10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Mietrecht: Eintritt des Erwerbers bei fehlender Identität von Vermieter und Veräusserer

(BGH, Urteil vom 27.10.2021 – Az. XII ZR 84/20)
 

DAS THEMA
Dieses komplexe Thema, das in den letzten Jahren den Bundesgerichtshof (BGH) mehrfach beschäftigt hat, kann in der Praxis gerade wegen der Ausgliederung der Mietverwaltung auf Immobiliengesellschaften durchaus zum Tragen kommen, und zwar mit erheblichen Konsequenzen. Bekanntlich gehen bei Erwerb eines Grundstücks die Mietverhältnisse über dieses Grundstück gemäß § 566 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Erwerber über, „Kauf bricht nicht Miete“. Diese Vorschrift hat mieterschützenden Charakter: Der Erwerber soll das Mietverhältnis nicht nur aufgrund des Erwerbs kündigen können. Es handelt sich dabei allerdings um eine Ausnahmevorschrift, da in aller Regel schuldrechtliche Verträge nicht auf Dritte übergehen. So übernimmt der Grundstückseigentümer zum Beispiel nicht automatisch Wartungsverträge, Versicherungsverträge o. Ä. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass der Vermieter aus dem Mietvertrag identisch mit dem Veräußerer des Grundstücks sein muss, der Mietvertrag also vom Eigentümer abgeschlossen werden muss. Bereits in den letzten Jahren hat der BGH allerdings eine analoge Anwendung des § 566 BGB auch bei Nichtidentität von Vermieter und Veräußerer zugelassen, jedoch nur unter der engen Voraussetzung, dass die Vermietung mit Zustimmung und im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt ist und der (Nichteigentümer-) Vermieter kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Mietverhältnis hat. Mit dieser Rechtsprechung war gesichert, dass Mietverhältnisse, die von Immobilienverwaltungsgesellschaften abgeschlossen wurden, bei Verkauf auf den Erwerber übergehen, insbesondere dann, wenn der Eigentümer/Verkäufer Alleingesellschafter der Immobilienverwaltungsgesellschaft ist. In dieser neuen Entscheidung präzisiert der BGH nun, zu welchem Zeitpunkt das wirtschaftliche Interesse gegeben sein muss und welche wirtschaftlichen Interessen ausreichen, um einen Übergang des Mietvertrags auf den Erwerber auch bei fehlender Identität zwischen Vermieter und Veräußerer sicherzustellen, und grenzt zur Untervermietung ab.


DER FALL
Ursprünglich war die H-GmbH Eigentümerin der streitgegenständlichen Flächen. Sie verkaufte diese bereits im Jahr 1995 an eine Projektentwicklung-GmbH, behielt sich allerdings einen Rückübertragungsanspruch an der streitgegenständlichen Fläche vor. Diesen Rückübertragungsanspruch trat die H-GmbH sehr viel später an die S-GmbH ab, welche diesen allerdings nie geltend machte oder gar klageweise durchsetzte. Im Januar 2008 schloss die S-GmbH einen Pachtvertrag mit dem beklagten Verein ab, der die Fläche nutzte. Im Juni 2008 verkaufte die Eigentümerin, die Projektentwicklung-GmbH, das Grundstück an die Klägerin. Vor diesem Verkauf wies die S-GmbH die Projektentwicklung-GmbH und Verkäuferin darauf hin, dass ihr dieser Rückübertragungsanspruch zustehe und sie davon Gebrauch machen werde. Nach dem Verkauf teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie in den Pachtvertrag eingetreten sei und die Pacht nunmehr an sie geleistet werden solle. Dementsprechend zahlte der Pächter seither die ursprünglich zwischen ihm und der S-GmbH vereinbarte Pacht an die Klägerin. Die S-GmbH ging nicht dagegen vor und machte auch ihren Rückübertragungsanspruch nicht weiter geltend. Sehr viel später, im Jahr 2017, kündigte die Klägerin den Pachtvertrag gegenüber dem beklagten Verein ordentlich mit der gesetzlichen Frist, gestützt auf einen angeblichen Schriftformmangel. Die Beklagte argumentiert, dass der Pachtvertrag befristet abgeschlossen worden sei und deshalb noch bis zum Jahr 2026 laufe. Der BGH hatte also zu entscheiden,ob die Klägerin durch den Erwerb des Grundstücks von der Projektentwicklung-GmbH nach § 566 BGB in den Pachtvertrag eingetreten ist, der zwischen der S-GmbH und dem Beklagten geschlossen wurde. Da Verkäufer und Verpächter nicht identisch waren, kommt es darauf an, ob § 566 BGB hier analog anwendbar ist. Das Berufungsgericht hat dies bejaht, da nach seiner Ansicht zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses im Jahr 2008 sowohl der Fortbestand des Mietverhältnisses als auch der Eintritt der Klägerin in diesen Vertrag im allseitigen Interesse aller Parteien gelegen habe, nämlich im wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers, der Projektentwicklung-GmbH, und
ebenso zumindest der ideellen Interessenlage der Vermieterin, der S-GmbH, und dem Bestandsinteresse der beklagten Partei entsprochen habe. Dies genügt nach Ansicht des BGH jedoch nicht für eine analoge Anwendung. Das Bestandsinteresse des Mieters besteht zwar weiterhin. Es rechtfertigt eine analoge Anwendung und damit einen Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag jedoch nur, wenn der Vermieter bei Mietvertragsabschluss mit Wissen und Einverständnis des Veräußerers und in dessen wirtschaftlichem Interesse tätig geworden ist. Dann kann der Veräußerer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleichsam als Vermieter angesehen werden. Nur dann ist es gerechtfertigt, dass der Veräußerer den von einem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag gegen sich gelten lassen muss und sein Eigentum nur mit diesem Mietvertrag „belastet“ veräußern kann. Dies ist dann der Fall, wenn als Vermieter beispielsweise eine Immobilienverwaltungsgesellschaft oder eine Verwaltung agiert, deren Alleingesellschafter der Veräußerer ist. Hierbei nutzt der Eigentümer lediglich eine formalrechtliche Konstruktion, um selbst nicht als Vermieter in Erscheinung zu treten, die wirtschaftlichen Interessen laufen jedoch völlig gleich.

