnisses entstehen würde.
Eine Grundlage für eine solche zusätzliche Anforderung findet ihre Berechtigung insbesondere auch nicht in dem vom Gesetzgeber mit § 577a Abs. 1 BGB bezweckten Schutz. Denn der Gesetzgeber hat den durch § 577a Abs. 1 BGB erhöhten Schutz des Mieters nach der Bildung von Wohnungseigentum und anschließender Veräußerung des neu geschaffenen Eigentums vor Kündigungen des Erwerbers ausdrücklich und ausschließlich auf die in § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB geregelten Fälle der Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung beschränkt. Ein umfassender Schutz des Mieters vor jeglicher ordentlicher Kündigung des Erwerbers ist damit durch § 577a Abs. 1 BGB vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt. Die Vorschrift ist eng auszulegen und nicht durch eine analoge Anwendung auf weitere, den in § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB ähnelnden Kündigungsgründen anzuwenden. Die bewusst durch den Gesetzgeber getroffene Entscheidung schließt nicht nur die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch eine Analogie des § 577a Abs. 1 BGB aus, sondern auch, dass dessen Wertungen in nicht von § 577a BGB erfassten Fällen unter Verweis auf vermeintliche Wertungswidersprüche (bereits) als zusätzliche Voraussetzung für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB herangezogen werden.
VERWALTERSTRATEGIE
Die Entscheidung des BGH überzeugt. Der eindeutige Wortlaut des § 577a BGB lässt eine Anwendung der Sperrfrist nur auf die Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und die Kündigung wegen anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) zu; höhere Anforderungen sind demnach an das Vorliegen des „berechtigten Interesses“ des Vermieters bei einer den Tatbeständen der §§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB ähnelnden Kündigung nicht zu stellen, auch wenn es sich um den Erwerb einer Wohnung nach deren Umwandlung in Wohnungseigentum handelt. In der Regel ausreichend ist demnach, dass dem Vermieter bei der Verweigerung der beabsichtigten Nutzung des Wohnungseigentums ein beachtenswerter beziehungsweise anerkennenswerter Nachteil entstünde.
Rechtsanwältin; Kanzlei Bub Memminger & Partner, München