04.06.2024 Ausgabe: 4/24

Mietrecht: Eine Kündigung wegen Zerstörung der Vertrauensgrundlage kann aufgrund des eigenen pflichtwidrigen Verhaltens des Vermieters ausgeschlossen sein.

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(BGH, Urteil vom 29.11.2023 - Az. VIII ZR 211/22)

Das Thema

Ist das Mietverhältnis von regelmäßigen Vertragsverletzungen beider Seiten geprägt, besteht oftmals – vermieterseitig – der Wunsch nach einer Beendigung des Mietverhältnisses. Zur Klärung steht dann die sich hieran anschließende Frage, wann die Voraussetzungen für eine Kündigung aufgrund der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gegeben sind. Mit nachstehendem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) für das Wohnraummietrecht entschieden, dass eine Zerrüttung des Mietverhältnisses allein zur Begründung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht ausreicht, sondern vielmehr hinzukommen muss, dass die Zerstörung der Vertrauensgrundlage durch ein pflichtwidriges Verhalten des anderen Vertragsteils verursacht worden ist und nicht auf beiderseitiges Verhalten, insbesondere nicht auch auf das Verhalten des Kündigenden zurückzuführen ist.

Der Fall

Die Parteien sind seit dem Jahr 2011 durch ein Mietverhältnis über eine Wohnung der klagenden Vermieter verbunden. Bereits seit dem Jahr 2014 bilden angebliche Vertragsverletzungen beider Parteien – beispielsweise Verstöße gegen die Haus- und Reinigungsordnung, Lärmbelästigungen – regelmäßig den Gegenstand von Auseinandersetzungen. Zudem äußerten sich die beklagten Mieter angeblich in rassistischer Weise über Ausländer, was die Kläger in einem Schreiben der ebenfalls im Haus lebenden Familie türkischer Abstammung mitteilten. Die Beklagten haben daraufhin Strafanzeige wegen Verleumdung gegen die Kläger erhoben und behaupten weiter, von den Klägern auch als „asozial“ und als „Penner“ beschimpft worden zu sein.

Die Kläger nahmen die Strafanzeige sowie das angeblich zerrüttete Vertrauensverhältnis zum Anlass, das Miet­verhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zu kündigen.

Die auf Grundlage dieser Kündigung erhobene Räu-mungs- und Herausgabeklage gegen die beklagten Mieter hat keinen Erfolg. Die Strafanzeige sowie die angebliche Zerrüttung des Mietverhältnisses erfüllen die Voraussetzungen für einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne der §§ 543 Abs. 1 S. 2, 569 Abs. 2 BGB nicht; eine außerordentliche fristlose Kündigung ist nicht gerechtfertigt.

Allein die Feststellung, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört ist, ist nicht ausreichend. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB im Fall der Zerrüttung der Vertrauensgrundlage nur dann gegeben ist, wenn infolge des Verhaltens einer Mietvertragspartei für die andere Partei nach einer Abwägung beiderseitiger Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses und das Abwarten einer Kündigungsfrist zur ordnungsgemäßen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist. Diese strengen Voraussetzungen sind bei Wohnraummietverhältnissen ebenso wie bei Gewerberaummietverhältnissen anzuwenden.

Ein solches pflichtwidriges Verhalten der Mieter hat unter Anwendung eines strengen Maßstabes im konkreten Fall jedoch nicht vorgelegen. Insbesondere stellt die Erstattung der Strafanzeige gegen die Kläger keine Verletzung miet­vertraglicher Pflichten dar, welche die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Denn es entspricht den zutreffenden Feststellungen des vorinstanzlichen Gerichts, dass sich der zentrale Vorwurf, die Beklagten hätten sich rassistisch über Ausländer geäußert, als unwahr herausgestellt hat. Die Erstattung einer Strafanzeige kann jedoch nur dann einen schwerwiegenden Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten darstellen und in der Folge auch nur dann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn sie grundlos erfolgt ist, demnach auf wissentlich unwahren oder leichtfertig falschen Angaben beruht.

Die Beklagten haben gegenüber den Klägern jedoch berechtigterweise Anzeige erheben dürfen und mit der Anzeigenerstattung ihre bereinigten Interessen im Sinn von § 193 Strafgesetzbuch (StGB) wahrgenommen.

Die weiteren Vorwürfe allein – die angeblichen Beleidigungen und Verletzungen der Hausordnung – rechtfertigen, auch wenn sie zutreffen würden, keine außerordentliche fristlose Kündigung; ihnen ist kein derartiges Gewicht zuzumessen, das die Fortsetzung des Mietverhältnisses oder zumindest den Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist für die Kläger unzumutbar erscheinen lässt.


VERWALTERSTRATEGIE

Die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses war und ist auch außerhalb von Mietverhältnissen immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. Fest steht, und dies ist von der Praxis zu berücksichtigen, dass allein der Umstand, dass das Vertrauensverhältnis zerstört ist, für die Begründung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht ausreichend ist. Ebenso ist dem Kündigenden das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung verwehrt, wenn er die Zerrüttung überwiegend verschuldet hat. Ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, unterliegt einer Interessenabwägung und ist eine Entscheidung des Einzelfalls, wobei die Voraussetzungen aufgrund des ausdrücklich vom BGH betonten strengen Prüfungsmaßstabes nur im Ausnahmefall vorliegen werden.

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
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