Nicht ausreichend für eine Gleichsetzung ist allerdings, wenn der Eigentümer der Vermietung nur zustimmt oder diese später genehmigt. Dies reicht nicht aus, um die wirtschaftlichen Interessen gleichzuschalten. In diesen Fällen handelt es sich vielmehr um einen Fall der Untervermietung, bei der der Abschluss des Mietvertrags im Interesse des Hauptmieters erfolgt, nicht
jedoch primär im wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers liegt.

In dem zu entscheidenden Fall lag die Vermietung durch die S-GmbH jedenfalls nicht im Interesse der Voreigentümerin, der Projektentwicklung-GmbH. Sie erhielt von der Miete keinen Cent; die Miete floss zunächst an die S-GmbH und dann an die Erwerberin, die Klägerin. Die Projektentwicklung-GmbH hat durch die Duldung der Vermietung nur vermeiden können, dass die S-GmbH den an sie abgetretenen Rückgewähranspruch geltend macht. Dieses Interesse richtet sich jedoch nicht auf den Bestand des Mietverhältnisses und genügt daher nicht für die analoge Anwendbarkeit des § 566 BGB.

Durch die fortlaufende Pachtzinszahlung der beklagten Partei ist allerdings ein konkludenter Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommen. Dieser war jedoch nicht wirksam befristet, sondern auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnte daher vonseiten der Klägerin ordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden.

VERWALTER STRATEGIE
Das komplexe Urteil ist deshalb interessant für Mietverwaltungen, weil es deren täglich Brot ist, Mietverträge für Auftraggeber, die Eigentümer, abzuschließen. Dies kann entweder geschehen, indem die Hausverwaltung als Bevollmächtigte des Eigentümers auftritt, womit sich das in dieser Entscheidung thematisierte Problem nicht stellt. Ebenso oft geschieht dies aber auch im Namen der Hausverwaltung, die damit Mietvertragspartei wird, jedoch auf Rechnung des Eigentümers, der aus unterschiedlichsten Gründen nicht gegenüber seinen Mietern nach außen auftreten will. In diesem Fall ist darauf zu achten, dass der Mietvertrag ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers wahrt, damit dieser ihn bei einem Verkauf des Objekts mit veräußern kann und er nicht an der Hausverwaltung „hängenbleibt“, die ihn dann gegebenenfalls nicht mehr erfüllen kann und somit riskiert, für Schadensersatzansprüche von Mietern haften zu müssen. Soweit der Vermieter nicht Allein- oder Mehrheitsgesellschafter der Hausverwaltungsfirma ist, muss die wirtschaftliche Interessenwahrung dadurch gesichert werden, dass die Hausverwaltung beiMietvertragsabschluss vollkommen weisungsgebunden, ohne jeden eigenen wirtschaftlichen Spielraum und ohne eigenes wirtschaftliches Interesse handelt. Insbesondere verbietet sich in diesen Fällen eine interne Maklerprovision.
 

Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
www.asd-law.com